Europas letzte Lastenträger Ohne Sherpas läuft in der Hohen Tatra nichts
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22. Juni 2018, 11:24 Uhr
Tonnenweise schleppen sie in jeder Saison Lebensmittel, Getränke und Material hinauf zu den Berghütten in der Hohen Tatra: Die Tatra-Sherpas, wie sich die Lastenträger selbst nennen, sind die letzten ihrer Art in Europa. Ohne ihre Kraft, ihr Geschick und ihren Mut könnte kaum eine Berg- oder Skihütte in den slowakischen Miniatur-"Alpen" bewirtschaftet werden.
Eins mit dem Gebirge
Etwa 30 Träger sind in der Hohen Tatra unterwegs. Pro Tour transportieren sie Dutzende Kilogramm Gepäck auf ihren hölzernen Tragegestellen - sorgfältig gepackt und austariert, damit der Schwerpunkt der Last nicht zu hoch und nicht zu niedrig liegt. Viel Geld bekommen sie nicht, 70 Cent pro Kilogramm. Dabei sind die Touren über Hunderte Höhenmeter knochenharte Arbeit und alles andere als ungefährlich. Doch die starken Männer und Frauen lieben die Berge und genießen ihre schwere Arbeit. Sherpa Rastjo Goriscak kommt fast ins Schwärmen, wenn er über das Lastentragen erzählt:
Während ich die Sachen nach oben trage, mache ich immer kurze Pausen. Da bleibt genug Zeit, um sich umzuschauen. Das genieße ich. Auch bei schlechtem Wetter. Erst wenn sich bei Nebel ein Gipfel hinter einen anderen versteckt, sieht man die Vielfalt der Natur.
Sherpas sichern Ursprünglichkeit der Natur
Die Arbeit der Tatra-Sherpas dient nicht nur dem Wohl der Wanderer und Bergsteiger. Die Lastenträger sichern auch die Ursprünglichkeit der slowakischen Hohen Tatra. Das höchste Massiv der Karpaten wurde 1949 als erster Nationalpark der Slowakei unter besonderen Schutz gestellt. Deshalb gibt es keine Straßen und kaum Lifte oder Seilbahnen. Hubschrauber kommen nur in Notfällen zum Einsatz und wenn es Platz zum Landen gibt, was in den waldreichen Tälern oft nicht der Fall ist. Verpflegung zu den Berghütten zu fliegen, käme außerdem zu teuer.
Zweimal im Jahr eine Sherpa-Rallye
Die Tatra-Sherpas gelten mittlerweile selbst als eine Attraktion und haben eine eigene Tradition entwickelt. Jeden Frühsommer und jeden Herbst ermitteln sie ihren schnellsten Träger bei einer Sherpa-Rallye. Zu Beginn der Saison wird mit 100 Kilogramm Last den Berg hochgerannt, zum Abschluss sind es dann nur noch 80 Kilo. Die Schnellsten schaffen eine Strecke von 2,8 Kilometern in weniger als 45 Minuten. Nachwuchssorgen haben die Tatra-Sherpas übrigens nicht.
Überfülle an Gipfeln und Naturschönheiten
Das kleine Bergmassiv liegt zu zwei Dritteln in der nördlichen Slokawei und zu einem Drittel in Polen. In der Slowakei ist die Hohe Tatra die Urlaubs- und Wintersportregion schlechthin. Der Hauptkamm der gesamten Gebirges erstreckt sich zwar nur über gut 27 Kilometer, ist aber gespickt mit 24 Gipfeln, die mehr als 2.500 Meter hoch sind. Dazu kommen im Massiv Dutzende weitere Zweitausender. Der höchste Berg der Hohen Tatra und zugleich der Karpaten und der Slowakei ist die Gerlsdorfer Spitze mit 2.655 Metern. Bekannt und beliebt sind auch die Lomnitzer Spitze mit 2.632 Metern und der dreigipflige Rysy (Meeraugspitze) auf der Grenze zu Polen.
In der Hohen Tatra drängen sich auf kleiner Fläche alle alpinen Landschaften: Gipfel oberhalb der Baumgrenze, ganzjährige Schneefelder, Seen, Wasserfälle, tiefe Täler und Höhlen. Auch die Pflanzen- und Tierwelt ist alpin. Zum Teil haben sich Unterarten herausgebildet, die nur in der Hohen Tatra vorkommen. Hunderte Wanderrouten, idyllisch gelegene Berghütten und malerische Seen machen die Hohe Tatra für Wanderer und Bergsteiger zu einer lohnenden Alternative zu den Alpen. Für bergbegeisterte DDR-Bürger war die Hohe Tatra in der Regel das einzige erreichbare Hochgebirge.
Hier machte auch der Osten Urlaub
(pkl)
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: Heute im Osten - Reportage | 08.07.2017 | 18:00 Uhr