24. Juni 1945 Stalins Triumph - Die Moskauer Siegesparade 1945
Hauptinhalt
26. Juni 2020, 10:00 Uhr
Mit der größten Militärparade der sowjetischen Geschichte ließ Josef Stalin am 24. Juni 1945 in Moskau den Sieg über Hitler-Deutschland feiern. Die wiederbelebten Traditionen des alten Russlands ließen grüßen. 70 Jahre später fand erstmals wieder an einem 24. Juni eine Siegesparade auf dem Roten Platz statt. Wegen der Corona-Pandemie hatte der ursprüngliche Termin am 9. Mai, dem "Tag des Sieges", verschoben werden müssen. Ein historischer Rückblick.
Sie war die größte Militärparade in der Geschichte der Sowjetunion: Mit 40.000 teilnehmenden Soldaten, 1.850 Panzern und anderen Militärfahrzeugen sowie einem gigantischen Orchester aus über 1.300 Militärmusikern feierte die sozialistische Siegermacht des Zweiten Weltkrieges am 24. Juni 1945 auf dem Roten Platz in Moskau ihren großen Sieg über Hitler-Deutschland.
Datum bewusst gewählt
Der sowjetische Diktator Josef Stalin hatte die Siegesparade zwei Tage zuvor, am 22. Juni 1945, in einem im gesamten Land verbreiteten Befehl angeordnet. Das Datum des Befehls war bewusst gewählt. Es war der vierte Jahrestag des deutschen Überfalls auf die Sowjetunion. Sogar die Siegerkonferenz von Potsdam musste wegen des Termins verschoben werden.
Der Zweite Weltkrieg in Europa, in dem die östliche Siegermacht mit über 27 Millionen Toten mit Abstand die größten Opfer gebracht hatte, fand seinen triumphalen Abschluss. Die Siegesparade zementierte die Legende vom "militärischen Genie" Stalin, der die Rote Armee von Sieg zu Sieg geführt hatte. Der "Große Terror" und die "Säuberungen", die in den 1930er-Jahren auch die Rote Armee nachhaltig geschwächt hatten, waren vergessen.
Rückbesinnung auf altes "Rossija"
Die Moskauer Siegesparade dokumentierte zugleich, wie sehr sich die Sowjetunion mittlerweile wieder der alten militärischen Traditionen des zaristischen Russlands bediente. Nach der Oktoberrevolution 1918 waren Dienstgrade, die Bezeichnung "Offizier", Rangabzeichen, militärische Formen und militärisches Zeremoniell abgeschafft worden. Im "Großen Vaterländischen Krieg" fand 1941 jedoch eine Rückbesinnung auf das alte "Rossija" statt. Mit der Betonung nationaler Traditionen sollten die schwer angeschlagenen sowjetischen Streitkräfte moralisch aufgerichtet werden. Die Rote Armee hieß fortan offiziell Sowjetische Armee, der "Offizier" samt der prächtigen goldenen Schulterstücke kehrte zurück. Ehemalige Angehörige der Zaren-Armee wie Marschall Georgi Schukow trugen wieder das St.-Georgs-Kreuz und der neu gestiftete Suworow-Orden führte den Namen eines alten Zarenmilitärs.
Stalin von Pferd abgeworfen
Auch die Siegesparade vom 24. Juni 1945 knüpfte nahtlos an das militärische Erbe des Zarenreiches an. Allerdings hätte es die Tradition verlangt, dass Stalin als Generalissimus – also als Oberbefehlshaber der Sowjetischen Streitkräfte – die Parade persönlich auf einem Schimmel abnimmt. Die Überlegung soll es auch gegeben haben. Doch der "Rote Zar" stürzte wohl bei der Probe vom Pferd, zog sich Prellungen an der Schulter zu und bestimmte, dass Schukow als "Kavallerist" die Parade abnehmen solle. Der sei obendrein jünger. Der Marschall und Sieger von Berlin hatte von 1915 bis 1918 in einem Dragonerregiment der Kaiserlich Russischen Armee gedient.
Marschall Schukow auf Schimmel
So geschah es denn am 24. Juni auch. Es war wie zu Zarenzeiten: Nachdem der letzte Ton des Glockenspiels vom Erlöserturm des Kremls verklungen war, ritt Marschall Schukow Punkt 10 Uhr aus dem Tor desselben zu traditioneller Marschmusik auf den Roten Platz. Hier ließ er sich vom auf einem Rappen sitzenden Marschall Konstantin Rokossowski die Parade melden. Anschließend ritt Schukow die angetretenen Truppenteile ab, die er jeweils beglückwünschte, woraufhin diese lautstark mit den traditionellen langgezogenen Hurraaa-Rufen antworteten. Nach dem anschließenden Vorbeimarsch der Schützen- und Kavallerieeinheiten folgten in endlosen Kolonnen Panzer, Sturmgeschütze, Zugmaschinen mit Artilleriegeschützen, Geschosswerfer und andere schwere Kriegstechnik.
Wehrmacht-Fahnen zu Boden geworfen
Der Akt, der das Bild von der Moskauer Siegesparade 1945 jedoch am nachhaltigsten prägte, fand ganz am Ende des zweistündigen Spektakels statt. Aus allen Bereichen der sowjetischen Streitkräfte marschierten Soldaten mit rund 200 Truppenfahnen und Standarten der geschlagenen Wehrmacht und Waffen-SS auf.
Vor dem Lenin-Mausoleum warfen sie die Kriegstrophäen zu Boden, darunter auch die Standarte der "Leibstandarte Adolf Hitler". Es war ein Zeichen der rituellen Demütigung eines unterworfenen Gegners. Ihre Handschuhe zogen sich die Soldaten anschließend aus und verbrannten sie. Den Truppenfahnen blieb das erspart. Die kamen als Kriegsbeute in Museen und Magazine.
Etwa 20 der Fahnen stammten übrigens gar nicht aus der Wehrmacht, wie der Historiker Dr. Matthias Uhl vom Deutschen Historischen Institut in Moskau ermittelt hat. Man hatte sie nach Kriegsende nach Form und "Schönheit" im besetzten Deutschland ausgesucht, weshalb auch preußische Kavalleriestandarten und Landwehrfahnen aus dem 19. Jahrhundert dabei waren.
Wegen schlechtem Wetter wiederholt
Das Wetter konnte sich Stalin allerdings nicht aussuchen. Am 24. Juni 1945 war es in Moskau stark bewölkt und es regnete. Die geplante Luftparade musste deshalb abgesagt werden. Deswegen fand der Generalissimus auch keine rechte Freude an den schwarz-weißen Original-Aufnahmen des Tages. Die Siegesparade wurde deshalb noch einmal wiederholt und auf Farbfilm festgehalten.
Eine "Parade des Sieges" fand übrigens in der Sowjetunion nur noch drei weitere Male - 1965, 1985 und 1990 - statt. Erst seit 1995 wird jährlich zum "Tag des Sieges" am 9. Mai eine große Militärparade in Moskau abgehalten. 2020 wurde die "Parade des Sieges" wegen der Corona-Pandemie zum ersten Mal wieder auf einen 24. Juni verlegt - 70 Jahre nach der großen Siegesparade von 1945.