Interview mit Bettina Zimmermann "Wir wollten aus einer Ruine etwas Edles machen"
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05. Januar 2016, 09:32 Uhr
Bettina Zimmermann lebt und arbeitet als Bildende Künstlerin auf Schloss Batzdorf. Sie gehört zu den Gründungsmitgliedern des Vereins "Schloss Batzdorf e.V." und zum festen Bewohnerstamm. 1987 zog sie von Berlin in das Gebäude, das dem Verfall preisgegeben war.
Sind Sie mit einer bestimmten ideologischen Ausrichtung in der DDR aufgewachsen, was Schlösser betrifft?
In der Schule wurde mir vermittelt, dass Schlösser Erbe des Klassenfeindes sind. Später ging es im Studium der Messe- und Ausstellungsgestaltung auch um Kultur- und Baugeschichte. Für mich selbst hatten Schlösser und historische Bauten etwas Geheimnisvolles und Romantisches. Aber ich fand auch traurig, in welchem Zustand sie waren, weil diese Kulturgüter keinen Platz in der Gesellschaft hatten. Ich wollte diesen einmaligen Bauten irgendwie helfen.
Was hat Sie persönlich motiviert, auf ein Schloss zu ziehen?
Als freiberuflicher bildender Künstler braucht man sehr viel Platz zum arbeiten. Der Zustand in einer 2-Raum-Wohnung mit zwei Kindern in Berlin war katastrophal. Daher waren mein damaliger Mann und ich auf der Suche nach einem alten Objekt, das Freiraum und Inspiration bot. Auch wenn der Wunsch, ein solches Gebäude zu bewohnen absolut utopisch war als junger Mensch, Mitte 20, ohne Geld.
Und wie kamen Sie ausgerechnet zu Schloss Batzdorf?
Eigentlich waren wir in Mecklenburg auf der Suche nach einem Gutshaus. Über Zufälle kamen wir 1983 nach Schloss Batzdorf. Eine Familie lebte dort noch in der Mansardenwohnung. Bei der haben wir einfach mal geklingelt, ob wir uns die Räume im Herrenhaus ansehen dürfen. Es stand zwar alles voller Gerümpel, aber ich fand den Ort spannend und berührend zugleich.
Haben Sie das Schloss einfach in Besitz genommen?
Nein. Es dauerte bis 1987, bis wir über die Denkmalpflege eine Empfehlung bekamen. Mit der erhielten wir bei der Gemeinde die Genehmigung, das Schloss nutzen zu dürfen. Ausschlaggebend war sicher auch, dass mein damaliger Mann Restaurator war und somit ein Mann vom Fach war. Im Amt war man froh, dass überhaupt jemand ein Auge auf das Objekt hat. Die Schulferien nutzten wir dann, um uns in jeweils einem Raum vorzuarbeiten. Aus Zeiten, als das Schloss noch als Kinderferienlager diente, stand viel Gerümpel herum.
An die Gemeinde Scharfenberg, die das Schloss verwaltete, durften wir keine Forderungen stellen. Einen Mietvertrag gab es auch nicht, weil die Räume nicht den damaligen Forderungen einer vermietbaren Wohnung entsprachen. Wir waren dort mehr oder weniger geduldet.
Plötzlich reisen Berliner nach Scharfenberg und wollen im Schloss wohnen. Wie hat die Gemeinde, der das Schloss gehörte, auf Sie reagiert?
Anfangs gab es Unverständnis, weil die Gemeinde mit der Verwaltung zweier Schlösser (Scharfenberg und Batzdorf) komplett überfordert war. Es gab weder eine Nutzung der Gebäude noch eine Vision. Der Gemeinde wäre es vermutlich lieber gewesen, dass das Schloss einfach zusammenfällt. Die Vision, dem Gebäude wieder Leben einhauchen zu wollen, konnte man sich schlecht vorstellen. Und als sie gehört haben, dass "Künstler" kommen, stellten sie sich vermutlich irgendwelche Horrorgeschichten vor, dass Künstler immer nur ausflippen oder Orgien feiern oder ähnliches. Das ist natürlich Unsinn.
Wie gestaltete sich der Kontakt zum Dorf?
Ich bin in der naiven Vorstellung hergezogen, dass dort, wo die Natur schön ist, auch die Welt heil ist. Doch eine Kontaktaufnahme zu den Dorfbewohnern war schwierig. Ich hatte als Stadtkind die gewachsene Struktur einer Dorfgemeinschaft nicht erkannt. Dazu kam, dass alle Frauen im Dorf mit Gummistiefeln und Kittelschürze umherliefen. Sie sahen alle so gleich aus, dass ich nicht wusste, ob ich die Frau heute schon gegrüßt hatte, oder ob es eine andere war. Für die Bewohner des Dorfes waren wir also lange "die vom Schloss". Und ich in langen Röcken war ohnehin ein Exot.
Mittlerweile sind wir alle als Persönlichkeiten und als Verein geachtet. Keiner der Einwohner hat vermutet, dass wir die Ruine in etwas Edles verwandeln können. Der jetzige Bürgermeister weiß sehr zu schätzen, was wir als Verein für die Attraktivität seiner Gemeinde geleistet haben.