Eurasische Wirtschaftsunion
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Von Viktor Timtschenko
09. September 2016, 12:24 Uhr
Auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion entsteht ein Gegenstück zur EU - die Eurasische Wirtschaftsunion. Russlands Präsident Putin spricht von "einem historischen Meilenstein für alle Staaten im post-sowjetischen Raum".
Die gemeinsame Währung in der Eurozone heißt nicht D-Mark, nicht Franc, nicht Pfund, sondern Euro. Und wie heißt die gemeinsame Währung der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU)? Nicht Rubel, nicht Tenge, sondern…? Dem Präsidenten der Republik Belarus, Alexander Lukaschenko, schwebt auch etwas "wie Euro" vor, das heißt etwas anderes als die Währungen in Russland, Belarus, Kasachstan und Armenien, die erst Anfang 2015 ein neues wirtschaftliches Gebilde auf dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion ins Leben gerufen haben.
Wie in der EU
Die Integration dieser Länder verfolgt ähnliche Ziele wie die Vorgängerin der EU – die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (Belgien, die Niederlande, Luxemburg, die Bundesrepublik, Italien und Frankreich), die ihrerseits aus der Montanunion entstanden war. Wie 1957 geht es heute bei der EAWU in erster Linie um den Abbau der Handelsschranken und die Schaffung eines gemeinsamen Marktes.
Der Bildung der EAWU ging ein langer Prozess der Annährung der Länder voraus. Erst hieß das Konstrukt GUS (1991), Gemeinschaft unabhängiger Staaten, die eher als Reaktion auf das Vakuum anstelle der implodierten Sowjetunion entstand. 1996 wurde eine Vertiefung der wirtschaftlichen Integration zwischen mehreren Ländern der ehemaligen Sowjetunion vereinbart. Fünf Jahre später bildeten Belaruß, Kasachstan, Kirgisien, Russland und Tadschikistan die Eurasische Wirtschaftsgemeinschaft (EAWG). Einige Jahre darauf wurde die Zusammenarbeit im Rahmen einer Zollunion vertieft. Ziele alle dieser Bemühungen waren die freie Bewegung von Menschen, Waren und Dienstleistungen sowie des Kapitals auf einem gemeinsamen Markt, Schaffung von gemeinsamen Zolltarifen, gleichen Bedingungen für das Unternehmertum, eines besseren Investitionsklimas, einheitlichen Transportsystems, einer harmonischen Energie-, Industrie- und Agrarpolitik.
Als Ideengeber für die Gründung der EAWU gilt der Präsident Kasachstans, Nursultan Nasarbajew. Es gehe um einen gemeinsamen Wirtschaftsraum für alle Mitglieder der Wirtschaftsunion, meinte der russische Präsident Wladimir Putin. Er nannte ihn "einen historischen Meilenstein" nicht nur für die Gründer der Wirtschaftsunion, sondern "für alle Staaten im post-sowjetischen Raum".
Seiner Meinung nach, werde die EAWU zu einem der Pole der modernen Welt und spiele dabei die Rolle eines Bindeglieds zwischen Europa und der dynamischen Asiatisch-Pazifischen Region. Sie basiere auf "universellen Prinzipien der Integration als integralen Bestandteil des größeren Europa, vereint durch gemeinsame Werte der Freiheit, der Demokratie und der Marktgesetze".
Heute vereint der EAWU-Binnenmarkt 170 Millionen Menschen. Viele Länder planen, mit der Eurasischen Wirtschaftsunion Freihandel aufzunehmen, erklärte der Sprecher des Unterhauses des russischen Parlaments, Sergei Naryschkin, Ende Dezember 2014 in Kasachstans Hautpstadt Astana auf einer internationalen Konferenz. "Fünf Länder … haben diese (Beitritts-)Wahl bereits getroffen und weitere 40 Länder in der ganzen Welt haben offiziell den Wunsch zum Ausdruck gebracht, unserer Union beizutreten", sagte Naryschkin.
Die Bildung der EAWU wird in der EU als Chance für einen neuen Dialog – auch unter harten Sanktionsbedingungen - gesehen. "Die Kontakte mit der Wirtschaftsunion kann man durchaus als Baustein für ein Langfristziel eines kontinentalen Wirtschaftsraumes von Lissabon bis Wladiwostok ansehen", bemerkte etwa der Russlandbeauftragte der deutschen Regierung Gernot Erler. Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Bundeskanzlerin Angela Merkel hatten angedeutet, im schwierigen Verhältnis mit Russland einen weniger kritischen Dialog entwickeln zu können. "Wir haben ja nichts dagegen, sowohl mit Russland als auch mit Kasachstan und Weißrussland durchaus darauf hinzuarbeiten, dass wir einen großen gemeinsamen Wirtschaftsraum haben", hatte etwa die Kanzlerin auf dem EU-Gipfel Mitte Dezember 2014 betont. Aber nicht um jeden Preis: Es müssten dabei erhebliche Fortschritte bei der Deeskalation in der Ostukraine geben.