DEFA-Filmtage Merseburg Wolfgang Kohlhaase: "Der Autor liefert ja oft den ersten Impuls für den Film."
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09. März 2018, 08:47 Uhr
Seinen ersten Drehbuchentwurf schreibt er noch immer handschriftlich - wie vor knapp 70 Jahren. Wolfgang Kohlhaase gilt als einer der wichtigsten deutschen Drehbuchautoren. Heute ist er zu Gast bei den Merseburger DEFA-Filmtagen. Im Interview mit der MDR ZEITREISE spricht er über seine Anfänge bei der DEFA, Filme damals und heute sowie seine Arbeit: das Drehbuchschreiben.
Herr Kohlhaase, Ihre Karriere begann bei der DEFA.
Wie fing alles an?
Bei der DEFA habe ich im Herbst 1950 als Assistent in der Dramaturgie angefangen. Ich hatte anfangs keine Vorstellung, was das eigentlich ist, denn vorher war ich bei der Zeitung als Reporter und Redakteur. Und ich ging viel ins Kino, nicht jeden Tag aber jede Woche. Mehr oder weniger plötzlich schrieb ich auch über Filme. Und wenn du damals jung warst, hast du geklopft und die Tür ging auf. In der Dramaturgie saß ich dann über den Manuskripten anderer Leute, ohne viel davon zu verstehen. Und so kam eins zum anderen – bis ich dann die Chance bekam, mir eigene Geschichten auszudenken.
Wenn Sie zurückblicken, was hat Sie begeistert?
Der Krieg war vorbei, die Ruinen rauchten noch, aber es schien ein helles Licht des Morgens. Hier hörte nichts auf, hier fing etwas an. Es war die Verwandlung der Welt. Und es tauchten Filme auf, die ich vorher nicht für möglich gehalten hätte. Russen, Amerikaner, Engländer, Franzosen und vor allem die Italiener - die Neorealisten: Deren Nähe zur Wirklichkeit hat mich beeindruckt. In solchen Filmen konnte man erleben, was sich an den Ecken abspielte, die so aussahen wie die, wo ich wohnte.
Haben Sie in der DDR Zensur erlebt?
Die Politik war an der Wirklichkeit interessiert. Und das Kino war es auch. Wenn sich die Filmbilder mit den Wunschbildern der Politik stießen, gab es Konflikte. Den mit Abstand größten Konflikt gab es Mitte der 60er-Jahre, als zehn Filme nicht herauskamen. Immerhin waren sie vorher produziert worden. Doch die törichte Omnipotenz der Politik warf einen langen Schatten auf die Kunst und auch auf das Kino.
Was ist vom DDR-Film übrig geblieben?
Die Wende war auch eine Krise. Man brauchte zum Arbeiten ja den eigenen Lebensstoff. Und der lag in der DDR, die es nicht mehr gab. Der Markt eroberte den Platz. Aus Lebenslagen wurden Geschäftslagen. Was bleibt, wird man sehen. Filme kommen und gehen. Sie sind beides: Kunst und Ware. Ich denke, es bleiben ein paar haltbare Filme, Zeugnisse eines kleinen Landes und der Leute, die in ihm lebten, mit einer Utopie, die sich verbraucht hat.
Es gab auch eine gediegene Professionalität in der DEFA, das mag altmodisch erscheinen. Aber man kannte den munteren Dilettantismus nicht, mit dem Filme heute gemacht werden. Man dreht jetzt schnell und manchmal auch mit viel kleinerem Equipment.
Seit mehr als einem halben Jahrhundert schreiben Sie Drehbücher. Was macht einen guten Autor aus?
Also am besten Talent. Alles fängt damit an, dass du etwas erlebst. Wenn du nichts erlebst, hast du nichts zu erzählen. Dann sollte man einen Stoff haben und eine Haltung dazu, schließlich eine Handlung. Jede Szene braucht ein Ende, eine Mitte, einen Anfang. Außerdem sollte man den Schauspielern spielbare Dialoge schreiben. Nicht alles, was sich gut liest, lässt sich auch gut spielen.
Ein Film wird nicht nur reich durch seine Hauptrollen, sondern auch durch die Schönheit kleiner Auftritte. Zum Handwerk gehört auch, wie in der Musik, das Zusammenspiel der Wirkungen: schnell, langsam, links, rechts, laut, leise, oben unten. Wer mit solchen Elementen in der Phantasie umgehen kann, wird ewas brauchbares schreiben.
Nicht selten verschwinden Regisseure hinter Schauspielern. Was ist dann mit den Drehbuchautoren?
Die sind meistens nicht auf dem Plakat. Das ist ziemlich sittenlos im deutschen Kino. Der Autor liefert ja oft den ersten Impuls für den Film.
Sie werden in diesem Jahr 87, am 13. März. Was hält Sie jung?
Beim Treppensteigen nicht nachlassen. Und neugierig bleiben.
Wolfgang Kohlhaase Wolfgang Kohlhaase, 1931 in Berlin geboren, ist ein deutscher Drehbuchautor, Regisseur und Schriftsteller. Er hat mit verschiedensten Regisseuren wie Gerhard Klein, Konrad Wolf und Frank Beyer zusammengearbeitet. Außerdem prägte er die Geschichte der DEFA über Jahrzehnte, mit Filmen wie "Berlin – Ecke Schönhauser", "Ich war neunzehn" oder "Solo Sunny".
Tipp: 13. Merseburger DEFA-Filmtage Freitag, 9. März 2018 - Eröffnung mit dem Film "In Zeiten des abnehmenden Lichts" und den Drehbuchautoren Wolfgang Kohlhaase und Eugen Ruge als Gäste.
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im Fernsehen: artour | 01.06.2017 | 22:05 Uhr