Stadtporträt Danzig Danzig: Eine Metropole im Spannungsfeld zweier Nationen
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13. November 2020, 20:34 Uhr
Danzig hat eine äußerst wechselvolle Geschichte: Deutscher Orden und Hanse, Stadtrepublik unter der Obhut des Königreichs Polen, ab 1793 preußisch, gehörte Danzig ab 1871 schließlich zum neugegründeten Deutschen Reich. Das Ende des Ersten Weltkriegs bedeutete eine weitere Zäsur in der Geschichte der Stadt: Sowohl das Deutsche Reich als auch das wieder entstandene Polen erhoben Ansprüche auf Danzig. Nicht zuletzt das Ringen um den Status der Stadt beeinträchtigte die deutsch-polnischen Beziehungen über die Jahre maßgeblich.
"Freie Stadt Danzig"
Das Deutsche Reich hatte durch den Vertrag von Versailles auf weite Teile seiner Ostgebiete verzichten müssen. Danzig dagegen gehörte zunächst noch zum Reich. Doch dann fällte der Völkerbund 1920 eine Entscheidung mit weitreichenden Konsequenzen: Danzig wurde ohne Volksabstimmung aus dem Deutschen Reich ausgegliedert. Danzigs Bürger verloren die deutsche Staatsbürgerschaft und wurden zu Bürgern eines neu gegründeten Freistaats: der Freien Stadt Danzig. Polen hatte mehr gefordert, Danzig solle nicht nur Polens Zugang zur Ostsee sein. Die polnische Regierung wollte nämlich, dass die Stadt komplett Polen zugesprochen würde. Ihr Argument: war die lange polnische Geschichte Danzigs. Die große Mehrheit der Danziger war deutschstämmig und nach Jahren preußischer Herrschaft fühlten sie sich auch nach dem verlorenen Krieg eher als deutsche Staatsbürger.
Zankapfel zwischen den Kriegen
Die "Freie Stadt Danzig": So lautete der offizielle Titel. Sie stand von nun an unter dem Schutz des Völkerbundes und war damit ein völkerrechtliches Kuriosum: Die übergroße Mehrheit der Bevölkerung deutsch, regiert von einem vom Völkerbund bestellten Hochkommissar, außenpolitisch vertreten durch Polen, mit dem die Stadt auch durch eine Zollunion verbunden war. Im Grenzkonflikt zwischen Polen und Deutschland spielte Danzig eine immer größer werdende Rolle.
Und die Danziger selbst?
Die Danziger selbst schätzten durchaus ihre zumindest in Teilen vorhandene Souveränität und Unabhängigkeit. Sie drangen darauf, sich eine eigene nationale Identität gegenüber Polen zu schaffen. So hissten sie 1920 ihre Fahne mit Danziger Wappen, ab 1923 besaßen sie mit den Gulden auch ihre eigene Währung. Sie sangen ihre Hymne und zelebrierten ihren Nationalfeiertag. Die Folge: Weitere Verstimmungen mit Polen, das sich weigerte, den Danziger Gulden als Zahlungsmittel anzuerkennen und seinen Einfluss auf Danzig zu vergrößern suchte. Es gab zahlreiche Konflikte: Angefangen vom Streit über polnische Briefkästen auf Danziger Stadtgebiet über Beeinträchtigungen im Zollwesen und Handelseinschränkungen bis hin zur Frage der Stationierung des polnischen Militärs.
Kriegsschiffe und Munitionsdepot
Vor allem aufgrund des Ostseezugangs war Danzig von zentraler strategischer Bedeutung für Polen. Ab 1925 erlaubte der Völkerbund gegen den Willen des Danziger Stadtrates der polnischen Regierung ein Munitionslager auf der Westerplatte einzurichten, einer Halbinsel an der Weichselmündung im Verwaltungsgebiet Danzigs. Zum Munitionsdepot gehörten auch Kasernen und Bunker als Bleibe für die vom Völkerbund genehmigten 88 Soldaten der Militärbesatzung der Westerplatte, die Polen später eigenmächtig auf 110 Soldaten erhöhte. 1930 stationierte Polen dauerhaft Kriegsschiffe im Danziger Hafen - vom Völkerbund erlaubt, trotz des Protests des deutschfreundlichen Danziger Senats.
Hitlers Danzig-Politik
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten setzte der neue Reichskanzler Adolf Hitler zunächst auf eine Annäherung an Polen – doch diese Politik änderte er schnell. Immer aggressiver wurde die Rhetorik in und außerhalb Danzigs, immer lauter die "Heim ins Reich"-Rufe. Auch in der Freien Stadt Danzig gewann die NSDAP an Zulauf. Längst hatte Hitler seine außenpolitische Zurückhaltung aufgegeben. Als 1939 der alte Zollkonflikt zwischen dem Deutschen Reich, Danzig und Polen neu aufkochte und sich die Regierungen gegenseitige Ultimaten stellten, liefen im Deutschen Reich die geheimen Kriegsplanungen schon seit Monaten auf Hochtouren. Hitler forderte, dass Danzig wieder Teil des Deutschen Reiches werden müsse - angebunden durch einen "Korridor".
Angriff auf die Westerplatte: Die erste Schlacht des Zweiten Weltkriegs
Auch in Danzig selbst spitzte sich die Lage weiter zu. Danziger Männer, die sich freiwillig zum Wehrdienst bei der Wehrmacht gemeldet hatten, kehrten mitsamt ihren Waffen aus Deutschland zurück. Auch die Polen blieben nicht untätig: Die polnische Post stattete ihre Angestellten mit Waffen aus und die Besatzung auf der Westerplatte wurde verstärkt. Am 25. August 1939 legte das deutsche Kriegsschiff "Schleswig-Holstein" im Danziger Hafen an – gefeiert von der Danziger Bevölkerung. Am 01. September 1939 begann die "Schleswig-Holstein" mit dem Beschuss des Munitionsdepots auf der Westerplatte – es ist die erste Schlacht des Zweiten Weltkriegs.