Die Illustration eines Soldaten ist auf einem Stück Stoff abgebildet.
In "Stell dir vor, es ist Krieg..." dürfe die Interviewpartner aus Politik, Kunst und Wissenschaft auf einen Pappkameraden schießen – wenn sie wollen. Bildrechte: WDR

Streaming-Highlights Die fünf besten Dokus im April

01. April 2025, 12:02 Uhr

Die ARD Mediathek bietet eine riesige Auswahl an Dokumentationen. Damit Sie den Überblick behalten, stellen wir Ihnen jeden Monat die spannendsten Highlights zum Streamen vor. Im April 2025 empfehlen wir Ihnen fünf Produktionen, die hochaktuelle politische und moralische Fragen behandeln. Es geht um Pazifismus in Kriegszeiten, Olaf Scholz' unwahrscheinliche Karriere, ethische Grenzen im Film, Grenzen des Punk in Ost und West sowie kulturpolitische Abhängigkeiten zwischen China und den USA.

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"Stell dir vor, es ist Krieg…" – Pazifismus auf dem Prüfstand

Schießen oder nicht schießen, das ist die Frage, die Regisseur Florian von Stetten seinen Interviewpartnern stellt. Als Katalysator dienen zwei Requisiten: ein schussbereites Gewehr und ein Pappkamerad als Zielscheibe. Wie sich die Befragten dazu verhalten, spricht bereits Bände und hält manche Überraschung bereit. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann etwa lehnt entsetzt ab. Die Autorin Katja Lange-Müller, Fluppe im Mund, greift beherzt zu und schießt.

Die Sache ist eben nicht so einfach. Der Ukraine-Krieg hat so manchen überzeugten Pazifisten durcheinander gebracht. Auch von Stetten selbst, der seine eigene schmerzhafte Geschichte mit der Bundeswehr rekapituliert und den Film durch diese persönliche Note bereichert. Spätestens mit der aktuellen Aufrüstungsdiskussion in Europa muss sich wohl jede und jeder mit der Frage beschäftigten. Der Film gibt, ohne zu bewerten, dazu viele Anregungen und ist ganz klar ein Film zur Stunde.

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"Stell dir vor, es ist Krieg…"
WDR, NDR 2025
Länge: 74 Minuten
Regie: Florian von Stetten
Zu sehen in der ARD Mediathek: unbegrenzt

"Olaf Scholz - Schicksalsjahre eines Kanzlers" – truely Sozialdemokrat

Ein wenig schmunzeln musste ich schon bei diesem Vergleich von Olaf Scholz mit der Kaiserin Elisabeth. "Sissi – Schicksalsjahre einer Kaiserin" hieß ja der dritte Teil der Sissi-Trilogie. Vergleichen lassen muss sich Scholz zudem mit Angela Merkel, die auch schon ihre gleichnamige Doku-Serie bekam. Doch es lohnt sich, Olaf Scholz' Weg zur Kanzlerschaft noch einmal Revue passieren zu lassen, auch um zu verstehen, wo wir gerade stehen.

Scholz erscheint als ein Mann, der früh gelernt hat, einzustecken, aber stur immer weiter lief. Der eigentlich nur in Hamburg beliebt war. Und der schließlich gegen alle Wahrscheinlichkeit Kanzler wurde, das aber erstaunlich präzise geplant hat. Die dreiteilige Serie ruft viele politische Momente in Erinnerung, in denen der einstige Marxist eine Rolle spielte: von der Agenda 2010 über den Hamburger G-7-Gipfel bis hin zur aktuellen Verteidigungsdebatte – auch für den selbsterklärten "truely Sozialdemokraten" Scholz eine der größten Herausforderungen.

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"Olaf Scholz - Schicksalsjahre eines Kanzlers"
ARD 2025
Drei Folgen à 30 bis 35 Minuten
Regie: Tim Evers
Zu sehen in der ARD Mediathek bis 27.03.2027

"Was tun" – Das morische Dilemma der Dokumentaristen

Ein deutscher Filmstudent sieht einen Dokumentarfilm, in dem eine junge Zwangsprostituierte in Bangladesch einen verzweifelten Appell in die Kamera schickt: Warum müssen die Frauen leiden? Das Film-Bild brennt sich Michael Kranz ein, sodass er Jahre später, ohne klaren Plan, losfährt, um das Mädchen zu finden. Ein äußerst naiver Ansatz, wie er selbst zugibt. Und doch führt er ihn zu seiner Sozialreportage – und zu neuen Fragen.

Auf seiner Reise dringt Kranz tatsächlich in das entsprechende Milieu vor, findet sogar das Mädchen, gründet mit einheimischen Partnern ein Waisenhaus... Zugleich fragt er als Erzähler, was er damit eigentlich verändert hat. Auch seine Rolle als weißer Filmschaffender, dem die Kamera Türen öffnet, thematisiert er. Die moralische Frage "was tun?", die ihn antreibt, markiert das grundsätzliche Dilemma der Dokumentaristen, die etwas dokumentieren, was sie zugleich beeinflussen. Eine Gratwanderung, die zur Reflexion über das Filmemachen einlädt.

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"Was tun"
BR 2020
Länge: 72 Minuten
Regie: Michael Kranz
Zu sehen in der ARD Mediathek bis 09.06.2026

"Auswärtsspiel - Die Toten Hosen in Ost-Berlin" – Punk kennt keine Grenzen

Anfang der Achtziger spielten die Toten Hosen aus Düsseldorf ein geheimes Underground-Konzert in Ost-Berlin. Mit der DDR-Punkband Planlos als Vorprogramm. Wie es zu dieser Begegnung kam und wie das Konzert – sowie ein weiteres Ende der 80er-Jahre – über die Bühne ging, rekonstruiert der Film lebendig und dynamisch, mithilfe einer ausgezeichneten Archivarbeit und teilweise auch animierten Szenen.

Dabei verfolgt er eine erfolgreiche Spiegel-Dramaturgie: Die Mitglieder beider Bands reflektieren unabhängig voneinander, was Punk für sie, in ihrem jeweiligen Umfeld, bedeutete. Und wie die Konsequenzen aussahen. Kurz: Die Toten Hosen frönten ihrem Abenteuer- und Partyleben, wurden zu Stars, Planlos dagegen wurde zerrieben. Eine Überraschung im Film ist eine konfrontative Begegnung zwischen Campino und einem ehemaligen Stasi-Offizier. Sowie ein Benefizkonzert am selben Ort wie damals. Ein lebendiges Stück Punk-Geschichte.

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"Auswärtsspiel - Die Toten Hosen in Ost-Berlin"
SWR 2022
Länge: 74 Minuten
Regie: Martin Groß
Zu sehen in der ARD Mediathek bis 13.04.2027

"China vs. Hollywood" – Die Tücken der Selbstzensur

Es klingt zunächst mal nach Verschwörungstheorie: Die Hollywood-Karriere von Richard Gere wurde aufgrund seines Engagements für Tibet von China beendet. Oder halt: War es vielmehr Hollywood selbst, das Gere im vorauseilenden Gehorsam keine großen Rollen mehr anbot? In den 90er-Jahren jedenfalls vertieften sich die Beziehungen zwischen Hollywood und China als wichtigem Absatzmarkt. Hat die Traumfabrik sich verkauft?

Wenn alternative Filmenden produziert, ein bereits gedrehter Action-Film noch in der Postproduktion von chinesischen Bösewichten auf nordkoreanische umgestrickt oder die Drehbücher gleich zur Abnahme vorgelegt werden, dann erinnert das schon an altbekannte Mechanismen der Zensur. Formal gesehen ist der Film eher weniger innovativ und arbeitet vor allem mit "Talking Heads" und Filmausschnitten. Inhaltlich spannend ist er allemal. Gerade in einer Zeit, in der die außenpolitischen Beziehungen zwischen den USA und China auf dem Prüfstand stehen.

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"China vs. Hollywood: Traumfabrik unter Kontrolle"
ZDF 2024
Länge: 52 Minuten
Regie: Mario Sixtus
Zu sehen in der ARD Mediathek bis 10.06.2026

Über mich Ich bin Lars Meyer und seit vielen Jahren für MDR KULTUR als Filmkritiker unterwegs, immer auf der Suche nach Filmkunst, die mich berührt, anregt und überrascht.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | 04. März 2025 | 00:05 Uhr

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