Neue Doku über Persönlichkeit der Filmgeschichte Leni Riefenstahl: Hitlers Lieblingsregisseurin
Hauptinhalt
31. Oktober 2024, 05:00 Uhr
Leni Riefenstahl, die vollständig Helene Bertha Amalie Riefenstahl hieß, wurde am 22. August 1902 in Berlin geboren. Sie avancierte schnell zu Hitlers Lieblingsregisseurin und gilt als eine der umstrittensten Persönlichkeiten der Filmgeschichte. Ihr NS-Propagandafilm "Triumph des Willens" - eine Reichsparteitagdokumentation - gilt als ihr einflussreichster Film. Auch nach dem Streifen arbeitete Riefenstahl als Regisseurin weiter und brachte ein weiteres großes Werk in die Kinos: Olympia. Jetzt gibt es einen neuen Film über die Regisseurin selbst. Sandra Maischberger und Andres Veiel entlarven Riefenstahl und ihre Filme in der Dokumentation als durch und durch ideologisch, auch wenn sie das bis zu ihrem Tod 2003 stets leugnete.
Eine Szene, die Leni Riefenstahl am besten beschreibt, ist folgende: Leni will als Mädchen Tanzunterricht nehmen. Der Vater, ein Geschäftsmann, lehnt das entschieden ab. Doch Leni, die als willensstark, ehrgeizig und vielseitig interessiert gilt, geht mit dem Wissen ihrer Mutter trotzdem tanzen. Als das Komplott der beiden auffliegt, droht der Vater mit Scheidung. Schlussendlich folgt er doch dem Willen seiner Tochter und meldet sie danach selbst bei der berühmten russischen Tänzerin Eugenie Eduardowa an.
Riefenstahl - von der Schauspielerin zur Regisseurin
Doch die Tanzkarriere von Riefenstahl kommt aufgrund vieler Knochenbrüche nicht zustande. Über Umwege gerät sie an den Begründer des "Bergfilm"-Genres: Arnold Franck. Von ihm lernt sie, mit der Kamera umzugehen.
Er lehrte mich, dass man alles gleich gut fotografieren müsse: Menschen, Tiere, Wolken, Wasser, Eis ... Bei jeder Aufnahme gehe es darum, das Mittelmaß zu überschreiten, von der Routine wegzukommen und alles möglichst mit einem neuen Blick zu sehen.
Zwar übernimmt sie in einigen Heimatfilmen Rollen als Schauspielerin, doch so richtig kommt auch die Schauspielerkarriere nicht in Fahrt. So gründet sie 1931 eine eigene Filmproduktionsgesellschaft.
Leni Riefenstahl schrieb Hitler einen Brief
Als sie 1932 ihren Film "Das blaue Licht - Eine Berglegende aus den Dolomiten" auf einer Tournee vorstellt, besucht sie einen Auftritt von Adolf Hitler im Berliner Sportpalast. Riefenstahl ist begeistert und schreibt Hitler einen Brief.
Sehr geehrter Herr Hitler, vor kurzer Zeit habe ich zum ersten Mal in meinem Leben eine politische Veranstaltung besucht ... Ich muss gestehen, dass Sie und der Enthusiasmus der Zuhörer mich beeindruckt haben. Mein Wunsch wäre, Sie persönlich kennen zu lernen ...
Und Hitler antwortet ihr. Es folgt ein Treffen am Nordseestrand und Riefenstahl stellt danach fest, wie sympathisch und liebenswürdig der Privatmensch Hitler sei - so ganz anders als der politische Agitator. Kurze Zeit nach ihrem Treffen bricht Riefenstahl zu einem Dreh nach Grönland auf, von dem sie Ende 1932 wieder nach Deutschland kommt. Von da an besucht sie regelmäßig Feste und Geselligkeiten von hohen NSDAP-Funktionären.
Riefenstahls erster Nazi-Propagandafilm: "Sieg des Glaubens"
Adolf Hitler wird schnell Fan von Leni Riefenstahl und überlegt - gemeinsam mit Reichspropagandaleiter Joseph Goebbels - wie er sie für seine Propagandazwecke einsetzen könnte. Mit Erfolg. Zwar klappt ein geplanter "Hitlerepos" nicht, dafür aber der Film "Sieg des Glaubens" über den fünften Reichsparteitag der NSDAP. Am 1. Dezember 1933 feiert der Streifen unter großem Beifall Premiere.
Schon ein Jahr später bekommt Riefenstahl erneut einen Auftrag. Dieser sieht die "künstlerische Gestaltung des Nürnberger Reichsparteitages 1934" vor. Der Auftrag und die Herausforderungen sind groß, denn zum einen stehen nur zwei Wochen Vorbereitungszeit zur Verfügung. Zum anderen wird Riefenstahl und ihr Team durch die Parteigenossen während der Dreharbeiten behindert: Keiner will gefilmt werden.
Propagandastreifen "Triumph des Willens"
Mit 120 Mitarbeitern, Kameraequipment aus Hollywood und einem klaren Plan schafft es Leni Riefenstahl trotzdem, ihr Material in den Kasten zu bekommen und damit Filmgeschichte zu schreiben. Nicht nur der "Wochenschaucharakter" des Filmes, sondern auch seine Effekte sind eine Novität. So befestigt Riefenstahl beispielsweise an Fahnenstangen Lifts, auf denen Kameras montiert werden, um so Fahraufnahmen zu generieren. Auch müssen Kameraleute auf Geheiß von Riefenstahl Rollschuhfahren üben - damit die Aufnahmen geschmeidiger und fließender werden. Kameraschwenks werden von Feuerwehrleitern aus aufgenommen.
Zusätzlich filmt das Team fünf Stunden – ohne Pause – die Soldaten auf Patrouille auf dem Nürnberger Luitpoldshain. Dem hollywoodgleichen Epos gibt Adolf Hitler am Ende selbst den Namen: "Triumph des Willens".
Zwei Millionen Reichsmark für den nächsten Streifen
Die Regisseurin dreht noch zwei kleinere Filme für die NSDAP, bevor sie 1936 mit dem nächsten großen Projekt - der Dokumentation über die XI. Olympischen Sommerspiele - betraut wird. Riefenstahl zögert: 100 Wettkämpfe nur zu dokumentieren, erscheint ihr reizlos. Also schreibt sie ein Drehbuch über die Olympischen Spiele. Produktionszeit: Drei Jahre. Finanzierung: Über die Film-Kreditbank des Reichspropagandaministeriums.
Mit dieser wilden Frau ist nicht zu arbeiten. Nun will sie für ihren Film eine halbe Million mehr und zwei daraus machen. [...] Sie weint. Das ist die letzte Waffe der Frauen. Aber bei mir wirkt das nicht mehr. Sie soll arbeiten und Ordnung halten.
Olympia und die Hitler-Mätresse
Nach dem Abschluss der Dreharbeiten zum zweiteiligen Werk "Fest der Völker" und "Fest der Schönheit" schnitt Riefenstahl alleine 400 Kilometer Filmmaterial zusammen. Doch die Kinopremiere fiel mit dem Einmarsch der deutschen Armee in Österreich zusammen - und musste verschoben werden. Der neue Termin: Hitlers Geburtstag am 20. April 1938. Während der Film in Deutschland Beachtung fand, wurde der Streifen der "Hitler-Mätresse" u. a. in den USA boykottiert.
Ab diesem Zeitpunkt war es auch in Deutschland immer schwieriger für Riefenstahl. Nachdem sie an der Front die ersten Bilder von toten Soldaten und der Zivilbevölkerung drehte, schlug sie weitere Angebote seitens der NSDAP aus. Das letzte Mal begegneten sich Adolf Hitler und Leni Riefenstahl im März 1944.
Von Freunden und Kollegen gemieden
Die Nähe zu Hitler wird Riefenstahl nach dem Krieg zum Verhängnis. In der Nachkriegszeit wird sie von ihren Kollegen und alten Freunden gemieden. Auch die Besatzungsmächte verfolgen argwöhnisch ihr Tun. Im Westen soll sie vor Gericht ihre Unschuld beweisen. Im Osten kommen ihre Bilder auf den Index und bereits vor der Gründung der DDR sammelt ein Vorläufer der Staatssicherheit Unterlagen über sie. Bis zu ihrem Tod kämpft Riefenstahl vor Gerichten und in den Medien um Anerkennung, Ruhm, Geld und Ehre. Andere erfolgreiche und beliebte Filmkünstler wie Heinz Rühmann oder Veit Harlan fassen nach 1945 rasch wieder Fuß. Doch Riefenstahl wird in der Bundesrepublik gemieden.
Neue Doku im Kino: Riefenstahl war mehr als Mitläuferin
Die Doku "Riefenstahl" von Andres Veiel und Sandra Maischberger, die am 31. Oktober 2024 in die Kinos kommt, zeigt nun, dass Leni Riefenstahl keineswegs nur eine Mitläuferin war, auch wenn sie zeitlebens an dieser Legende festhält. Ihr Privatarchiv ging vor einigen Jahren an die Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Historiker und das Filmteam haben es ausgewertet, und herausgekommen ist das Porträt einer Populistin, die sich ihre Wahrheit zurecht manipulierte. Mit der neuen Doku über die Regisseurin wollen die beiden Filmschaffenden zudem der auch heute noch existierenden Verehrung der Leni-Riefenstahl-Ästhetik für Filme, wie "Triumph des Willens" oder "Olympia", etwas entgegensetzen. Riefenstahl leugnete bis zu ihrem Tod als über Hundertjährige im Jahr 2003, eine überzeugte Nationalsozialistin gewesen zu sein.
Der Artikel war erstmals 2020 online und wurde 2024 ergänzt.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Geschichte Mitteldeutschlands: Leni Riefenstahl - Die Diva und die Stasi | 16. August 2022 | 22:10 Uhr