Lexikon Landwirtschaft
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Agrarpolitik | Bauern | Bodenreform | Kollektivierung | LPG
28. August 2020, 13:31 Uhr
Die SED-Agrarpolitik war mit dem Ziel angetreten, mit der "Ummodelung der werktätigen Bauern, ihrer ganzen Mentalität, ihren gesamten Gewohnheiten, Arbeits- und Lebensbedingungen" eine tiefe Verbundenheit zur Arbeiterklasse zu schaffen und somit den "Sozialismus auf dem Lande" aufzubauen.
Bodenreform und Neubauern
Die Bodenreform in der sowjetisch besetzten Zone war der erste Schritt einer Umwälzung, die das gesamte bisherige ländliche Gefüge sprengen sollte. Das Programm zur Durchführung einer Bodenreform wurde bereits kurz nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs unter entscheidendem Einfluss der KPD festgelegt. Unter der Losung "Junkerland in Bauernhand" erfolgte 1945 die Umverteilung von Grund und Boden als eine der ersten großen Reformen in der SBZ.
Einstige Großbauern und Großgrundbesitzer, die mehr als 100 Hektar Land besaßen, sowie "Nationalsozialisten und Kriegsverbrecher" wurden im Zuge der Bodenreform entschädigungslos enteignet. Die rund 3,3 Millionen Hektar Äcker, Wälder und Wiesen wurden Landarbeitern, Kleinbauern, Flüchtlingen und Umsiedlern zugeteilt. Die restliche Fläche ging zumeist in die neugegründeten Staatsbetriebe, die sogenannten "Volkseigenen Güter" (VEG) ein. Das verteilte Land durfte von den "Neubauern" jedoch weder verpachtet noch verkauft werden. Wurde das Land nicht bewirtschaftet, konnten die Eigentumsrechte an Grund und Boden verfallen.
Die Verteilung von zwei Drittel des enteigneten Landes hatte folgende Ziele: Zum einen sollten die bis dahin landlosen Kleinbauern politisch gewonnen, zum anderen sollte die Versorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln möglichst rasch gesichert werden. Denn im Verlaufe des Krieges war die Nahrungsmittelversorgung immer prekärer geworden - und blieb es auch in den ersten Jahren nach der Kapitulation.
Die Enteignung der Großgrundbesitzer und die Aufteilung des Landes in Parzellen, die nicht mehr als fünf bis zehn Hektar umfassen durften, führten besonders in den traditionell gutsherrschaftlich geprägten Ländern Mecklenburg, Vorpommern und Brandenburg zu einem abrupten Übergang von einer großbetrieblichen zu einer kleinbäuerlichen Agrarstruktur. Trotz der Bemühungen um eine gute Ausstattung der Neubauern mit Vieh, Maschinen, Geräten und Gebäuden blieb die Wirtschaftskraft der neuen Höfe begrenzt. In den frühen fünfziger Jahren gerieten die Neubauernbetriebe zunehmend in eine ökonomische Krise.
Bis 1952 verließen 80.000 Neubauern ihre Höfe wieder, oftmals fanden sie in der expandierenden Industrie einen attraktiveren Arbeitsplatz. Die verlassenen Flächen führten zu erheblichen Einbrüchen in der landwirtschaftlichen Produktion. Zudem konnten zahlreiche Neubauernbetriebe nicht viel mehr produzieren als zur Selbstversorgung ihrer Familien nötig war. Sie gaben selten mehr an den Staat ab, als die Pflichtablieferung vorsah. Die Neubauern blieben in der Dorfgemeinschaft meist isoliert und mussten mit der hohen Arbeitsbelastung auf ihren Höfen allein fertig werden.
Kollektivierung und LPGs
Mitte der 1950er-Jahre setzte die zweite große Veränderung der landwirtschaftlichen Struktur ein: die Kollektivierung. Schon bevor dieses agrarpolitische Ziel auf der 2. Parteikonferenz der SED verkündet wurde, entstanden die ersten Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG). Der Kollektivierungsbeschluss des Politbüros unter Walter Ulbricht wollte den "Sozialismus auf dem Lande" durchsetzen.
Der Eintritt in eine LPG sollte laut Regierung auf Basis von Freiwilligkeit erfolgen. Die Wirklichkeit sah jedoch in den meisten Fällen anders aus. Durch wirtschaftliche Restriktionen gegen Landwirte mit jeweils mehr als 20 Hektar (sie galten als Großbauern), immer höher werdende Abgabepflichten, wirtschaftliche Benachteiligung gegenüber den LPGs und mangelnde Belieferung mit Produktionsmitteln und Baustoffen versuchte die SED, widerspenstige Landwirte zum Eintritt in die LPG zu zwingen.
Neue Ziele: Monoproduktbetriebe und Groß-LPGs
DieLandwirtschaft entwickelte sich auf zwei unterschiedlichen Wegen weiter. Zum einen sollten durch Zusammenlegung einzelner Betriebe die Betriebsgrößen erhöht werden, zum anderen sollten spezialisierte, arbeitsteilig wirtschaftende "Monoproduktbetriebe" entstehen, vor allem durch die Trennung von Tier- und Pflanzenproduktion. Die forcierte Bildung von Groß-LPGs nach Abschluss der Kollektivierung mündete in den 70er-Jahren in sogenannte agro-industrielle Komplexe.
Die gesunde Ernährung des Volkes mit hochwertigen Nahrungsmitteln und die Versorgung der Industrie mit Rohstoffen erfordern ein stetiges Wachstum der landwirtschaftlichen Produktion, zugleich auch eine weitere Verbesserung der Qualität der Produkte und der Produktionsstruktur. Das ist auf die Dauer nur durch die weitere Erhöhung der Bodenfruchtbarkeit und die Herausbildung großer Produktionseinheiten auf der Grundlage der weiteren Festigung des Bündnisses zwischen Arbeiterklasse und Genossenschaftsbauern zu gewährleisten. Diese Produktionseinheiten zeichnen sich durch ein hohes Niveau der Konzentration, der Spezialisierung, der horizontalen und vertikalen kooperativen Beziehungen aus.
Zusätzliche Einkünfte der Bauern durch Privatanbau und -zucht
Für die eigene Hauswirtschaft blieb nur in den frühen Morgenstunden oder nach dem Acht-Stunden-Tag in der LPG Zeit. Sie bildete jedoch neben dem Verdienst in der LPG eine wichtige Einnahmequelle: sei es die Aufzucht von Schweinen, Mastkälbern, Schafen oder Geflügel, der Anbau von Obst und Gemüse in den Gärten oder umfangreiche Kaninchenzucht. Am Wochenende half zur Erntezeit die ganze Familie, um beispielsweise Rhabarber oder Knoblauch einzuholen. Der Verkauf aus der persönlichen Hauswirtschaft war hoch subventioniert und steuerfrei und erbrachte teilweise beträchtliche Einkünfte.
In den 80er-Jahren verdiente ein LPG-Mitglied durchschnittlich 1.200 Mark monatlich. Zusätzlich erhielt es zusätzliche soziale Leistungen wie kostenlosen Urlaub in betriebseigenen Urlaubswohnungen, billiges Kantinenessen sowie die kostengünstige Unterbringung der Kinder in Krippen und Kindergärten.
"Sozialismus in den Farben der DDR" Erich Honecker verwendete diesen Begriff 1988 in seiner Festrede anläßlich des 70. Jahrestages der Gründung der KPD. Damit wollte er eine kritische Distanz zu den Reformen in der Sowjetunion von Generalsekretär Michael Gorbatschow (Perestroika und Glasnost) ausdrücken. Gleichzeitig setzte sich Honecker mit dieser Abgrenzungsformel auch von Ungarn und Polen ab, die ebenfalls Reformen anstrebten. Begrifflich hat sich Honecker mit dem Ausdruck bei der französischen Kommunistischen Partei ("Sozialismus in den Farben Frankreichs") bedient.