Porträt Rosa Luxemburg: ein "Adler" unter Hühnern
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05. März 2021, 05:00 Uhr
Für Lenin war Rosa Luxemburg ein "Adler" unter Hühnern. Für Clara Zetkin die "Verkörperung beispielloser Energie". Viele sehen sie als die größte linke Politikerin des 20. Jahrhunderts oder sogar aller Zeiten – natürlich auch, weil ihr gewaltsamer Tod an der Seite von Karl Liebknecht sie zur Märtyrerin gemacht hat. Am 5. März 1871 geboren, am 15. Januar 1919 ermordet. Wer war diese Frau, die sich als Vorkämpferin der Arbeiterbewegung für die "Freiheit des anders Denkenden" eingesetzt hat?
Rosa Luxemburg kommt im Südosten Polens (das damals größtenteils zum russischen Imperium gehört) zur Welt. Das genaue Datum ist nicht ganz klar. Auf der Geburtsurkunde steht der 25. Dezember 1870, sie selbst gibt später aber 1871 an und feiert am 5. März Geburtstag. Rosa – eigentlich Rozalia – hat vier ältere Geschwister. Ihr Vater betreibt einen Holzhandel und investiert vor allem in die Bildung seiner Kinder. Rosa lernt mehrere Sprachen. Lesen und Schreiben bringt sie sich mit fünf Jahren selbst bei – als sie wegen Gehbeschwerden fast ein Jahr lang das Bett hüten muss. Nach einem Umzug der Familie wächst sie in Warschau auf und geht dort aufs Gymnasium. Noch als Schülerin schließt sie sich einer marxistischen Untergrundgruppe an – nach ihrem Abitur, das sie als Klassenbeste abschließt, muss sie deswegen in die Schweiz fliehen.
Studium in der Schweiz
Ab 1890 studiert Rosa Luxemburg in Zürich. Sie schreibt sich in Philosophie, Mathematik, Botanik und Zoologie ein, später studiert sie unter anderem auch Volkswirtschaftslehre und Völkerrecht. Die junge Rosa ist eine überzeugte Verfechterin der Schriften von Karl Marx. In ihrer neuen Heimat findet sie schnell Anschluss. Denn hier leben viele linke Intellektuelle, die genau wie sie fliehen mussten. Darunter ist auch Leo Jogiches aus dem litauischen Wilnius, ein sozialistischer Politiker und späterer Mitbegründer der Kommunistischen Partei Deutschlands. Er wird Rosa Luxemburgs langjähriger Lebensgefährte.
Gemeinsam machen sie sich für eine internationale Bewegung stark – gegen Kapitalismus und Monarchie. Rosa Luxemburg schreibt für die polnische Exilzeitung "Sache der Arbeiter" und gründet schließlich eine eigene Partei – die "Sozialdemokratie des Königreichs Polen". 1897 beendet sie ihre Dissertation über die industrielle Entwicklung Polens.
Umzug ins Deutsche Kaiserreich
1898 zieht Rosa Luxemburg dann nach Deutschland – durch eine Scheinehe kann sie als Deutsche nach Berlin übersiedeln. Dort tritt sie in die SPD ein und wird schnell zur Wortführerin des linken Flügels in der Partei. Denn die SPD-Genossen sind ihr nicht konsequent genug, was die soziale Revolution angeht. Sie wollen sich lieber mit der Monarchie arrangieren, ihre parlamentarischen Rechte langsam erweitern und so Sozialreformen durchsetzen. Luxemburg hingegen fordert trotz aller Widerstände immer wieder die Machtübernahme durch das Proletariat. Das äußert die unbequeme Rosa auch öffentlich und warnt zudem vor dem drohenden Krieg.
Imperialismus: für Rosa Luxemburg die Wurzel allen Übels
Rosa Luxemburg kämpft für ihre Überzeugungen in einer Zeit, in der man nicht ungestraft alles sagen darf. 1904 muss sie wegen Majestätsbeleidigung für drei Monate ins Gefängnis. 1906 wird sie wegen "Aufreizung zum Klassenhass" noch mal zu zwei Monaten Gefängnis verurteilt.
Ein Jahr vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs erscheint Luxemburgs Hauptwerk. Es heißt: "Die Akkumulation des Kapitals". Rosa Luxemburg folgt darin Karl Marx. Und beschreibt den Imperialismus – also das grenzenlose Machtstreben der Großmächte – als die Wurzel allen Übels. Durch den Konkurrenzkampf der kapitalistischen Nationen untereinander sieht sie den Weltfrieden gefährdet.
Erster Weltkrieg im Gefängnis
Das ist in dieser Zeit ziemlich provokant – und auch in ihrer eigenen Partei eckt Rosa Luxemburg mit dieser Haltung an. Die SPD will im Reichstag den Kriegskrediten für die Mobilmachung zustimmen. Daran kann auch Rosa Luxemburg nichts ändern. Sie ruft 1913 öffentlich zur Kriegsdienstverweigerung auf. Dieser Aufruf bringt ihr wegen "Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und gegen Anordnungen der Obrigkeit" wieder ein Jahr Haft ein, die sie 1915 im Frauengefängnis in Berlin antritt.
Nach der Haft gründet Rosa Luxemburg zusammen mit Karl Liebknecht und Clara Zetkin die "Spartakusgruppe" – quasi eine innerparteiliche Opposition innerhalb der SPD. Die Spartakusgruppe tritt nach der Spaltung der SPD 1917 der sogenannten "Unabhängigen SPD" (USPD) bei und kämpft weiter gegen das sinnlose Sterben und den zügellosen Kapitalismus.
Rosa Luxemburg verbringt fast die gesamte Zeit des Ersten Weltkrieges in Haft, in den letzten beiden Kriegsjahren wird sie in "Sicherheitsverwahrung" genommen, erst in der Festung Wronke in der Provinz Posen, später dann in Breslau.
Die Freiheit der Andersdenkenden
Im Gefängnis erfährt sie von Lenins "roter" Oktoberrevolution in Russland. Diese begrüßt sie an und für sich zwar, kritisiert sie aber auch. Denn für sie ist die Revolution erst perfekt, wenn wirklich die einfachen Leute das Sagen haben. Sie tritt gegenüber dem russischen Revolutionsführer auch für die Meinungsfreiheit ein. Von Rosa Luxemburg stammt der berühmte Satz: "Freiheit ist immer die Freiheit des anders Denkenden".
In Deutschland kommt es nach dem verlorenen Krieg auch zu einer Revolution. Der Kaiser wird verjagt und die Weimarer Republik gegründet. Rosa Luxemburg und ihre "Spartakisten" wären gern noch viel weiter gegangen. Zu Jahresbeginn 1919 finden sie sich in der neu gegründeten Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) zusammen.
Hinterrücks erschossen
Ein paar Tage später ist Rosa Luxemburg tot. Aus einem Streik und der Besetzung einiger Zeitungsredaktionen war Anfang Januar 1919 ein bewaffneter Aufstand gegen die Übergangsregierung unter Friedrich Ebert geworden. Als Spartakus-Aufstand geht er in die Geschichte ein, obwohl die Spartakisten ihn gar nicht ausgelöst hatten, sondern sich erst später beteiligten. Die Straßenkämpfe in ganz Berlin werden schließlich von Freikorps und rechten Reichswehrverbänden blutig niedergeschlagen. Als "Ruhe und Ordnung" wiederhergestellt sind, sollen die Anführer bestraft werden. Die Spartakisten werden nun regelrecht gejagt. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg tauchen unter. Am 15. Januar entdeckt die Wilmersdorfer Bürgerwehr sie in der Wohnung eines Freundes und verhaftet die beiden. Nach stundenlangen Verhören und schweren Misshandlungen werden sie schließlich ermordet.
Die meisten Beteiligten an diesen Morden werden nie zur Rechenschaft gezogen oder sie werden freigesprochen. Der verantwortliche Offizier Waldemar Pabst behauptet später, dass ihm die Reichskanzlei telefonisch grünes Licht gegeben hätte. Das kann allerdings bis heute nicht zweifelsfrei bewiesen werden.
Rosa Luxemburg: unsterblich durch ihren Tod
Der Leichnam von Rosa Luxemburg wird erst Monate nach ihrem Tod gefunden, ihre Mörder hatten sie in den Berliner Landwehrkanal geworfen. Ihren Trauerzug säumen Zehntausende Menschen. Luxemburgs langjähriger Gefährte Leo Jogiches wird einige Wochen nach ihr ermordet: Er hatte versucht, den Tod seiner Freundin und Kampfgenossin aufzuklären.
Rosa Luxemburg ist nicht mal fünfzig Jahre alt geworden. In der DDR werden sie und Karl Liebknecht in den Rang von Nationalhelden erhoben. Hunderte Straßen, Gebäude, Schulen und Betriebe werden nach ihnen benannt. Jedes Kind kennt ihre Geschichte und ihre Gesichter. Jedes Jahr im Januar gibt es eine Demonstration in Erinnerung an den Tod der beiden Kommunisten. Doch auch das Ende der DDR ist mir ihrem Namen verknüpft: Luxemburgs Ausspruch "Freiheit ist immer die Freiheit der Andersdenkenden" wird der Slogan der DDR-Opposition.
Anders als die meisten anderen DDR-Rituale überlebt der Gedenkmarsch für Liebknecht und Luxemburg jedoch die DDR. Bis heute ist der jährliche Demonstrationszug im Januar zum Friedhof in Friedrichsfelde, wo die beiden begraben liegen, ein fester Termin für Tausende Linke jeglicher Couleur.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | MDR AKTUELL | 12. Januar 2020 | 19:30 Uhr