Vor 90 Jahren Bücherverbrennung: Ausstellung in Erfurt erinnert an vergessene Tatorte
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13. Juni 2023, 09:15 Uhr
Auch in Erfurt zettelten die Nationalsozialisten vor 90 Jahren die Verbrennung von Büchern missliebiger Autorinnen und Autoren von Heinrich Heine über Döblin, Brecht und Tucholsky bis Erich Kästner an. 160 der oft vergessenen Schauplätze hat der Verein "Verbrannte Orte" inzwischen digital dokumentiert. Zum 90. Jahrestag wird mit einer bundesweiten Wanderausstellung an die Bücherverbrennungen von 1933 erinnert. Station macht sie derzeit im Erfurter Gartenbaumuseum – unweit der Stelle im heutigen egapark, wo im Juni 1933 Bücher in Flammen aufgingen.
Eine Schwarz-Weiß-Fotografie zeigt eine große, gepflegte Rasenfläche – man denkt an einen Sportplatz. Die Bildunterschrift verrät: Das ist der Platz für Volks- und Jugendspiele in Erfurt. Oder vielmehr war er das. Heute gehört die Fläche zum Gelände des egaparks. Nun steht an dieser Stelle der "Mainzpavillon" – eine beliebte Location für Hochzeiten. Nichts erinnert mehr daran, was hier am 29. Juni 1933 passierte: Die Hitlerjugend verbrannte zahlreiche "Bücher, die das Volk seit Jahren systematisch vergiften", so berichtete es damals die Mitteldeutsche Zeitung.
NS-Bücherverbrennungen: Verein dokumentiert 160 Orte digital
Damit Orte wie diese nicht vergessen und in ihrem historischen Kontext gesehen werden, hat Jan Schenck das Projekt "Verbrannte Orte" ins Leben gerufen. Angefangen hat Schenck vor zehn Jahren, indem er als Fotograf Orte ablichtete, an denen Bücherverbrennungen stattgefunden haben. Mittlerweile hat sich aus dem Projekt ein Verein entwickelt. Über 160 Orte, an denen Bücher verbrannt wurden, hat dieser über die Jahre zusammengetragen und in einer digitalen Karte dokumentiert.
"Verbrannte Orte": Wanderausstellung in Erfurt
Die Wanderausstellung anlässlich des 90. Jahrestages soll diese Sammlung für ein breiteres Publikum sichtbar machen: "Ich will, dass wir uns mit der Frage beschäftigen, wie wir diese Orte betrachten, wenn wir wissen, was da passiert ist", sagt Schenck. Für ihn sind die "Verbrannten Orte" auch ein Demokratieprojekt. "Ich denke, zu einer Demokratie gehört auch aktive Erinnerungskultur und da müssen wir uns mit solchen Fragen einfach immer wieder auseinandersetzen, weil wir in einem Land der Tatorte leben", erklärt der Initiator.
Erinnerung an Tatorte und von den Nazis verfolgte Autoren
Die "Tatorte" sind in der Wanderausstellung als Fotografien zu sehen – meist nicht mit dem historischen Motiv, sondern so, wie die Plätze heute aussehen. Dazu gibt es zahlreiche Hintergrundinformationen zum Aufstieg der Nationalsozialisten, Autorenbiografien und Beispielen aus der Exilliteratur. Schenck selbst ist großer Bücherfan, wie er sagt. "Ich habe als Kind schon Erich Kästner und einige Autoren gelesen, die damals von den Verbrennungen betroffen waren", erzählt er.
Ich will, dass wir diese Orte betrachten, mit dem Wissen, was da passiert ist.
Unweit des Gartenbaumuseums in Erfurt wurden Bücher verbrannt
Das Deutsche Gartenbaumuseum im egapark Erfurt hat sich gerne bereit erklärt, die Wanderausstellung in ihren Räumen aufzunehmen, wie Ulrike Richter vom Vorstand erklärt: "Gerade wenn geistiges Eigentum vernichtet wird, sollte jede Kulturinstitution darauf hinweisen. Das gehört einfach zu unserer Aufgabe dazu, auch wenn es natürlich erstmal mit dem Gartenbau-Thema nichts zu tun hat", so Richter.
Denn nur wenige Schritte vom Gartenbaumuseum entfernt, befindet sich der Ort, an dem Ende Juni 1933 in Erfurt Bücher verbrannt wurden. Vor zwei Jahren hatte der Stadtrat beschlossen, an dieser Stelle einen Erinnerungsort zu schaffen. Bis jetzt ist das nicht passiert, auch wenn es laut Richter wohl mittlerweile mehrere Entwürfe gibt. Aber vielleicht ist die Ausstellung nun ein weiterer Anreiz dafür, den egapark als einen von vielen "Verbrannten Orten" sichtbar zu machen.
Redaktionelle Bearbeitung: Lilly Günthner
Dieses Thema im Programm: MDR THÜRINGEN | MDR Thüringen Journal | 10. Mai 2023 | 19:00 Uhr