Tiefgreifende Regierungsumbildung in Polen
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11. Januar 2018, 12:11 Uhr
Am 9. Januar hat Polens Premierminister Mateusz Morawiecki die Absetzung von acht Ministern verkündet. Viele der Personalentscheidungen haben weitreichende Folgen.
Einen Monat nach seiner Amtsübernahme hat der polnische Premierminister Mateusz Morawiecki sein Kabinett umgebildet. Acht Minister wurden mit sofortiger Wirkung entlassen, verkündete Morawiecki am 9. Januar in Warschau. Ihre Nachfolger wurden direkt im Anschluss vereidigt. Morawiecki selbst trat offiziell von seinem Amt als Wirtschafts- und Finanzminister zurück. Dieses hatte er zuvor unter der Premierministerin Beata Szydło bekleidet, bis er diese Anfang Dezember 2017 ablöste.
Personalrochade der Kaczynski-Vertrauten
Der wichtigste Personalwechsel findet im Verteidigungsressort statt. Minister Antoni Macierewicz musste sein Amt niederlegen, soll laut Medienspekulation aber das einflussreichere Amt des Parlamentspräsidenten erhalten.* Der umstrittene Macierewicz gilt als enger Vertrauter des Parteivorsitzenden der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS), Jarosław Kaczyński, der als eigentlicher Initiator der Regierungsumbildung gilt.
Das Amt des scheidenden Verteidigungsministers Macierewicz übernimmt der bisherige Innenminister und Geheimdienstkoordinator Mariusz Błaszczak, der dieses Amt gleichzeitig niederlegt. Er gilt wie Macierewicz und Premier Morawiecki als loyaler Gefolgsmann des Parteivorsitzenden Kaczyński. Auch die Ressorts für Außenpolitik, Gesundheit, Infrastruktur, Digitalisierung und Landwirtschaft wurden neu besetzt.
Neue Herausforderungen, neues Personal
In seiner Erklärung sagte Premierminister Morawiecki, durch die Kabinettsumbildung könne seine Regierung die gesteckten Ziele in den kommenden zwei Jahren besser realisieren. Diese seien vor allem die wirtschaftliche Entwicklung, sowie die innere und äußere Sicherheit des Landes. Polen stehe vor neuen Herausforderungen, so der Premier.
Polen ist ein so schönes Segelschiff, das auf immer mehr unbekannten Meeren und Ozeanen segelt. Ob es den Hafen erreicht, hängt nicht nur von der Stärke der Masten ab, sondern auch von der Besatzung.
Machtkampf um Kaczyńskis Nachfolge
Die umfangreiche Regierungsumbildung in Polen hatte bereits Anfang Dezember 2017 mit dem Austausch der Premierministerin Beata Szydło durch den bisherigen Wirtschafts- und Finanzminister Mateusz Morawiecki begonnen. Offiziell wurde die Ablösung mit der mäßigen innen- und außenpolitischen Bilanz der 54-Jährigen Szydło begründet.
Jedoch berichten polnische Medien seit Monaten über einen sich zuspitzenden Machtkampf um die Nachfolge des PiS-Vorsitzenden Jarosław Kaczyński, der als eigentlicher Strippenzieher hinter dem Regierungshandeln gilt. Um den 68-Jährigen ranken sich seit Längerem Krankheitsgerüchte, weswegen sich innerhalb der Partei potentielle Nachfolger in Stellung bringen sollen.
Rochade gegen den Justizminister?
Besonders ambitioniert sei der derzeitige Justizminister Zbigniew Ziobro. Der bündelt durch eine höchst umstrittene Justizreform immer mehr Zuständigkeiten in seinem Ressort. Wegen der Änderungen hat die EU-Kommission im Dezember gegen Polen ein Rechtsstaatsverfahren nach Artikel 7 der EU-Verträge eingeleitet.
Obwohl die Reform im Sinne der Partei und ihres Vorsitzenden Jarosław Kaczyński ist, soll dieser Vorbehalte gegenüber Ziobros Ambitionen haben und als Gegengewicht Morawiecki als Premierminister installiert haben. Mit der Personalrochade innerhalb der Regierung soll der Justizminister nun weiter isoliert werden, vermuten polnische politische Kommentatoren. Ziobro ist einer der wenigen Minister, die mit der Regierungsumbildung ihr Amt behalten haben.
*UPDATE (11.01.2018): In einer früheren Version heißt es, Macierewicz solle "das einflussreichere Amt des Parlamentspräsidenten erhalten." Nach übereinstimmenden Medienberichten soll ihm die Partei aber nur den Posten des Vizepräsidenten angeboten haben, den Macierewicz abgelehnt hat. Nun soll er nach Angaben der regierungsnahen Zeitung "Gazeta Polska" Vorsitzender der "Smolensk-Untersuchungskommission" werden, die sich mit dem Absturz der polnischen Präsidentenmaschine am 10. April 2010 beschäftigt. Bei diesem war unter anderem Lech Kaczyński, der damalige Staatspräsident und Zwillingsbruder des PiS-Vorsitzenden Jarosław Kaczyński ums Leben gekommen. Letzter vertritt bis heute, ebenso wie Macierewicz, die Theorie eines gezielten Anschlags auf die Maschine.
(dpa/ahe)
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im: Radio | 20.12.2017 | 13:30 Uhr