Ungarn Wahlsieg in der Provinz: Opposition schockt Orban-Partei
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27. Februar 2018, 16:40 Uhr
Nur sechs Wochen vor den ungarischen Parlamentswahlen im April musste die Partei von Ministerpräsident Viktor Orbán eine empfindliche Niederlage einstecken. Bei der Nachwahl des Bürgermeisters in der südungarischen Kleinstadt Hódmezővásárhely gewann der Kandidat der Opposition vor seinem Konkurrenten von der Regierungspartei Fidesz.
Es ist wohl das erste Mal, dass die südungarische Kleinstadt Hódmezővásárhely mit ihren rund 46.000 Einwohnern international Schlagzeilen machte. Doch am 25. Februar 2018 war es so weit: Bei der Nachwahl des Bürgermeisters gewann der Kandidat der Opposition, der parteilose Péter Márki-Zay, deutlich mit 16 Prozentpunkten Vorsprung vor seinem Konkurrenten Zoltán Hegedüs, der von der Regierungspartei Fidesz ins Rennen geschickt wurde.
Dieser Wahlabend zeigte, dass die vermeintlich unbesiegbare Regierungspartei, die Ungarn mit komfortabler Mehrheit regiert, zu schlagen ist – auch in einer ihrer vormaligen Hochburgen. Der Wahlsieger wurde lagerübergreifend von allen Oppositionsparteien unterstützt: Von Liberalen, Sozialisten, Grünen und - der rechtsextremen Partei Jobbik.
"Fidesz hat sich eine Ohrfeige eingefangen"
Die ungarischen Medien sehen in dem Sieg der Opposition einen Wendepunkt im Wahlkampf für die Parlamentswahl am 8. April. "In Hódmezővásárhely wurde die Gleichgültigkeit besiegt", titelte die konservative, aber Orbán-kritische Tageszeitung Magar Nemzet. "Fidesz hat sich eine Ohrfeige eingefangen", lautete die Schlagzeile der linken Tageszeitung Népszava; das oppositionelle Online-Portal 444.hu schrieb: "Fidesz ist besiegbar!"
"Der heutige Tag könnte die Geschichte Ungarns verändern"
Dementsprechend euphorisch wurde der Wahlausgang im Oppositionslager kommentiert: Gergely Karácsony, der gemeinsame Spitzenkandidat von MSZP und Párbeszéd bei den Parlamentswahlen, sagte: "Wenn es in Hódmezővásárhely möglich war, den Fidesz-Kandidaten zu schlagen, dann ist das auch in jedem anderen Ort des Landes möglich."
MSZP-Chef László Botka sparte in einer Videobotschaft nicht mit Pathos: "Der heutige Tag könnte die Geschichte Ungarns verändern. Wir haben gezeigt, wie stark wir gemeinsam sind. Wir haben gezeigt, dass wir gemeinsam die kleinen Potentaten der Fidesz abwählen können, dass wir uns unser Land zurückholen können."
Meinungsforscher irrten sich
Der ehemalige MSZP-Ministerpräsident Ferenc Gyurcsány, der inzwischen seine eigene Partei gegründet hat, gratulierte dem Wahlsieger auf Facebook und schrieb: "Der Sieg von Márky-Zay zeigt, dass die Demokraten im Kampf gegen Orbán mehr Dinge einen als trennen. So kann man auch im April gewinnen."
Auch Gábor Vona, der Chef der rechtsextremen Jobbik, freute sich über den Sieg des gemeinsamen Kandidaten und stellte fest, dass die Meinungsforscher daneben gelegen hätten, die geglaubt hatten, die Fidesz-Partei sei nicht zu schlagen: "Es zeigt sich, dass eine hohe Wahlbeteiligung die Möglichkeit für einen Regierungswechsel bietet."
Umstrittener Schulterschluss
Doch der Schulterschluss mit den rechtsextremen Jobbik ist auch innerhalb der Opposition sehr umstritten. Dennoch gibt es Verhandlungen zwischen den Oppositionsparteien, in den Wahlkreisen zu Gunsten des aussichtsreichsten Kandidaten bei der Parlamentswahl auf eigene Kandidaten zu verzichten und nur einen Gegenkandidaten zu Fidesz aufzustellen – auch wenn der von Jobbik stammen sollte.
"Wir sind die Mehrheit"
Hódmezővásárhely war lange Zeit eine Hochburg der Fidesz: Seit den 1990er-Jahren wurde die Stadt durchgehend von Bürgermeistern der Fidesz und der KDNP regiert, zwischen 2002 und 2012 von Jánós Lázár, dem mächtigen Kanzleramtsminister und Orbán-Vertrauten, der auch als dessen Nachfolger gehandelt wird. Im Stadtrat stellt Fidesz 10 der 14 Abgeordneten.
Der designierte Bürgermeister Peter Márki-Zay, der bis vor kurzem noch gar nichts mit Politik am Hut hatte, dankte allen Wählern. "In Hódmezővásárhely hat heute das Herz des Landes geschlagen", sagte er vor Unterstützern am Wahlabend. Die Menschen hätten gezeigt, "dass es in dieser Stadt und in diesem Land ein Bedürfnis nach Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit gibt.Wir glauben an diese Werte, wir stehen zur Verteidigung dieser Werte zusammen. Wir sind die Mehrheit."
Der regierenden Fidesz warf er vor, korrupt zu sein und sich an der Macht zu halten, indem sie die Angst schüre, dass das Land ins Chaos stürze und von Migranten überrannt würde, wen sie nicht mehr an der Macht sei. "Hódmezővásárhely hat gezeigt, dass es ein riesiges Bedürfnis danach gibt, die Korruption, die Lüge und die Angstmacherei in diesem Land zu beenden." Er betonte aber gleichzeitig, dass auch er keine Migranten im Land haben wolle, auch die wenigen nicht, die die Regierung bereits ins Land gelassen hat.
Korruption stört die Ungarn zunehmend
Tatsächlich ist es offenbar vor allem die Korruption von Mitgliedern der Regierungspartei, die den Ungarn sauer aufstößt. "Ich glaube, es ist auch anderswo im Land so, dass die Menschen Fidesz mögen, Diebstahl aber nicht", sagte eine Einwohnerin von Hódmezővásárhely dem Internetportal 444.hu, "aber inzwischen sind wir vielleicht so weit, dass es den Menschen wichtiger ist, dass ein Politiker nicht klaut, als dass er Fidesz-Mitglied ist."
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im: Radio | 25.02.2018 | 04:05 Uhr