Schutz und Symbol Der deutsche Stahlhelm
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Er prägt das Erscheinungsbild des deutschen Soldaten im 20. Jahrhundert wie kaum ein anderes militärisches Ausrüstungsstück: der Stahlhelm. 1916 tritt er das erste Mal in Erscheinung - in der Schlacht um Verdun. Er rettet das Leben zahlreicher Soldaten, wird zum Symbol für Härte und Opferbereitschaft, aber auch für Demokratiefeindlichkeit und die Grauen des Krieges.
Erster Weltkrieg, 21. Februar 1916, 7:12 Uhr französischer Zeit: Mit einer Kanonade aus über 1.200 Geschützen - ein gewalttätiges Schauspiel wie es die Welt bis dahin nicht erlebt hat - beginnt im Nordosten Frankreichs eine der blutigsten Schlachten der Geschichte. Ziel des deutschen Trommelfeuers sind die Stellungen und Forts um die französische Festungsstadt Verdun. Sie sollen für eine Einnahme sturmreif geschossen werden.
Bewährungsprobe vor Verdun
Nach neun Stunden Dauerbeschuss treten sechs deutsche Divisionen zum Angriff an. Den Anfang machen spezielle Sturmtruppen, die besonders geschult und bewaffnet sind. Jeder Kämpfer führt eine Pistole und einen Karabiner mit aufgepflanztem Bajonett mit sich, dazu 90 Schuss Munition und etliche Handgranaten. Zudem tragen einige von ihnen eine Kopfbedeckung, wie man sie bisher noch nie gesehen hat: ein Helm, ganz aus Stahl. Es sind die ersten Exemplare jenes Modells, dessen markante Grundform - später mehrfach modifiziert - drei Jahrzehnte lang das Erscheinungsbild des deutschen Soldaten prägen wird: der Stahlhelm Modell 1916.
Nachfolger der Pickelhaube
30.000 Stück des neuen deutschen Helmmodells sind erst kurz zuvor unter den Einheiten der Westfront verteilt worden. Die Stahlhelme lösen unter anderem die Pickelhauben der Infanterie ab, die über ein halbes Jahrhundert das äußere Erscheinungsbild des preußisch-deutschen Militärs geprägt haben. Die alten Helme aus gepresstem Leder mit Metallverstärkungen und einer Messingspitze, die vor allem gegen Säbelhiebe schützen sollen und in den Einigungskriegen 1864 bis 1870/71 noch gute Dienste leisteten, bieten im Ersten Weltkrieg keinen Schutz mehr.
Reaktion auf tödliche Kopfverletzungen
Mit dem Scheitern des Schlieffen-Plans und der Niederlage der deutschen Armeen an der Marne 1914 siegt - nach den Worten der Militärs - an der Westfront endgültig das "Feuer" über die "Bewegung". In den Schlachten des nun folgenden Stellungskrieges werden Angriffe - wie 1916 bei Verdun - durch stundenlanges massives Artilleriefeuer mit Splitter- und Schrapnell-Geschossen vorbereitet. Allein der Anteil der Splitterverletzungen unter den Soldaten beider Seiten steigt in den Abnutzungsschlachten des Stellungskrieges auf rund 80 Prozent. Ein Viertel davon sind Kopfverletzungen. Und die sind fast immer tödlich.
Erste Lieferung aus Thale
Nachdem 1915 zunächst Frankreich und dann Großbritannien für ihre Soldaten Helme aus Stahlblech einführen, werden auch im deutschen Militär die Stimmen lauter, welche die zeitnahe Ausrüstung der Truppe mit einem deutschen "Stahlschutzhelm" fordern. Nachdem erste Exemplare im Dezember 1915 erfolgreich getestet werden, ordnet das Preußische Kriegsministerium kurz darauf die Massenproduktion an. Im Januar 1916 liefert das Eisenhüttenwerk Thale/Harz die ersten 30.000 deutschen Stahlhelme an die Truppe aus.
Standard-Helm der Mittelmächte
Der aus einer 1,1 Millimeter dicken Chromnickelstahl-Platte in fünf Arbeitsschritten gefertigte deutsche Stahlhelm des Modells 1916 (M1916) mit seinem markanten Stirn- und Nackenschutz wird schon bald zu einem Erfolgsmodell. Bis Kriegsende tragen nicht nur die Armeen des Deutschen Heeres und die Flieger der Luftwaffe den M1916, sondern auch die verbündeten Armeen Österreich-Ungarns und Bulgariens. Für das türkische Heer wird ein Export-Modell ohne Stirn- und Nackenschutz gefertigt, welches auch beim Gebet getragen werden kann.
Symbol für Frontsoldaten
Nach der Niederlage des Deutschen Kaiserreiches 1918 entwickelt der Stahlhelm in der Weimarer Republik eine starke Symbolkraft. Vor allem für ehemalige Frontsoldaten wird er zum Sinnbild für Härte und Opferbereitschaft im Kriege. Der im Dezember 1918 in Magdeburg gegründete "Bund der Frontsoldaten" - ein Sammelbecken für Gegner der Weimarer Demokratie - benennt sich nach ihm.
Modifikationen in der Wehrmacht
In der Wehrmacht wird der Stahlhelm nach Einführung der allgemeinen Wehrpflicht durch die Nationalsozialisten 1935 grundlegend weiterentwickelt. Es entsteht das kleinere und leichtere Modell M35, das aufgrund des verwendeten Molybdänstahls aber eine höhere Festigkeit als das Vorgängermodell besitzt. Von ihm werden später noch zwei leicht modifizierte Varianten, der M40 und der M42, entwickelt und an die Truppe ausgeliefert.
Problem mit Kopfschüssen
Ein Problem macht den Verantwortlichen jedoch zunehmend zu schaffen: Bei den drei Wehrmacht-Modellen M35, M40 und M42 treten vor allem an den Knickstellen an Stirn und Nacken häufig Kopfschüsse auf. Die Konstrukteure wählen deshalb eine überschräge Form, die Geschosse und Splitter leichter abgleiten lässt. Auch das Innenfutter und die Metalllegierung des Stahlhelms werden verbessert. Zur Massenproduktion und Auslieferung des neuen Modells 1945 an die Wehrmacht kommt es allerdings nicht mehr. Der Krieg ist vorher zu Ende.
"Deutscher Stahlhelm" für die NVA
Eine Weiterentwicklung des M45 wird später dennoch gebaut. Als die Nationale Volksarmee der DDR 1956 auf Vorschlag der sowjetischen Führungsmacht mit einem "deutschen Stahlhelm" ausgerüstet werden soll, greift man kurzerhand auf die im Eisenhüttenwerk Thale/Harz vorliegende Grundlagenarbeit zurück. Das Ergebnis ist der bis zum 2. Oktober 1990 verwendete NVA-Stahlhelm M56. Er ist der letzte noch aus Stahl gefertigte Nachfolger jenes Stahlhelms, der 1916 bei Verdun seine "Karriere" begann.