Über 30 Jahre Rentenkampf Härtefallfonds für DDR-Zusatzrenten kommt – aber nur wenige profitieren
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14. November 2022, 16:51 Uhr
Seit rund drei Jahrzehnten kämpfen Zehntausende Ostdeutsche um die Anerkennung und Auszahlung ihrer DDR-Zusatzrenten. Nun hat der Bund die Bereitstellung von 500 Millionen Euro für einen Härtefallfonds beschlossen. Bis Ende diesen Jahres muss eine Stiftung gegründet werden, die an das Bundesozialministerium in Berlin angegliedert ist. Anträge können ab Januar 2023 gestellt werden. Nur wenige werden aber Geld bekommen.
Vergangene Woche wurde in Berlin das Haushaltsbereinigungsgesetz 2023 beschlossen. Dabei wurde auch über die Einrichtung eines Härtefallfonds für Betroffene von Härten infolge der Ost-West-Rentenüberleitungen, für Spätaussiedler und jüdische Zuwanderer aus der ehemaligen Sowjetunion entschieden. Dafür werden 500 Millionen Euro seitens des Bundes bereit gestellt und über eine Stiftung verwaltet. Ausgezahlt wird das Geld ab Mitte 2023. Die Bundesländer sind von einer verpflichtenden Einzahlung entbunden.
Worum geht es?
Mit dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik wurde das DDR-Rentenrecht mit seinen 27 Zusatz- und Sonderversorgungssystemen in bundesdeutsches Recht überführt. Das sogenannte Rentenüberleitungsgesetz sah jedoch eine Stichtagsregelung vor: Ansprüche aus Zusatzversorgungssystemen wurden demnach nach einer kurzen Übergangsfrist ab Mitte der 1990er Jahre gestrichen. Einige Berufszweige, darunter NVA, Volkspolizei, Feuerwehr oder Mitarbeiter des MfS, klagten Ende der 1990er Jahre und bekamen ihre Sonderrenten ausgezahlt. Doch für Berufsgruppen mit Zusatzversorgungssystemen, beispielsweise Eisenbahner, Krankenschwestern oder Bergleute, gab es keine Regelung.
Weshalb wird ein Fonds eingerichtet?
Seit Ende der 90er-Jahre kämpfen daher 17 Berufs- und Personengruppen um die Anerkennung und Auszahlung ihrer Ansprüche aus diesen Versorgungssystemen. Etwa 1,3 Millionen Menschen hatten diese Anwartschaften zu DDR-Zeiten erworben. Doch in den vergangen Jahrzehnten kam immer wieder die Frage auf: Wer ist denn finanziell Zuständig für die Auszahlung? Bund oder Länder? Der Vorschlag lautete: Der Bund trägt 40 Prozent der Lasten, die Länder 60 Prozent. Vor drei Jahren wurde daraus eine 50-50-Regelung. Doch auch die stieß in den neuen Bundesländern auf Widerstand. Daher hatte der Bund das Geld ursprünglich gesperrt und auf eine Einigung mit den Ländern gedrängt, auch ihren Anteil beizutragen. Ohne Erfolg. Erst jetzt kommt eine Lösung: Der Bund übernimmt die Kosten zu hundert Prozent, die Bundesländer können sich darüber hinaus freiwillig am Fonds beteiligen.
Wer bekommt Geld aus dem Fonds?
Aus dem Härtefallfonds werden Menschen unterstützt, denen in der Rentenüberleitung nach der Wiedervereinigung finanzielle Nachteile entstanden sind. Das hat zur Folge, dass sie bis heute oft eine sehr niedrige Rente beziehen. Aber auch jüdische Kontigentflüchtlinge und Spätaussiedler werden aus dem Fonds bedacht. Aktuell rechnet der Bund mit 60.000 bis 70.000 Antragstellern. Als Kriterium für die Auszahlung gilt die Hilfsbedürftigkeit. Die Auszahlung orientiert sich an der Grundsicherung - aktuell sind das 850 Euro pro Monat. Es werden daher nur die wenigsten, die eine Zusatzrente abgeschlossen haben, von dem Fonds profitieren.
Bereits im vergangenen Jahr hatten Betroffenengruppen - wie die der in der DDR-geschiedenen Frauen - die zur Auszahlung angesetzten Kriterien kritisiert. Diese haben sich seitdem nicht verändert. Das bedeutet, dass nur rund zwei bis drei Prozent der betroffenen Ostrentnerinnen und -rentner überhaupt finanziell profitieren würden, so Marion Böker. Die Menschenrechtsexpertin vertritt seit Jahren die Interessen der geschiedenen Frauen. "Die aktuelle Regelung ist ein kleiner Anfang", so Böker. "Das Zeichen ist sehr wichtig. Allerdings ist die aktuelle Lösung unter dem Aspekten der Gleichbehandlung fragwürdig."
Welche Fristen gibt es und wer kann den Antrag stellen?
Bis Ende des Jahres 2022 soll eine Stiftung gegründet werden, die an das Bundesministerium für Soziales und Arbeit (BMAS) angegliedert sein wird. Anträge zur Auszahlung können ab Januar 2023 gestellt werden. Im Laufe des kommenden Jahres soll dann ermittelt werden, wie viele Menschen anspruchsberechtigt sind. Geld soll dann ab 2024 fließen. Derzeit spricht man von rund 2.500 Euro Einmalzahlung pro Person. Sollten sich die Bundesländer jedoch finanziell beteiligen, könnte sich die Summe verdoppeln.
Welche Hürden gibt es?
Die 2018 gegründete Bund-Länder-Arbeitsgruppe für die DDR-Zusatzrenten hatte ursprünglich gefordert, dass der Fonds zu gleichen Teilen mit Bundes- und Landesmitteln ausgestattet wird. Die aktuelle Regelung sieht eine alleinige Bereitstellung der finanziellen Mittel durch den Bund vor. Die Bundesländer können freiwillig einen Anteil geben.
Momentan erklärt sich allerdings lediglich Mecklenburg-Vorpommern zu einer Beteiligung bereit. Hier bekommen die Betroffenen 5.000 Euro Einmalzahlung. Die Länder sollen nach dem Beschluss des Haushaltsausschusses des Bundestags noch die Möglichkeit erhalten, der Stiftung bis 30. Juni 2023 beizutreten und ihren finanziellen Anteil einzubringen. Sachsen etwa müsste ungefähr 50 bis 60 Millionen Euro einzahlen, wenn es sich an dem Fonds beiteiligen würde.
Dieses Thema im Programm: MDR SACHSEN - Das Sachsenradio | MDR Sachsen | 11. November 2022 | 13:02 Uhr