Ein Foto von Martin Jehnichen zeigt einen Barkas mit Aufklebern "Nie wieder Sozialismus" und "Test the West" 1990 (Dresden)
1990 fotografierte Martin Jehnichen diesen Barkas in Dresden und dokumentierte damit den Verfall und Umbruch der DDR. Bildrechte: Martin Jehnichen

Kulturelle Ausflugsziele Wohin am Wochenende? Tipps für Leipzig, Nordhausen und Stolberg

07. November 2024, 15:30 Uhr

An diesem Wochenende ist der 9. November – ein denkwürdiger Tag. Wir empfehlen eine Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig mit Fotos von Martin Jehnichen zum Ende der DDR. Für Thüringen gibt es Audiowalks auf den Spuren jüdischer Geschichte in Nordhausen, Altenburg, Gera und anderen Städten. Die Klopstock-Preisträgerin Angela Steidele liest in Stolberg aus ihrem Roman "Aufklärung", in dem die älteste Tochter von Johann Sebastian Bach zu Wort kommt.

Der Philosoph Blaise Pascal (1623 bis 1662) soll gesagt haben: "Das ganze Unglück der Menschen rührt allein daher, dass sie nicht ruhig in einem Zimmer zu bleiben vermögen." Was soll man dazu sagen? Natürlich bietet es sich an, in Tagen wie diesen einfach drin zu bleiben und den Kopf unter das Sofapolster zu stecken. Aber vielleicht sollte man trotzdem rausgehen, gerade an diesem Wochenende. Es beinhaltet einen mehr als denkwürdigen Tag.

Leipzig: Fotos vom Ende der DDR

Die einen feiern am 7. Oktober 1989 in der DDR den Republikgeburtstag, andere protestieren gegen die Diktatur. Mittendrin der westdeutsche Student Martin Jehnichen. Er dokumentiert die Vorgänge mit Fotos, sie sind "aus der Hüfte geschossen", teils unscharf. Gerade deshalb verdeutlichen sie die Dramatik dieser Zeit mit Verfall und Umbruch, Angst und Hoffnung, Euphorie und Ernüchterung.

Auf dem Foto von Martin Jehnichen ist die Demonstration zum 40. Jahrestag der DDR am 7.10.1989 zu sehen – vorn eine stürzende Mutter mit Kind auf Karl-Marx-Platz (Leipzig)
Am 7. Oktober 1989 findet auf dem damaligen Karl-Marx-Platz in Leipzig die Demonstration zum 40. Jahrestag der DDR statt. Eine Mutter und ihr Kind stürzen beim Wegrennen. Bildrechte: Martin Jehnichen

Wie viele andere, die damals auf der Straße sind, wird Jehnichen verhaftet, doch wegen seines westdeutschen Passes frei gelassen und des Landes verwiesen. Nach dem Mauerfall kommt er wieder und bleibt. Jetzt sind seine Fotos aus den Jahren 1988 bis 1990 zu sehen in einer Ausstellung im Zeitgeschichtlichen Forum Leipzig. Das Motto der Ausstellung lautet "Die Widersprüche sind unsere Hoffnung". Es passt – damals wie heute. Am Samstag jährt sich der Fall der Mauer zum 35. Mal.

Weitere Informationen zur Ausstellung (zum Ausklappen)

Ausstellung "Die Widersprüche sind unsere Hoffnung - Fotografien von Martin Jehnichen 1988–1990"
Bis 26. Januar 2025

Zeitgeschichtliches Forum Leipzig
Grimmaische Straße 6
04109 Leipzig

Öffnungszeiten:
Dienstag bis Sonntag, Feiertag: 10 bis 18 Uhr

Eintritt:
frei

Nordhausen: Audiowalk zur jüdischen Geschichte in Thüringen

Am 9. November vor 86 Jahren fand in Deutschland die Pogromnacht statt, der Auftakt zum Holocaust, der systematischen Vernichtung der jüdischen Bevölkerung durch die Nationalsozialisten.

Viele Menschen putzen am Samstag Stolpersteine. Ich habe noch eine andere Art des Gedenkens gefunden: Hörspaziergänge auf den Spuren jüdischen Lebens in Thüringen. Zum Beispiel kann Nordhausen auf eine lange und bewegte jüdische Geschichte zurückschauen. Die wird in dem Audiowalk erzählt: direkt an den (teilweise verschwundenen) Orten. Als Hörer*in ist man unmittelbar dabei, man hört die Schritte, Hintergrundgeräusche oder die Atemnot der Sprechenden, wenn es mal bergauf geht.

Blick auf das ehemalige Horten-Kaufhaus in der Geraer Sorge
Das ehemalige Hermann Tietz Kaufhaus ist einer der jüdischen Orte in Gera. Bildrechte: picture-alliance/ dpa/dpaweb | Jan-Peter Kasper

Der Hörspaziergang entstand in der Zeit vom 1. Oktober 2020 bis 30. September 2021. Damals hatte die Pandemie die Welt in der Zange, aber in dem Jahr gab es eben auch ein Jubiläum: 900 Jahre jüdisches Leben in Thüringen. Die Audiowalks aus dieser Zeit, initiiert vom Kulturrat Thüringen, sind noch online und können zu Hause am Rechner gehört und natürlich auf das Handy heruntergeladen werden (kostenlos). Diese Audiowalks zur jüdischen Geschichte gibt es außerdem zu Gera, Altenburg, Erfurt, Berkach und Waltershausen.

Weitere Informationen zu den Audiowalks (zum Ausklappen)

Die Audiowalks wurden initiert vom Kulturrat Thüringen anlässlich 900 Jahre jüdisches Leben in Thüringen.

Stolberg: Lesung mit viel Aufklärung

Aufklärung kann man nie genug haben – sogar im Jahr 2024, wer hätte das gedacht. "Aufklärung" heißt auch das Buch von Angela Steidele. Darin erzählt die älteste Tochter von Johann Sebastian Bach: Dorothea. Sie schreibt sozusagen eine weibliche Sicht auf die Aufklärung, auf eine ganze Epoche. Es war nämlich alles ganz anders, zum Beispiel mit Lessing oder Goethe und vor allem mit Luise, der jungen Frau des großen Sprachforschers Johann Christoph Gottsched. Mehr wird nicht verraten.

Porträt der lächelnden Schriftstellerin Angela Steidele
Angela Steideles Roman "Aufklärung" erschien bei Suhrkamp und war 2023 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Bildrechte: picture alliance / Erwin Elsner | Erwin Elsner

Angela Steidele, die mit diesem Roman 2023 für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert war und 2023 mit dem Klopstock-Preis geehrt wurde, liest im Rathaus Stolberg. Zur Lesung lädt die Johann-Gottfried-Schnabel-Gesellschaft ein, die an diesem Wochenende in Stolberg ihre Jahrestagung abhält. Sie beschäftigt sich mit Schnabel (1692 bis zwischen 1744 und 1748), ein Schriftsteller der Aufklärung, der den Begriff "Robinsonade" prägte und mit "Insel Felsenburg" einen der populärsten Romane des 18. Jahrhunderts schrieb: Er ist unter anderem eine Gesellschaftsutopie mit Kritik am Europa seiner Zeit. Utopie, das Wort hat gerade heute einen besonderen Klang, oder? Ich würde sagen, das klingt nach einer Lesung mit guter Gesellschaft.

Weitere Informationen zur Lesung (zum Ausklappen)


Wo:
Rathaus Stolberg
Rittergasse 2, 06547 Südharz OT Stolberg

Wann:
Samstag, 9. November 2024, 19 Uhr

Der Eintritt ist frei.

Der persönliche Tipp: Fotos von Francesca Woodman

Es war dieses Jahr in Wien, als ich in einer Ausstellung in der Albertina plötzlich wie elektrisiert stehen blieb (kennen Sie das?). Der Grund waren Fotografien von der amerikanischen Künstlerin Francesca Woodman. Jetzt bin ich ein Fan.

Ich sah eine Frau in leeren Zimmern baufälliger Häuser. Sie verschmilzt mit Einrichtungsgegenständen, mit der sich von der Wand herabwellenden Tapete, geradezu geisterhaft befindet sie sich in Auflösung, ein bisschen engelhaft. Woodman stellt ihren nackten Körper in neue Zusammenhänge, dekonstruiert Identität, spielt mit Weiblichkeit, benutzt dabei z. B. Spiegel, Wäscheklammern und unterschiedliche Formen von Belichtung. Auf ihren Bildern ist immer ein Geheimnis. Vielleicht haben Sie Lust, einige zu entdecken. Es gibt verschiedene Bildbände über ihr Werk und sogar einen Film. Francesca Woodman sprang 1981 aus dem Fenster, sie wurde nur 22 Jahre alt.

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