Auszüge aus der Monatsschrift "Das leere Haus", die die Mitarbeitenden des Leipziger Senders während des Krieges über Interna auf dem Laufenden hielt.
Bildrechte: MDR-Orchesterarchiv

100 Jahre MDR-Sinfonieorchester und MDR-Rundfunkchor Zweites Kapitel: Die Zeit des Nationalsozialismus

1933–1945

Die ersten zehn Jahre in der Geschichte des Mitteldeutschen Rundfunks zeigen die rasante Entwicklung des neuen Mediums. Technisch wie programmatisch hat sich der Sender binnen kurzer Zeit spezialisiert, Reichweite – also Hörer – gewonnen, sein Profil geschärft. Die Erfolgsgeschichte erfährt durch die politischen Umbrüche des Jahres 1933 einen Rückschlag. Mit dem Verlust der journalistischen Unabhängigkeit, der regionalen Eigenverantwortlichkeit, der landesweiten Zensur von Kunst und Kultur verliert auch das mitteldeutsche Radioprogramm sein Gesicht und seine Freiheit.

Für das Sinfonieorchester und den 1934 neu aufgestellten Chor bedeutet das im Konzertleben wie im Sendealltag Umstellungen. Werke von jüdischen oder "entarteten" Komponisten verschwinden binnen kurzem aus dem Repertoire. Öffentliche Aufführungen finden unter dem Dach der NS-Kulturgemeinde statt, in den Kriegsjahren gibt es immer weniger Konzerte, hingegen aber Auftritte in Werkshallen, etwa der kriegswichtigen Betriebe.

Neue Möglichkeiten in der Aufnahmetechnik erlauben es auf der anderen Seite, in größerem zeitlichem Umfang und besserer Qualität Musik "festzuhalten", statt stets nur live zu senden. Berühmte Solisten und Dirigenten kommen in den dreißiger Jahren vermehrt zum "Reichssender Leipzig". Dabei entstehen nicht nur "Tonträger" von kompletten Sinfonien oder Konzerten, sondern auch umfassende Produktionen von Opern und Oratorien, darunter der Bachschen "Matthäus-Passion".

An solche "Sternstunden" ist mit Fortgang des 2. Weltkrieges bald nicht mehr zu denken. Die regionalen Sendeprogramme werden reduziert und schließlich eingestellt, die regionalen Ensembles – nicht nur in Leipzig – aufgelöst. Einige ihrer Mitglieder sollen in einen neuen, großen Klangkörper berufen werden: in "Reichs-Bruckner-Orchester und -Chor". Manche Musiker des einstigen Leipziger Sinfonieorchesters versuchen, Stellen in anderen Orchestern, beispielsweise am Gewandhaus zu erhalten, andere werden zum Kriegsdienst eingezogen bzw. sind es bereits. Die Situation für die Mitglieder beim Chor des Reichssenders Leipzig ist vergleichbar.

Die Räume in Leipzigs Innenstadt, aus denen ab 1924 gesendet worden ist, verwaisen. Gewandhaus und Neues Theater, aus denen dank des Radios zahlreiche Übertragungen in die Welt gegangen sind, wurden im Dezember 1943 zerstört.

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