Hintergrund Steht das Weimarer Dreieck vor dem Neuanfang?
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09. April 2018, 15:52 Uhr
Um das deutsch-französisch-polnische Gesprächsforum Weimarer Dreieck war es in letzter Zeit ruhig geworden. Doch mit Bildung der neuen Bundesregierung scheint eine Renaissance des trilateralen Begegnungsrahmens bevorzustehen. Der neue Bundesaußenminister Heiko Maas und Bundeskanzlerin Angela Merkel betonten bei ihren Antrittsbesuchen in Warschau als Ziel, das Weimarer Dreieck wiederzubeleben. Bei den polnischen Amtskollegen rennen sie damit offene Türen ein.
Was ist das Weimarer Dreieck?
Das Weimarer Dreieck gibt es seit 1991. Es wurde von den damaligen Außenministern Hans-Dietrich Genscher (Deutschland), Krzystof Skubiszewski (Polen) und Roland Dumas (Frankreich) ins Leben gerufen, um eine Öffnung der Europäischen Union nach Osten voranzutreiben.
Ursprünglich sollte das Forum der Annäherung Polens an die EU und die NATO dienen. Es sollte regelmäßige Treffen von Ministern, Staats- und Regierungschefs sowie Parlamentariern beider Länder geben. Tagungsort war nicht immer Weimar, sondern die Treffen fanden auch in Frankreich und Polen statt. Die Idee war, dass gute Beziehungen zwischen den drei Ländern zu einem Motor für die EU werden – ähnlich wie das deutsch-französische Verhältnis die Entwicklung eines geeinten (West-)Europas nach dem Zweiten Weltkrieg ermöglichte. Das ursprüngliche Ziel wurde erfüllt: Polen wurde 1999 ins Verteidigungsbündnis aufgenommen, 2004 wurde das Land Mitglied der EU.
In den vergangenen Jahren gewannen dann andere Themen für das trilaterale Forum an Bedeutung: die Ukraine-Krise, die Flüchtlingsfrage oder die Beziehungen zu Russland. So reisten die Außenminister des Weimarer Dreiecks im Februar 2014 gemeinsam nach Kiew, um in der Ukraine-Krise zu vermitteln. 2016 folgte noch ein Treffen der Außenminister zum 25. Gründungsjubiläum. Seitdem war es um das Forum still geworden.
Was versprechen sich Deutschland und Polen von einer Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks?
Im neuen Koalitionsvertrag von SPD und Union heißt es:
Wir werden die Zusammenarbeit mit Frankreich und Polen im Weimarer Dreieck intensivieren.
Sowohl der neue deutsche Außenminister Heiko Maas als auch die wiedergewählte Bundeskanzlerin Angela Merkel betonten bei ihren Antrittsbesuchen Ende März, dass Polen ein enger Partner Deutschlands bleiben solle. Dafür sollen die Gespräche im Rahmen des Weimarer Dreiecks wieder aufgenommen werden. Auch der polnische Außneminister Jacek Czaputowicz sagte, dass seine Regierung ebenfalls an einer Wiederauflage des Forums interessiert sei.
Vor dem Hintergrund des Ausscheidens von Großbritannien muss sich die EU neu orientieren. Maas sieht eine Wiederbelebung des Weimarer Dreiecks auch als Zeichen an die östlichen Länder in Europa, dass die Zukunft der Europäischen Union nicht nur zwischen Deutschland und Frankreich diskutiert wird. Polen hat mehrere schwerwiegende Gründe, sich der EU trotz des antieuropäischen Kurses der PiS-Regierung seit 2015 wieder zu nähern
Zum einen verliert Polen durch den Brexit den wichtigsten Verbündeten gegen eine Ausweitung der Euro-Zone. Zum anderen schürt die neue Nähe zwischen Deutschland und Frankreich in Polen Ängste, abgehängt zu werden.
Zugleich sind Polens traditionell große Sorgen über die russische Außenpolitik gewachsen. Doch auch US-Präsident Trump gilt nicht mehr als zu 100 Prozent verlässlicher Partner in Fragen der Sicherheit und Verteidigung. Das erleichtert Warschau die Zusammenarbeit auf diesem Gebiet mit der EU.
Neuer Druck auf Polen entsteht derzeit außerdem durch die beginnende Debatte für den sieben Jahre umfassenden EU-Haushalt ab 2021. Polen ist der größte Netto-Bezieher von EU-Geldern. Dem Land drohen wegen seiner umstrittenen Justizreform und der Weigerung, Flüchtlinge nach der EU-Quote aufzunehmen, erhebliche finanzielle Einbußen und auch weniger Mitspracherecht in der EU. Diese Sanktionen kann die EU verhängen, wenn demokratische und rechtsstaatliche Werte und Prinzipien oder die Solidarität in der Staatengemeinschaft verletzt werden. Das Verfahren ist langwierig, wurde gegen Polen aber erstmals eingeleitet.
Vereine flankieren Weimarer Dreieck
Das Weimarer Dreieck als außenpolitisches Gesprächsforum wird gestützt und unterstützt von mehreren Vereinen in den drei Ländern. Das Komitee zur Förderung der Deutsch-Französisch-Polnischen Zusammenarbeit e.V. in Berlin versteht sich als wissenschaftlicher Begleiter des Forums und hat sich als Ziel gesetzt, die Zusammenarbeit zwischen Deutschland, Frankreich und Polen auf zivilgesellschaftlichen Gebieten wie der Innovationspolitik, der Energieforschung, der Hochschulpolitik oder bei Städtepartnerschaften zu fördern. Dafür arbeitet der Verein mit Sitz in Berlin mit der "Association France-Pologne pour l'Europe" in Frankreich und dem "Klub Weimarski" in Warschau zusammen.
Mit vielen Einzelprojekten nah an den Menschen möchte der Weimarer Dreieck e.V. die Ideen des Weimarer Dreiecks - relativ unabhängig von den politischen Treffen - mit Leben füllen. Die Verständigung und Freundschaft zwischen Polen, Frankreich und Deutschland sollen über Sprachkurse, Studienreisen, Veranstaltungen zu Musik und Literatur, wirtschaftliche Kontakte oder auch Sportveranstaltungen vorangetrieben werden. Viele Veranstaltungen wenden sich direkt an Kinder und Jugendliche. Der Verein fördert entsprechende Projekte zum Beispiel auch, indem er jährlich den Weimarer-Dreiecks-Preis verleiht.
(pkl/me/dpa/Reuters)
Über dieses Thema berichtete MDR AKTUELL auch im: TV | 28.08.2016 | 19:30 Uhr