Beispiele für die Nachrichtenarbeit der Einkommenden Zeitung "nichts notables zu vermelden vorgefallen..."
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31. Mai 2011, 10:43 Uhr
Die "Einkommenden Zeitungen" boten lediglich Nachrichten an. Eine Meinungsäußerung war damaligen Korrespondenten von Zeitungen fremd. Wie sah die damalige Nachrichtenarbeit konkret aus? Zwei Beispiele aus der ersten erhalten gebliebenen Ausgabe der "Einkommenden Zeitungen", der Nummer 6 aus dem Jahre 1650, vorgestellt werden, geben einen Eindruck.
Diese Nummer 6 muss etwa am 10. Juli 1650 erschienen sein, wenn man nach dem alten, dem Julianischen Kalender rechnet. Auch die in der ersten Ausgabe enthaltenen Nachrichten richten sich grundsätzlich nach dem alten Kalender. Die nachfolgenden Angaben in eckigen Klammer gehören selbstverständlich nicht zur Nachricht.
An der Spitze dieser Ausgabe ist folgende Nachricht zu finden:
"Aus der Narva vom 27. Maij.
Der Moscowitische Weywoda [Wojewode] / so die Rebellen zu Neugard [Nowgorod] gestillet [gestellet?]/ ist mit 10000. nach Bleßkaw [Pskow] gangen / selbige ebenfals zu bezwingen / und allen Schaden / und Schimpff zu rechen / es ist allda auff dem Lande deßwegen grosse Furcht / und vom Lande in die Stadt ein solches Flehen [evtl.: Fliehen?] / als wenn ein Feind im Anzuge were / der die bekriegen wollte / den Verlauff werde ich künfftig berichten."
Gelangte die Information auf dem Wasserweg nach Leipzig?
Zunächst fällt auf, dass diese Nachricht schon weit über einen Monat zurückliegt. Das ist an sich recht ungewöhnlich. Nachrichten aus dem weiteren Baltischen und dem Nordrussischen Raum liefen wahrscheinlich häufiger über den Ostseeweg in die Hansestädte Lübeck und von dort weiter nach Hamburg, um dann auf direktem Wege nach Leipzig zu gelangen.
Auf dem Seewege konnte die Strecke vom Baltikum bis an die westliche Ostseeküste innerhalb weniger Tage schneller als auf dem Landwege zurückgelegt werden. Möglicherweise gab es äußere Gründe, die die Nachricht aufgehalten haben.
Der eben behauptete Weg könnte in der gleichen Ausgabe schon dadurch bestätigt werden, weil Nachrichten jüngeren Datums – zuletzt eine vom 6. Juli – aus Hamburg im gleichen Blatt zu finden sind.
Von dort benötigten die Nachrichten ca. knapp drei Tage, bis sie Leipzig erreichen konnten. (Zum Vergleich: Nachrichten aus Portugal legten den Weg nach Leipzig in einer Zeit von etwas 30 bis 60 Tagen zurück. Hier ist übrigens auffällig, dass solche Nachrichten in Ausgaben zu finden sind, in denen auch das Hauptnachrichtenzentrum Antwerpen (Antorff) vertreten ist.)
Es sticht ins Auge, dass der Autor der Nachricht sich selber zu erkennen gibt. Da er künftige Berichte ankündigt, ist ihm sehr wohl bewusst, dass er für ein Publikum schreibt, das nicht nur – wie etwa bei den unperiodisch erscheinenden "Newen Zeytungen" - gelegentlich Nachrichten liest.
Die Nachricht aus Narva könnte aber auch noch einen anderen Weg genommen haben. In der gleichen Ausgabe befinden sich nämlich zwei Nachrichten aus Danzig – vom 2. und vom 6. Juli. Die Kombination von Nachrichten aus Danzig und aus Hamburg ist ungewöhnlich, obwohl beide Orte oft als Ausgangsort für Nachrichten auftauchen.
Das spricht zunächst dafür, dass Danziger Nachrichten den direkten Landweg über Frankfurt an der Oder nach Sachsen nahmen. Und auch hier ist kaum vorstellbar, dass die Mitteilung vom 6. Juli einen Umweg über Hamburg zurücklegte, wenn die jüngste Meldung aus der Elbestadt vom gleichen Tage stammt. Man muss bedenken: Die Zeitung kam täglich heraus. Da die Danziger Nachricht unmittelbar auf die Mitteilung aus Narva folgt, wäre daher im konkreten Falle wahrscheinlicher, dass ausnahmsweise die Information aus Nordrußland spätestens ab Danzig auf dem Lande transportiert worden ist.