Wirtschaftsförderung: Das Ende der Leuchttürme?
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24. November 2017, 17:36 Uhr
Siemens will in Sachsen 1.200 Stellen streichen. 1990 war der Konzern einer der ersten westdeutschen, die nach Mitteldeutschland kamen. Auch wegen einer Wirtschaftspolitik, die so in Zukunft nicht mehr funktioniert.
1990 ging dem neuen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf und seinem Finanzminister Georg Milbradt ein Licht auf. "Leuchttürme" braucht der Freistaat, so ihre Vision. Darunter verstanden sie besonders starke Wirtschaftsstandorte, die nationale und internationale Großunternehmen anziehen und so die brachliegende Nach-DDR-Wirtschaft wieder aufrichten sollten.
Leuchttürme gegen Transformationsschock
Die Lage war in der Tat dramatisch, konstatiert Mirko Titze vom Leibnitz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle (IWH): "Da gab es einen regelrechten Transformationsschock, gefolgt von einem dramatischen Prozess der Deindustrialisierung und hoher Arbeitslosigkeit." Und so warf Sachsen milliardenschwere Subventionsköder aus und so siedelten sich in den folgenden 15 Jahren einige westdeutsche Konzerne im Freistaat an: darunter BMW, Volkswagen und eben Siemens.
Elf neue Standorte baute das Unternehmen bereits 1990 in den fünf neuen Bundesländern auf. Darunter war Dresden, wo sich 1999 auch die Siemens-Tochter Infineon ansiedelte, ein Hersteller für Computerchips. Dresden hatte aus DDR-Zeiten eine Mikroelektronik-Tradition und so wuchs den Standort schnell und dutzende weitere Unternehmen kamen hinzu. Ein amerikanischer Journalist taufte die Region in einem Text "Silicon Saxony".
Leuchttürme als Wirtschaftsmotor
Laut einer 2016 veröffentlichten Berichts der Bundesregierung wuchs die sächsische Wirtschaft zwischen 1991 und 2014 um 80 Prozent. Seitdem hat sich die Arbeitslosigkeit mehr als halbiert. Im September erreichte sie mit 6,2 den niedrigsten Stand seit der Wiedervereinigung. In Thüringen sieht es ähnlich aus. "Die Arbeitslosigkeit liegt nur noch knapp über dem Bundeschnitt", so Wirtschaftsforscher Titze.
Doch er ist skeptisch, ob die Entwicklung alleine an den Großkonzernen festzumachen ist: "Wir können ja nicht vergleichen, wie es ohne die gelaufen wäre." Außerdem hätten die Unternehmen die strukturellen Standortnachteile nicht behoben. "Die Region ist immer noch nicht stark genug in den Welthandel eingebunden. Die Unternehmen verlagerten auch ihre Tochtergesellschaften für die Produktion hierher, die Unternehmenszentralen blieben woanders. Auch der Bereich Forschung und Entwicklung hinkt im Vergleich zu Westdeutschland hinterher", so Titze.
Neue Herausforderungen, neue Lösungen
Und es kämen neue Herausforderungen hinzu, etwa der Standortwettbewerb innerhalb der EU. Mitteldeutschlands Konkurrenz sitzt mittlerweile noch weiter im Osten und wirbt mit sehr bekannten Vorteilen: Subventionen und niedrigen Gehältern. Doch die EU interveniert bereits. Durch ihre neuen Förderbedingungen, die seit 2014 gelten, sei eine Leuchtturm-Politik wie in den 1990er Jahren kaum noch möglich. "Heute sind das eher homöopathische Dosen geworden", so der Wirtschaftsforscher Titze. Einen Wirtschaftseinbruch haben die Veränderungen nicht bewirkt.
Die Herausforderungen der künftigen Wirtschaftsförderung hierzulande seien andere. Etwa die zunehmende Bevölkerungswanderung in die florierenden Städte, zu Lasten des ländlichen Raums. So forderte der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft (BVMW) im Märze eine Stärkung der Wirtschaft im ländlichen Raum und eine Abkehr von der sächsischen Leuchtturmpolitik. Doch da bleibt Mirko Titze vom IWH skeptisch : " So lange die Städte aufnahmefähig sind, gibt es rein ökonomisch keine Gründe für eine Stärkung des ländlichen Raums".
Dafür sieht er Lösungen für die strukturellen Probleme, dich auch die Großunternehmen nicht behoben haben: "Wenn die Großen ihre Hauptquartiere und Entwicklungsabteilungen nicht hierher verlegen, dann liegt es doch nahe, dass es aus dem Bestand kommt." So gäbe es Platz für mittelgroße Regionalunternehmen, aus denen Innovationen entstehen können. Die hätten ihre Hauptquartiere bereits hier und seien gut vernetzt. Die Zukunft gehört also vielleicht den Lichterketten, statt den Leuchttürmen.
Über dieses Thema berichtete MDR Sachsen auch im: Radio | 13.03.2017 | 20:33 Uhr