Sozialistische Denkmäler Sozialistische Denkmäler: Wie geht man mit DDR-Erbe um?
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03. Juli 2020, 05:00 Uhr
In Gelsenkirchen wurde gerade ein Lenindenkmal aufgestellt. Ein Politikum. Denn Lenin auf dem Sockel kannte man nur aus der DDR. Und dort wurden Lenin und Co. mit dem Ende der DDR reihenweise vom Podest gehoben. Was ist der richtige Umgang mit Denkmälern, mit den Heroen der Geschichte? Soll man sie stehen lassen zur Erinnerung, als Anlass zu Diskussionen oder doch spurlos verschwinden lassen?
Gelsenkirchen: Erstes Lenin-Denkmal in Westdeutschland
Die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands stellt in Gelsenkirchen ein Denkmal von Lenin aus dem Jahr 1957 vor ihrer Parteizentrale auf. Und dass, obwohl die Stadt Gelsenkirchen bis vor das Oberverwaltungsgericht gegangen ist um das zu verhindert: Lenin stehe für Gewalt, Unterdrückung, Terror und habe in einer demokratischen Gesellschaft nichts verloren. Für die MLPD hat Lenin "die erstmalige Befreiung der Arbeiter, Bauern und der Frauen von kapitalistischer Ausbeutung" vollbracht, wie sie auf ihrer Homepage mitteilt. Es ist das erste Lenin-Denkmal in Westdeutschland.
Dabei werden derzeit überall im Zuge des Aufbegehrens gegen Rassismus und Unterdrückung Denkmäler gestürzt: Beginnend in den USA nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd, wo die Menschen überlebensgroße Statuen von Generälen der Südstaaten nicht mehr ertragen wollen. In Bristol in Großbritannien wurde ein Sklavenhändler von Demonstranten ins Hafenbecken geworfen. Auf dem Reiterdenkmal von Leopold II in Belgines Hauptstadt Brüssel prangt jetzt ein "Pardon": Belgien war Kolonialmacht.
Und nun findet in Deutschland ein anderer Trend statt, geleitet von der Frage, wie überhaupt mit Helden der Geschichte, die möglicherweise nicht mehr als Helden anzusehen sind, umzugehen ist. Stehen lassen zur Erinnerung, als Anlass zu Diskussionen oder doch zur Verehrung? Spurlos verschwinden lassen? Ersetzen oder umwidmen?
Die Lenindenkmäler der DDR
Das größte Lenindenkmal der DDR wurde 1970 in Berlin-Friedrichshain vor 200.000 Menschen enthüllt. Es war Zentrum eines neu gebauten Wohnviertels am Leninplatz. Ein Transparent während der Einweihung erklärte: "Unser Herz und unsere Tat gehören unserem sozialistischen Friedensstaat, der unverbrüchlichen deutsch-sowjetischen Freundschaft." Die Monumentalplastik zeigt eine Inszenierung des politischen Selbstverständnisses der SED und das gesamte Neubaugebiet den Willen zu einer neuen Gesellschaftsordnung.
Lenin steht auch für den Sozialismus, den es unter russischem Diktat in den Ostblockländern gab. Dementsprechend wurde er nach Ende des Sozialismus in vielen Ländern demontiert. In Russland selbst allerdings nicht. In der DDR gab es mehr als 50 Lenindenkmäler im öffentlichen Raum. Mit ihrem Ende war Lenin nicht mehr in Stein gemeißelt. Er wurde abgebaut, zerlegt, eingegraben, wieder ausgegraben, durch eine Brunnenanlage ersetzt, einen Kreisverkehr oder eine Edelstahlstele. Er wurde versetzt, beschmiert, eingelagert, gestohlen, ins Ausland verkauft und manchmal auch Verwitterungen und Pflanzenwildwuchs überlassen.
Lenin-Denkmäler als aufgezwungene Symbole der Sowjetmacht wahrgenommen
Einige Statuen aber befinden sich noch gut erhalten an Ort und Stelle und sind in den Zustand eines, wie man sagen könnte "aktiven Erinnerns" übergegangen. Um die Denkmäler in Schwerin und in Riesa hatten sich Debatten entfacht: Will man den noch? Gehört er möglicherweise zur kollektiven Identität des Ostens? Am Ende erklärten beide Städte die Skulpturen zum Teil der Stadtgeschichte und ergänzten sie um Erklärtafeln. Am ehemaligen Militärflugplatz Nohra in Thüringen wurde das Denkmal sogar saniert und vor schrill pinke Betonwände gestellt. Die vier Meter hohe Leninstatue vor dem einstigen "Haus der Offiziere" in Wünsdorf steht nun unter Denkmalschutz. Das ganze Areal, eine ehemalige Militärstadt, ist heute Eldorado für Biker, Fotografen und Lost-Places-Liebhaber.
Im Gegensatz zu Wladimir Iljitsch Lenin ist Ernst Thälmann fast überall erhalten geblieben. So gibt es "Thälmann"-Straßen bis heute - aber einen "Lenin"-Platz oder eine "Lenin"-Allee nicht mehr. "Für den Erhalt vieler Thälmann-Denkmäler war ausschlaggebend, dass sich hier häufig eine Verbindung zu konkreten historischen Ereignissen und zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung herstellen ließ, zudem war die Person Ernst Thälmanns weniger umstritten, gehörte das Andenken an Thälmann fast schon zur Folklore der DDR. Lenin war nicht nur als Denker und Politiker wesentlich umstrittener. […] Die entsprechenden Lenin-Denkmäler wurden daher oft als aufgezwungene Symbole der Sowjetmacht und als Fremdkörper im Stadtbild wahrgenommen", so der Historiker und Autor David Johst in einem Beitrag für die Bundeszentrale für politische Bildung.
Auch die Karl-Marx-Plastiken aus DDR-Zeiten existieren noch zu großem Teil. Die Bekannteste sind wohl der "Nischel" in Chemnitz und das Marx-Engels-Forum in Berlin.
Auf die Leninstatue in Gelsenkirchen hat die Stadt mit einer Ausstellung über die Geschichte des Kommunismus reagiert. Vielleicht kommen Menschen nun dort und anderswo darüber ins Gespräch - über Kommunismus und Kapitalismus, die DDR und die Bundesrepublik, über Gesellschaftsordnungen und was wir aus der Geschichte lernen können. Gespräche, die längst noch nicht zu Ende geführt sind, wie man am Politikum Lenindenkmal erkennen kann.
Über dieses Thema berichtet MDR in "Exakt – Das Nachrichtenmagazin": TV | 24.06.2020 | 20:15 Uhr