DJ Ron im Interview Splash und Hip Hop: "Chemnitz war schon eine kleine Hochburg"
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04. Juli 2024, 10:29 Uhr
Das Splash Festival in Ferropolis ist im deutschen Hip Hop zu einer Institution geworden. Die Anfänge des europaweit größten Festivals für Hip Hop liegen in Chemnitz. Denn die 90er-Jahre standen für Umbruch und Veränderung, was sich auch in der Musikkultur zeigte. Chemnitz war der Nährboden für das Festival, das dort 1998 erstmalig veranstaltet wurde. Der Chemnitzer DJ Ron war dabei, erinnert sich im Interview zurück und erklärt, warum das Festival so wichtig für das Genre Deutschrap ist. Die Geschichte des Splash wird auch in der neuen Doku "Größer als Hip Hop" beleuchtet, die in der ARD Mediathek zu sehen ist.
MDR KULTUR: Du wohnst immer noch in Chemnitz und hast viel in der Kulturszene miterlebt und groß gemacht. Wie hast du diese in den 90er-Jahren wahrgenommen?
DJ Ron: Die Kulturszene war für mich immer sehr offen und sehr zugänglich. Ganz konkret war das bei mir das AJZ Talschock in Chemnitz, dort war ein Anlaufpunkt für die Hip Hop- und Punk-Szene früher. Dorthin bin ich von meinem kleinen Dorf mit dem Fahrrad gefahren. Die Zeit war wild, weil so viele Kulturen aufeinander geprallt sind. Und man hat sich dort vernetzt, weil die Hip-Hop-Kultur noch megaklein war. Es gab nicht so viele Menschen, die Hip Hop gehört haben oder aktiv in der Szene waren.
Hast du sehr viele Unterschiede in der Szene gemerkt, gerade zu anderen Städten in Sachsen, Sachsen-Anhalt oder Thüringen?
Ich war als DJ oft unterwegs und habe in anderen Städten aufgelegt, zeitlich Mitte-Ende der 90er-Jahre. Und da hatte ich das Gefühl, dass Chemnitz einen großen Stellenwert hat, auch in Ostdeutschland. Da habe ich gemerkt, dass die Systeme in Chemnitz ein bisschen größer waren, dass es viele Konzerte gab, die es in anderen Städten, gerade in Ostdeutschland, nicht gab – wie Eminem, Outcast, Wutang Clan. Teilweise waren das Kulturen, die es sonst nur in Berlin, Chemnitz und in München gab. Chemnitz war schon eine kleine Hochburg.
Die Kulturszene in Chemnitz ist heute noch sehr offen gestaltet, was auch erklärt, warum sehr viele Bands hervorgekommen sind: Kraftklub, Blond, Power Plush. Findest du, dass auch die Hip- Hop-Szene von dieser Offenheit profitiert?
Absolut, ich erinnere mich da gern an ein Statement von Felix Kummer von der Band Kraftklub, er hat das gut auf den Punkt gebracht. Er fand, dass Chemnitz gerade so groß genug und klein genug ist, dass sich diese verschiedenen Szenen treffen und nicht in ihren eigenen Bubbles bleiben. Sondern, dass eine Indie-Rock-Szene auch auf Hip Hop trifft. Und das ist eben der Punkt, wo er sagt: Daraus ist auch der Kraftklub-Sound entstanden, die Mixtur aus Rap und Indie. Und er meint, das hätte in keiner anderen Stadt so stattfinden können, weil Berlin ist viel zu groß dafür und jeder ist in seiner Bubble.
Chemnitz ist klein, sodass sich die Szenen treffen, vernetzen können und man Austauschpunkte hat.
Du warst damals Teil des Kollektivs, dass sich für das erste Splash-Konzert zusammengefunden hast. Erinnerst du dich, wie das Festival entstanden ist?
Es gab so eine kleine Crew, die hieß Phlatline, darüber haben wir erste Mixtapes veröffentlicht und waren auch langsam als DJs überall in Deutschland unterwegs. Dadurch haben wir uns ein kleines Netzwerk aufgebaut, das wurde größer, Leute sind zu unserer Crew dazugekommen und es gab diese Idee, ein Festival zu machen. Aus diesem Netzwerk und dieser Vision ist letztendlich das Festival entstanden.
Meinst du, man hat mit dem ersten Splash einfach einen Nerv getroffen, weil es ein Novum zu der Zeit war?
Ja absolut! Das erste Jahr war eine kleine Enttäuschung, weil das als Open Air geplant war und es dann indoor in das Kraftwerk verlegt werden musste. Wir haben damals versucht, das mit einem Verein gemeinsam umzusetzen. Dann im Folgejahr hat man sich davon losgelöst und gesagt, wir machen das Open Air, obwohl wir keinen Verein hatten, der uns unterstützt. Wir haben uns gesagt: Das machen wir auf eigene Kappe.
Und das war eben der Zeitpunkt, als auch die Hip-Hop-Szene in Deutschland erstmals explodiert ist. Das war zu Beginn von Freundeskreis und Samy Deluxe, und es gab auf einmal ganz viel erfolgreiche Hip-Hop-Alben. Ich glaube, wenn man das Splah zwei, drei Jahre früher begonnen hätte, hätte es sein können, dass es nicht funktioniert. Dann hätten wir es nach einem Jahr beenden müssen. Es war einfach ein guter Zeitpunkt, und da kamen viele Faktoren zusammen, die es dazu gemacht haben.
Und jetzt ist das Splash das größte Hip Hop-Festival im deutschsprachigen Raum. Was bedeutet dir das, dass du Teil davon warst bzw. bist und auch bei den Anfängen dabei warst?
Das ist ehrlicherweise gar nicht so richtig zu fassen. Gerade wenn ich zurückblicke, wie lange ich das schon mache und wie lange ich dabei bin. Es fühlt sich sehr crazy an, vor allem, wenn ich sehe, was das Splash immer noch für einen Stellenwert hat. Dass es immer noch diese Institution und Anlaufstelle für die Hip-Hop-Szene in Deutschland ist.
Wie sehr hat das Splash Deutschrap vorangebracht? Oder war das ein Symptom, dass es gut funktioniert hat?
Ich glaube, das hat sich gegenseitig beflügelt. Es gab auch nicht nur Hochphasen vom Deutschrap, es gab auch Phasen, wo es nicht mehr erfolgreich war und auch in der Zeit hat das Splash Bestand gehabt. Trotz eigener Probleme: wie mit einer Insolvenz, verregneten Jahren und auch Überschätzung, weil man es zu groß geplant hatte.
Ich glaube, es hat in der Zeit auch immer wieder ein Forum geboten für alles, was im Deutschrap passiert ist.
Und ich glaube, dass es auch an vielen Stellen Artists geholfen hat, so einen Tipping Point zu überschreiten und auch im Mainstream erfolgreich zu werden.
Warum hat das Splash noch so einen großen Stellenwert für Hip-Hop-Deutschland?
Ich glaube, dass das Splash Festival durch frühes Booking von Artists schon immer wieder geschafft hat, dass gewisse Künstlerinnen und Künstler erfolgreich geworden sind, dadurch dass sie dort spielen konnten. Für mich war das immer sehr schön zu sehen, wenn es Acts gab wie einen UFO361 oder RIN, die gerade so online einen gewissen Hype hatten. Dann hat man sie das erste Mal auf dem Splash gesehen und hat mitbekommen, wie krass das auch in der Realität funktioniert und wie das dadurch auch eine ganz andere Größe bekommen hat.
Doku-Tipp:
In der zweiteiligen Doku "Größer als Hip Hop - Die Geschichte des Splash Festivals" wird der Weg des Splash mit allen Höhen und Tiefen gezeichnet: unvergessliche Auftritte, Kritik am Booking, ein drohendes Insolvenzverfahren ... Und die Doku zeigt, wie sich Deutschrap entwickelt hat.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | 04. Juli 2024 | 22:10 Uhr