Von der Ruine zum Kleinod
Beschreiben Sie einmal das Leben in der anfänglichen Ruine.
Die ersten Jahre waren abenteuerlich: keine Heizung, nur kaltes Wasser, rieselnder Putz und es zog durch die Fenster. Das ist mit einem normalen Haushalt in keiner Weise zu vergleichen. In meinem Wohnzimmer standen zwei Zinkwannen, die tropfendes Wasser von der Decke auffingen. Die DDR-Leimfarbe, die in mehreren Schichten und in unterschiedlichen Farben aufgetragen war, gammelte an den Wänden und wurde vom herunterlaufenden Wasser freigewaschen - ergab aber auch wunderschöne Strukturen. Das war zwar malerisch, aber unangenehm zum drin-wohnen. Zurück nach Berlin wollte ich aber nie. Inzwischen hatte ich das Gebäude sehr lieb gewonnen. Sich in solch ein Objekt zu setzen, ist eine Entscheidung mit Haut und Haaren.
Und dann waren Sie plötzlich eine Gruppe.
Ja, es sprach sich sehr schnell herum, dass auf Schloss Batzdorf wieder jemand wohnt. Und auf einmal standen Leute aus Dresden vor der Tür, die regelmäßig im Elbsandsteingebirge klettern gingen und boten an, notdürftige Reparaturen vorzunehmen, die Dächer dicht zu bekommen. Der Kampf gegen das Wasser war ein Wettlauf mit der Zeit. Sie alle haben viel Zeit und Kraft in die Erhaltung des Schlosses gesteckt. Von dieser Gruppe und aus dem eigenen Freundeskreis sind sieben Männer geblieben, und so wuchs das Projekt Schritt für Schritt. Die Idee war, mitzuhelfen und sich im Gegenzug einen Winkel des Schlosses eigenständig zurechtzumachen. Aus den sieben Männern wurden sieben Familien - momentan sind wir 21 Bewohner.
Nachdem einer der Helfer einen Boiler aufgetrieben hatte, gab es zum ersten Mal warmes Wasser - was aber nicht bedeutet, dass es eine Badewanne gab! Die Kinder fanden diese Zeit spannend, aber auch schwierig. Sie mussten mit anpacken und im Winter war es oft eiskalt.
Wie funktionierte die Materialbeschaffung in der DDR?
Notwendige Schrauben oder Nägel, Kalk, Zement und Sand hat sogar die Gemeinde bezahlt. Alles anderes gab es ja nicht. Aber wir waren kreativ und haben uns zu helfen gewusst und wenn etwas fehlte, kannte man jemanden, der es besorgen konnte. Immer wieder haben sehr viele Freiwillige ihre Zeit, Arbeitskraft und privates Geld in die Erhaltung des Schlosses gesteckt.
Not macht erfinderisch und kreativ?
Wie alles in der DDR gab es auch Engpässe beim Wellbitumen, durchschnittlich musste man zehn Jahre auf eine Lieferung warten. Wir brauchten es aber dringend, um das marode Dach des Verbindungshauses abzudichten. Es drohte einzustürzen. Einer der Bergsteiger hatte die Idee: "Du ziehst dich schick an und machst was aus dir und gehst zu dem Bereichsleiter für Baustoffe. Und lass dich nicht von der Sekretärin abwimmeln". Das habe ich auch geschafft und dem Chef meine Situation auf dem Schloss erklärt. Nach 14 Tagen brachte ein Multikar einige Paletten Wellbitumen vorbei.
Ein anderes Mail wurde mir der Gemeinde ein TGL-Ofen zugestanden, weil die alten Kachelöfen nicht mehr funktionierten. Ich dachte mir, dass so ein gelber Kasten nicht zu den schönen Räumen passt. Also zeichnete ich einen Entwurf, der eine Verkleidung mit grünen Schüsselkacheln vorsah und bin damit zur PGH "Helle Flamme" gegangen. Der Leiter dort ist aus allen Wolken gefallen, hat mir vorgeworfen, dass ich undankbar sei und auch noch Ansprüche an die Ästhetik stellen würde. Aber er hat mir tatsächlich einen Ofen mit Zweite-Wahl-Kacheln bestückt und ihn in meine Küche gesetzt. Er hat mir gestanden, dass ihn an seiner Handwerkerehre gerührt hat, dass ich mir Gedanken über Ästhetik gemacht hatte.
Wie finanzieren Sie ihr Projekt? Gab und gibt es Fördergelder oder Sponsoren?
Fördergelder in der DDR gab es nicht. Erst nach der Wende haben wir einen gemeinnützigen Verein gegründet. Mit ihm als öffentlicher Rechtsträger konnten wir Gelder beantragen. Insgesamt bekamen wir rund 300.000 DM an Fördergeldern zugesprochen. Die waren aber nur für die Komplettsanierung der Dächer und die Außenfassade. Der gesamte Innenausbau lief in Eigenleistung. Dafür, zum Beispiel um auch Wasser- und Abwasserleitungen oder Stromleitungen zu verlegen, hat der Verein einen Kredit aufgenommen.
Da hier im Schloss allein drei Restauratoren leben, wissen wir, was wir tun. Uns lag es immer am Herzen, dem Objekt so viel wie möglich seinen Charme zu lassen und so wenig wie möglich unsere neue Zeit überzustülpen. Bis auf einen Firmeninhaber aus dem Westen, der uns kurz nach der Wende einmalig 10.000 Mark spendete, haben wir keine privaten Sponsoren.