Flüchtlinge Die neue Balkanroute
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30. August 2017, 13:33 Uhr
Im Frühjahr 2016 verkündeten führende Politiker westeuropäischer Staaten, dass die Balkanroute, über die im Sommer 2015 Hunderttausende Schutzsuchender nach Europa kamen, geschlossen ist. Heute gibt es zunehmende Zweifel daran. Immer mehr Berichte deuten darauf hin, dass Schlepper und Flüchtlinge zunehmend auf andere Wege ausweichen, vor allem über die rumänische Schwarzmeerküste.
2015 war die so genannte Balkanroute der wichtigste Weg für Flüchtlinge nach Westeuropa. Mit dem Türkei-Deal und seit der Schließung der Route über Griechenland, Mazedonien, Serbien und Ungarn im Frühjahr 2016 sind die Flüchtlingszahlen stark zurückgegangen. Doch ganz unterbrochen ist der Zustrom über Osteuropa nicht. Immer noch finden Schlepper Mittel und Wege, Flüchtlinge nach Westeuropa zu schleusen – und das, obwohl sich immer mehr Länder mit meterhohen Grenzzäunen abschotten.
Bulgarischer Grenzzaun
Bulgarien etwa lässt seit Frühjahr 2017 den Grenzzaun zur Türkei ausbauen – ein besonderes Anliegen der neuen erzkonservativen Regierung des Landes. Die Folge: Die Zahl der illegalen Einreisen sank im ersten Halbjahr 2017 auf ein Rekordtief. Nur noch 1.461 Menschen ohne gültige Papiere wurden in diesem Zeitraum aufgegriffen – 80 Prozent weniger als im gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor. Mittlerweile ist es auch so gut wie unmöglich, von Serbien aus nach Ungarn oder Kroatien zu kommen. Die Kontrollen dort werden immer engmaschiger und Flüchtlinge berichten vom brutalen Durchgreifen ungarischer und kroatischer Grenzer und sofortiger Rückführung nach Serbien.
Nach Rumänien ausgewichen
Auch für gut organisierte Schlepperbanden wird das zunehmend zum Problem. Und so versuchen sie, all diese Hürden zu umgehen und weichen von Griechenland und Bulgarien als Ausgangspunkt ihres Menschenschmuggels zunehmend auf Rumänien aus. Dafür gibt es zahlreiche Indizien, etwa die die steigende Zahl gestoppter illegaler Flüchtlingstransporte in Rumänien. Ende August 2017 wurden an der dortigen Schwarzmeerküste im Abstand von acht Tagen zwei Boote mit jeweils knapp 70 Flüchtlingen aus dem Irak und Syrien aufgegriffen. Offenbar kamen diese übers Meer aus der Türkei, wo aktuell mehr als zwei Millionen Geflüchtete aus dem Nahen und Mittleren Osten festsitzen.
Zwischenfälle im Landesinneren
Und auch im Landesinneren kommt es immer wieder zu Zwischenfällen. So wurden im Westen Rumäniens, in der Nähe der ungarischen Grenze, zwei Lastwagen mit jeweils 42 und 24 Flüchtlingen angehalten, die über Ungarn weiter nach West- und Nordeuropa gelangen wollten. Für Aufsehen sorgte auch ein Zwischenfall an der serbisch-rumänischen Grenze am 28. August 2017. Zwei Schlepperfahrzeuge mit insgesamt zwölf Flüchtlingen hatten dort versucht, eine Polizeisperre zu durchbrechen. Die rumänischen Beamten stoppten das Fahrzeug durch gezielte Schüsse in die Reifen.
Balkanroute könnte sich nach Norden verschieben
Noch sind die Zahlen illegaler Grenzübertritte gering, insbesondere im gesamteuropäischen Vergleich. Allerdings hat sich die Zahl illegaler Einreisen nach Rumänien nahezu verfünffacht. Nach Angaben der rumänischen Grenzpolizei wurden im ersten Halbjahr 2017 insgesamt 2.474 Menschen aufgegriffen, die das Land illegal betreten hätten. Im gleichen Zeitraum 2016 waren es lediglich 505. Und so fürchten rumänische Behörden, dass sich die Balkanroute weiter nach Norden verschieben und die Zahl der Flüchtlinge aus dem Irak und Syrien deutlich zunehmen könnte. Dieses Mal würden sie jedoch vor allem über das Schwarze Meer ins Land kommen, nachdem in der Ägäis und im Mittelmeer zwischen Italien und Libyen die Kontrollen immer engmaschiger werden.
Über dieses Thema berichtet MDR im TV auch in "Aktuell" 26.01.2017 | 19:30 Uhr