1973: Der Brückeneinsturz von Zeulenroda
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15. Juni 2021, 14:32 Uhr
Im August 1973 ereignete sich im thüringischen Zeulenroda ein Brückeneinsturz. Vier Bauarbeiter kamen ums Leben. Die Stasi vermutete Sabotage. Die Ursachen waren jedoch veraltete technische Vorschriften, schlechtes Material und Termindruck. Es war das einzige Unglück seiner Art in der DDR, denn die Kontrollen wurden danach deutlich verschärft.
Am 13. August 1973, ausgerechnet an dem Tag, als in der DDR der 12. Jahrestag der Errichtung des "antifaschistischen Schutzwalls" in der Hauptstadt Berlin begangen wurde, ereignete sich in der thüringischen Kleinstadt Zeulenroda ein schweres Unglück: Eine 362 Meter lange Brücke, die einen Stausee überspannte, stürzte ein. Vier Bauarbeiter starben, fünf weitere wurden schwer verletzt.
Prestigeobjekt der DDR
Die Stauseebrücke war noch nicht für den Verkehr freigegeben, sondern befand sich im Bauzustand. Sie galt als ein Prestigeobjekt der DDR, denn das Bauwerk wurde im sogenannten Freivorbau errichtet, einer Bauweise, die besonders bei längeren Brücken angewendet wird. Dabei wird der in aller Regel aus Stahlbeton bestehende Brückenüberbau sukzessive an den schon fertiggestellten Abschnitt angefügt. Der Schaden belief sich auf rund 3,5 Millionen DDR-Mark.
Stasi vermutete Sabotage
Die Staatssicherheit ging, weil sich das Unglück am Jahrestag des Mauerbaus ereignete, sofort von Sabotage aus. Noch am Unglückstag wurden der Chefplaner Gisbert Rother sowie zwei seiner Ingenieure verhaftet. Rother hatte sich in den Augen der Staatssicherheit vor allem dadurch verdächtig gemacht, weil er nur wenige Stunden vor dem Unglück seine Brücke fotografiert hatte. Im Mai 1974 wurden die drei Ingenieure zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Schlechtes Material und Termindruck
Im Zuge weiterer Ermittlungen wurde letztlich jedoch festgestellt, dass schlechtes Material, Termindruck und vor allem veraltete Konstruktionsvorgaben den Brückeneinsturz von Zeulenroda verursacht hatten.
So stürzten 1970 Brücken gleicher Bauweise im australischen Melbourne und englischen Milford Haven ein. Auch in Koblenz brach 1971 die Rheinbrücke bei der Montage zusammen. Nach ähnlichen internationalen Vorfällen hatte man also in der DDR schlicht versäumt, die veralteten technischen Vorschriften anzupassen. Das Oberste Gericht der DDR rollte den Fall daher neu auf und sprach die verurteilten Ingenieure frei.
Bessere Kontrollen
Der Brückeneinsturz von Zeulenroda blieb der einzige Katastrophe seiner Art in der DDR. Vielleicht auch, weil danach die Vorschriften und Kontrollen deutlich verschärft wurden. So wurde etwa zwingend vorgeschrieben, dass sämtliche Brücken in der Republik alle drei Jahre gründlich zu prüfen seien, um eventuelle Schäden beizeiten festzustellen.
Brückeneinstürze heutzutage eher unwahrscheinlich
Beim Überfahren von Brücken im Osten Deutschlands müsse man sich keinerlei Sorgen machen, betont Manfred Kurbach vom Institut für Massivbau an der TU Dresden. Nach 1989 wurden die teils in die Jahre gekommenen Bauwerke samt und sonders aufwändig saniert. Ansonsten gelten jedoch ein Drittel aller 140.000 Brücken in Deutschland als sanierungsbedürftig. Die Gefahr eines Brückeneinsturzes, wie im Sommer 2018 in Genua geschehen, bestehe, so Manfred Curbach, jedoch nicht. "Ich halte es für außerordentlich unwahrscheinlich, dass in Deutschland etwas Ähnliches passiert, weil wir ein so umfangreiches und ausgeklügeltes Sicherheits- und Überwachungssystem haben, dass wir eigentlich von jeder Brücke, auch von den Risikobehafteten, genau wissen, in welchem Zustand sie sich befindet."
Über dieses Thema berichtete der MDR im TV in "MDR Zeitreise" 28.08.2018 | 21:15 Uhr