Alteigentümer ohne Rechte
Die Rentnerin Ileana Poenaru sitzt vor einem mehrseitigen Architektenplan ihres Vaters, auf dem er seinen Fünf-Etagen-Wohnblock in Bukarest detailreich skizzierte. Poenaru sollte das Haus einmal erben, doch beschlagnahmten es die Kommunisten gleich nach der Fertigstellung in den späten 1940er-Jahren. Jetzt - mehr als sieben Jahrzehnte später - streicht die Rentnerin über den vergilbten Bauplan ihres Vaters und sagt: "Ich bin stolz, für dieses Haus gekämpft zu haben."
Privatisierung von Immobilien nach 1990
Ein einzelner Satz, der eine nervenaufreibende Justizarbeit beschreiben soll, in der sich Poenaru durch alle rumänischen Instanzen klagte, ehe sie einen Teil ihres Familienerbes zurückbekam. Schuld an der Rechtsstreitigkeit war eine umstrittene Gesetzgebung, die die wechselnden rumänischen Regierungen verantworten. In den 1990er-Jahren privatisierte die postkommunistische Regierung zunächst massenhaft die konfiszierten Wohnungen und Grundstücke - eine Regelung für die Neueigentümer, die die Nachwende-Politiker als Wohltätigkeitsgeste vermarkteten. In Wirklichkeit profitierten sie schön selbst davon: Ihre luxuriösen Appartements aus der Ceausescu-Zeit, die sie vor dem Umsturz für ihre Parteitreue erhalten hatten, konnten sie zum Spottpreis kaufen. Heute lässt sich mit solchen Eigentumswohnungen ein Vermögen auf dem Immobilienmarkt erzielen.
Poenaru ging nach der Wende zunächst leer aus. Die Alteigentümer waren ohne Lobby, ohne Rechte. Erst auf Druck der EU, in die Rumänien damals eintreten wollte, korrigierte die Regierung ihren Kurs. Realistisch wäre gewesen, den früheren Eigentümern eine symbolische Summe anzubieten - als moralische Wiedergutmachung für die kommunistische Enteignung. Stattdessen wurde es utopisch: Unvermittelt stellte sich die rumänische Regierung auf einmal auf Seiten der Alteigentümer. Sie versprach ihnen die vollständige Rückgabe oder eine hohe Entschädigung, möglichst zum Marktwert. "Man wollte mit aller Macht beweisen, dass man ein lobenswerter demokratischer Rechtsstaat ist", sagt die Bukarester Politologin Suzana Dobre von der Nichtregierungsorganisation "Expert Forum", "doch in Wirklichkeit war die Neuregelung ein doppelzüngiger Diskurs." Experten berechneten damals eine Milliarden-Euro-Summe, die der Staat für die Entschädigungen hätten zahlen müssen. Eine wirklichkeitsfremde Summe für ein Land wie Rumänien.
Verworrene Besitzverhältnisse
Hinzu kam: Mit der neuen Entscheidung waren die Besitzverhältnisse verworrener denn je. Alte und neue Besitzer stritten nunmehr erbittert darum, wer mehr Anrecht auf ein- und dasselbe Eigentum hatte. "Wer glaubte, man müsse nur einen Rückgabe-Antrag beim Bürgermeisteramt stellen, um sein Erbe zurückzuerhalten, der wurde schrecklich enttäuscht", erinnert sich Poenaru. Sie fühlte sich als Alteigentümerin bestärkt, doch die Neueigentümer sahen das ganz anders: "Sie behandelten mich, als ob ich ihnen ihr Eigentum stehlen wolle, dabei war es doch ursprünglich meiner Familie entwendet worden". Fast 70 Prozesse führte sie um den Fünf-Etagen-Wohnblock ihres Vaters, bis er ihr überschrieben wurde. Sie hätte selbst in eine der Wohnungen einziehen können, doch meidet sie selbst Spaziergänge zum Haus, das in einer der besten Wohngegenden von Bukarest liegt - zentral und grün zugleich. Wegen der "vielen erlittenen Demütigungen" will Poenaru den Wohnblock nicht einmal mehr sehen: "Er würde mir das Herz zuschnüren."