10. Mai 1933 Die Bücherverbrennungen der Nazis
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10. Mai 2023, 12:44 Uhr
Unter den Nazis werden 1933 Tausende Bücher namhafter Autoren, wie zum Beispiel Sigmund Freud, Kurt Tucholsky und auch Erich Kästner, verbrannt. Mancherorts haben sogar Polizisten die bücherraubenden Horden begleitet. Professoren, Studenten und Bibliothekare unterstützten die Aktion. Öffentliche Proteste gab es kaum.
Es ist das Ende der Gedankenfreiheit: Am 10. Mai 1933 – nicht einmal vier Monate nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 – landen in Berlin Tausende Bücher im Feuer. Darunter die Erzählungen Tucholskys, die Romane von Döblin, Brechts Gedichte und Freuds Schriften. "Jüdisch, pazifistisch, kommunistisch, das sind die Todsünden im neuen Land", erklärt Buchautor und Journalist Volker Weidermann. Er hat die Geschichte jener Nacht im Mai aufgeschrieben und erzählt in seinem "Buch der verbrannten Bücher" von den Autoren, deren Werke in Flammen aufgingen.
Propagandaminister Goebbels ist überrascht
Der promovierte Philologe und Germanist Joseph Goebbels, seines Zeichens "Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda", lässt es sich nicht nehmen, den barbarischen Akt mit einer Rede zu begleiten:
Das Zeitalter eines überspitzten jüdischen Intellektualismus ist nun zu Ende. Und der kommende deutsche Mensch wird nicht nur ein Mensch des Buches, sondern auch ein Mensch des Charakters sein.
Die mitternächtliche Inszenierung ist zwar ganz in seinem Sinn, seine Idee ist sie aber nicht, erklärt Weidemann: "Goebbels selbst hat erst einen Tag vor der Bücherverbrennung zugesagt, dass er teilnehmen würde. Denn, das hat er auch in seiner Feuerrede gesagt, er hätte sich selbst nicht vorstellen können, dass Deutschland so kurze Zeit nach dem Machtantritt der Nazis schon so weit sein würde."
Studenten in SA-Uniformen sammeln die Bücher ein
Es sind Studenten, die in SA-Uniformen bereitstehen und die Schriften jüdischer Autoren beseitigen. Liberale Gedanken gelten vielen von ihnen als "undeutsch". Die Bücher, in denen sie niedergeschrieben sind, sollen verschwinden. Es kommt zu Sammelaktionen. Die Studenten gehen in Bibliotheken, in Büchereien und in Universitäten. Geplant wird die Kampagne von der deutschen Studentenvertretung.
In ganz Deutschland sind die Mitarbeiter der öffentlichen Bibliotheken angewiesen, die sogenannte "Schmutz- und Schundliteratur" selbstständig zu kennzeichnen und zum Abtransport bereitzustellen. In Stoßtrupps überfallen die Studenten private Leihbüchereien und Buchhandlungen.
Polizisten unterstützen Bücherverbrennungen
Mancherorts, wie in Halle an der Saale, werden die bücherraubenden Horden sogar von Polizisten eskortiert, um der Aktion den Anschein von Legalität zu geben. Einige Buchhändler legen vorsorglich selbst Hand an. Köln, Dresden, Hamburg, Halle, Würzburg, Nürnberg, München, Rostock, Frankfurt – zwischen März und Juni finden in mehr als 50 Städten Bücherverbrennungen statt.
Bücherverbrennung: Wo bleibt der öffentliche Protest?
Öffentliche Proteste gibt es kaum. Auch die deutsche Professorenschaft will es sich nicht mit den neuen Machthabern verderben. Stattdessen unterstützt sie die Aktion mit feierlichen Brandreden. Diese Tatsache stellt die Geschichtswissenschaft bis heute vor Rätsel.
Das ist eines der großen Geheimnisse, die wir bis heute nicht gelöst haben. Ja, wie ist es möglich, dass es praktisch keinen Protest dagegen gab, dass Germanistikprofessoren, dass Studenten, dass ausnahmslos alle teilnehmen?! Wie war das möglich, so kurze Zeit nach dem Machtantritt? Das ist tatsächlich überraschend.
Deutschland: Das Land der Dichter und Denker?
Deutschland, das sich so gerne als das Land der Dichter und Denker rühmt, gibt in dieser Zeit seinen kritischen Geist auf und überlässt alles weitere dem "Führer". "Und natürlich, man kann nicht die Bücherverbrennung mit dem Morden im KZ messen. Aber es war der Anfang. Und der Satz: Da, wo man Bücher verbrennt, verbrennt man später auch Menschen, der stimmt ganz genau", resümiert Volker Weidermann.
Dieser Artikel erschien erstmals im Jahr 2018.