Unterwegs in der Diaspora Katholikentag in Erfurt: Wie es ist, in Thüringen katholisch zu sein
Hauptinhalt
26. Mai 2024, 15:36 Uhr
Rund 20.000 Besucher werden erwartet, hunderte Veranstaltungen sind geplant: Vom 29. Mai bis zum 2. Juni findet in Erfurt der 103. Deutsche Katholikentag statt – in einem Bundesland, in dem der Anteil der Katholikinnen und Katholiken bei nur sieben Prozent liegt. So gehören Angebote auch an kirchenferne Menschen und ein ökumenischer Zusammenhalt seit DDR-Zeiten zu den besonderheiten im Bistum Erfurt.
Der Klang der Gloriosa – nur 12 Mal im Jahr erklingt die größte mittelalterliche, freischwingende Glocke Europas über den Dächern von Erfurt. Der zugehörige Dom und die danebenstehende Stiftskirche prägen das Stadtbild von weitem.
Katholiken in Thüringen: "Nicht selbstverständlich"
Die Katholiken sind in Thüringen jedoch in der deutlichen Minderheit, weiß der Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr – zumindest fast überall: "Es ist in Thüringen nicht selbstverständlich, Christ zu sein und nun auch mal nicht selbstverständlich, katholisch zu sein. Aber die Spezialität, die wir hier haben, ist, dass wir auch das katholische Eichsfeld haben, wo über 70 Prozent der Menschen katholisch sind."
Hochburg Eichsfeld: Tradition, Wallfahrten, Papst-Besuch
Kruzifixe am Straßenrand oder an den Hauswänden gehören in diesem Landstrich dazu. Und Fronleichnam ist im Eichsfeld Feiertag, während im restlichen Thüringen gearbeitet wird. Dazu kommen Traditionen und Wallfahrten. Zum Beispiel die Männerwallfahrt zur Kirche Klüschen Hagis, zu der jedes Jahr an Himmelfahrt tausende Männer pilgern. Auch für Frauen gibt es eine Wallfahrt – zum Kerbschen Berg in Dingelstädt. Mechthild Arand aus Heiligenstadt ist im Vorbereitungskomitee: "Die Frauenwallfahrt ist etwas Besonderes im Eichsfeld. Es kommen auch Erfurterinnen. Das ist ein Fest des Glaubens und eine Bestärkung des Glaubens miteinander, die wahrzunehmen sich lohnt."
Ein besonderer, wenn nicht einzigartiger Moment für das Bistum Erfurt: 2011 kam der deutsche Papst Benedikt höchstpersönlich. Er besuchte das Erfurter Augustinerkloster und hielt eine Messe auf dem Domplatz vor rund 28.000 Menschen. Anschließend besuchte Benedikt XVI. auch das Eichsfeld. Marcellus Klaus ist heute Propst in Heiligenstadt. Er erinnert sich, wie der Papst an der Wallfahrtskirche Etzelsbach eine Marianische Vesper feierte. Rund 90.000 Gläubige waren damals vor Ort: "Ich bin mit einer Gruppe von 200 Leuten von Leinefelde zehn Kilometer über Stock und Stein nach Etzelsbach hingepilgert, und ein Jugendlicher hat seine 80-jährige Oma im Rollstuhl hingeschoben, hat gesagt: Oma, da bring ich Dich hin, das erlebst Du nie wieder. Das war für mich der Höhepunkt des ganzen Tages."
Besonderheit im Bistum Erfurt: Angebote an Kirchenferne und ökumenischer Zusammenhalt
Doch das Bistum Erfurt kämpft mit Schwierigkeiten – so wie die katholische Kirche in Deutschland insgesamt. Es mangelt an Priestern, und allein im Jahr 2022 sind über 2.400 Menschen ausgetreten. Das beschäftigt auch den Erfurter Bischof sehr, der einen der Hauptgründe im Missbrauchsskandal sieht: "Wir gehen im Bistum Erfurt damit offen um. Aber trotzdem hat es eben manche Menschen verständlicherweise sehr erschüttert, sodass sie gesagt haben: 'Da möchte ich nicht mehr dazu gehören.'"
Eine Thüringer Besonderheit sind die Angebote, mit denen sich das Bistum an kirchenferne Menschen wendet: Zum Beispiel die "Lebenswende-Feier" am Erfurter Dom – mit der 13-, 14-Jährige den Schritt von der Kindheit ins Jugendleben vollziehen. Oder die Kolumbarien in zwei Erfurter Kirchen, in denen auch Nicht-Christen in Urnen bestattet werden können.
Auch der Zusammenhalt von evangelischer und katholischer Kirche ist in Thüringen schon seit DDR-Zeiten hoch. Beim anstehenden Katholikentag könnte man fast von einem ökumenischen Kirchentag sprechen, so Bischof Ulrich Neymeyr: "Wir hätten es gar nicht machen können, hätten nicht die evangelischen Christen gesagt: 'Wir unterstützen euch, wir machen mit.'", betont er. "Das sieht man zum Beispiel beim Abend der Begegnung. Im Endeffekt sind fünf evangelische und drei katholische Kirchen in der Innenstadt dabei und das zeigt die großartige Unterstützung."
Neymeyr selbst bezeichnet sich als Fan von Katholikentagen – er hat seit 1978 jeden einzelnen besucht. Jetzt freut er sich besonders, das sich in Erfurt unter dem aktuellen Motto "Zukunft hat der Mensch des Friedens" die katholische Kirche in ihrer ganzen Bandbreite präsentiert.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 26. Mai 2024 | 09:15 Uhr