Der Kampf um die Planerfüllung - Planwirtschaft in der DDR
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16. Februar 2010, 13:20 Uhr
In den Medien gab es keinen Tag, an dem nicht von den wirtschaftlichen Erfolgen der kleinen DDR, an dem nicht mit Stolz von sozialistischem Wettbewerb und dem Kampf der Arbeiter und Bauern um Planerfüllung berichtet wurde. Dass dies nur Selbstbetrug war, wussten alle, von der Partei bis zum Arbeiter hinter der Drehbank.
Inhalt des Artikels:
Die Maxime von der Übererfüllung des Planes musste in allen Bereichen bis hin zur Kultur - auch die "schreibenden Arbeiter" hatten ein Plansoll zu erfüllen - realisiert werden. Das hieß, die Wahrheit zu verschweigen und Zahlen zu fälschen, um die Legitimität des Staates nicht anzugreifen. Die Bevölkerung wurde mit sozialen Leistungen vor allem in der Honecker-Zeit über die wirtschaftlich desolate Situation hinweggetäuscht.
Der Kampf um die Planerfüllung …
Die wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen der Sowjetischen Besatzungszone am Kriegsende gestalteten sich nicht unbedingt vorteilhaft für einen schnellen Aufstieg. Steinkohle, Eisen- und Kupfererz konnten auf dem Gebiet der SBZ nicht einmal den eigenen Bedarf decken, ausreichend vorhanden waren nur Braunkohle- und Kalivorräte. Auch die industrielle Infrastruktur gestaltete sich unausgewogen: Allein ein Hüttenwerk stand auf dem Gebiet der SBZ im thüringischen Unterwellenborn mit vier veralteten Hochöfen.
Belastung durch Reparationen an die Sowjets
In der chemischen Industrie beherrschte die Grundstoffproduktion das Bild, doch fehlte es an Möglichkeiten der Weiterverarbeitung. Diese Bedingungen wurden durch die Abschottung vom Westen verschärft. Gleichzeitig musste die schwache und zu 20 Prozent zerstörte Industrie zur Wiedergutmachung Demontagen und Eingriffe in die laufende Produktion hinnehmen. Bis 1948 leistete die SBZ zusätzlich Reparationen an die Sowjets von fast 60 Prozent der Gesamtindustrieproduktion. Im Vergleich zum Westen Deutschlands, wo bis 1953 rund 300 Dollar pro Kopf an die Besatzungsmächte entrichtet werden mussten, hatten die östlichen Brüder und Schwestern im gleichen Zeitraum pro Kopf fast 700 Dollar aufzubringen.
Enteignung soll Ressourcen und Mittel schaffen
Um direkt über die Produktionsmittel und Ressourcen verfügen zu können, wurde schon 1945 von der sowjetischen Besatzungsmacht begonnen, Privateigentum zu enteignen. Am 30. Oktober 1945 erging der SMAD-Befehl zur Beschlagnahmung des Eigentums von Groß- und Konzernbetrieben. Am 30. Juni 1946 entschieden 77,6 Prozent der Sachsen in einem Volksentscheid die Durchführung der Enteignung, die anderen Länder folgten dem sächsischen Beispiel. Bis zum Februar 1948 war die Enteignung abgeschlossen, 9281 gewerbliche Unternehmen, davon 3843 Industriebetriebe, waren nun "Volkseigentum".
Die wichtigsten Betriebe blieben jedoch als "Sowjetische Aktiengesellschaften" (SAG) in sowjetischer Hand und sollten der Erfüllung der sowjetischen Reparationsansprüche dienen. In mehreren Etappen erfolgte im Zeitraum von 1947 bis 1954 die Umwandlung in DDR-eigene Betriebe, mit Ausnahme der "Wismut", die für die Sowjetunion Uranerz abbaute.
Fünf Jahre nach der Enteignungswelle erzeugten die "Volkseigenen Betriebe" (VEB) zusammen mit den Betrieben der "Sowjetischen Aktiengesellschaften" (SAG) etwa 76 Prozent der Industrieproduktion der DDR. Dies konnte jedoch nur mit einer gezielten Bevorzugung der Volkseigenen Betriebe und der "Verordnung über die Bestrafung von Verstößen gegen die Wirtschaftsordnung" erreicht werden. Hiermit hatte sich die SED die rechtliche Möglichkeit geschaffen, Privatbetriebe zu disziplinieren und gegebenenfalls zu liquidieren. Nicht nur private Industriebetriebe drängte die SED aus dem System der zentralistischen Wirtschaft, auch der private Groß- und Einzelhandel musste mit immer größeren Benachteiligungen rechnen, wie etwa mit der staatlichen Festsetzung der Preise.
"Junkernland in Bauernhand“
In der Landwirtschaft und dem Handwerk vollzog sich die Verstaatlichung wesentlich schwieriger. In der Landwirtschaft hatte man gerade erst die Bodenreform durchgesetzt und die "Junker" enteignet, so dass erst 1952 die Kollektivierung der Landwirtschaft eingeleitet wurde. "Junkernland in Bauernhand" hieß das propagandistische Motto für die Durchsetzung der Bodenreform 1945. Sie war die erste wirtschaftliche Reform der SBZ und späteren DDR, durch die 500.000 Bauern, viele von ihnen waren Umsiedler oder Flüchtlinge, Land der Grundbesitzer erhielten. Doch meist war das Land zu klein, um rentabel wirtschaften zu können. Die Neubauern gehörten so notgedrungen zu den ersten, die sich den Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG) anschlossen.
Das "Kleine Politische Wörterbuch" von 1967 gibt Auskunft über die Intention der "demokratischen Bodenreform":
In dem Aufruf des Zentralkomitees der KPD vom 11. Juni 1945 wurde die Forderung, die Volksernährung zu sichern, mit dem Kampf um Frieden, Demokratie und soziale Gerechtigkeit verbunden. Das schloss die Enteignung des Großgrundbesitzes und die Überführung des Bodens in den Besitz der Bauern und Landarbeiter ein, denen er einst gehört hatte. Mit der d. B. wurde ein vom Feudaladel und von den Junkern an den Bauern begangenes Unrecht wieder gut gemacht. [...] Durch die Unterstützung der Arbeiterklasse konnte die d.B. trotz des Widerstands der Großgrundbesitzer, Faschisten und ihrer Interessenvertreter bis Frühjahr 1946 im Wesentlichen abgeschlossen werden. Damit waren die sozialen Wurzeln des Faschismus und des Militarismus auf dem Lande ausgerottet.
Zwangsenteignung und Kollektivierung
Die Durchsetzung der entschädigungslosen Enteignungen erfolgte mit äußerster Härte. Die Betroffenen verloren ihr gesamtes Privatvermögen. Mancher wurde vertrieben, einige, die sich wehrten, wurden umgebracht. Die Aktion schloss auch Bauern mit weniger als 100 ha Landbesitz ein, die sich in der Zeit des Nationalsozialismus angeblicher oder tatsächlicher Verbrechen schuldig gemacht hatten.
Die Kollektivierung der Landwirtschaft sollte den "freiwilligen" Zusammenschluss der Dorfgemeinschaft und einen "Übergang zur genossenschaftlichen Produktionsweise" verheißen. Stattdessen wurden Volkspolizei, Staatsanwälte und die Staatssicherheit zu Hilfe gerufen, um die starrsinnigen Bauern auf den richtigen Weg zu bringen. Die Partei setzte dabei auch auf die Studenten, die zu Ernteeinsätzen aufs Land geschickt wurden und die Bauern ideologisch erziehen sollten.
Parallel zur Kollektivierung der Landwirtschaft drängte die SED auch zu einer verstärkten Kollektivierung des Handwerks durch Bildung von "Produktionsgenossenschaften des Handwerks" (PGH). Der Druck hielt sich hier jedoch in Grenzen, da die Bedeutung des Handwerks als Wirtschaftsfaktor für die Industrie und sein Stand in der Bevölkerung hoch eingeschätzt wurde. In Industrie und Einzelhandel nahm der private Anteil ebenfalls weiter ab. Diese Reduzierung des Privateigentums gelang der SED durch die 1956 eingeführten "halbstaatlichen Betriebe". Der ehemalige Besitzer wurde Geschäftsführer, der Staat nahm die Position des Kapitalgebers ein.
Von der Kollektivierung der Landwirtschaft und der Enteignung der noch verbliebenen Privatindustrie versprach sich die SED einen noch größeren wirtschaftlichen Handlungsspielraum. Dies waren nur einige Gründe, warum Tausende Menschen ihre Heimat gen Westen verließen und dadurch wiederum wirtschaftliche Schwierigkeiten in der DDR auslösten.
Zentrale Planwirtschaft wird aufgebaut
Die weitgehende Beseitigung von Privateigentum an Produktionsmitteln ging einher mit der Organisation einer zentralen Planwirtschaft. Die zentralstaatliche Wirtschaftsplanung sicherte der SED-Spitze die Herrschaft über die Wirtschaft und die Durchsetzung des Prinzips: Politik vor Ökonomie. 1947 wurde eine Zentralstelle für die Wirtschaft errichtet - die Deutsche Wirtschaftskommission (DWK). Bis 1949 übernahm sie Aufgaben und Tätigkeiten der wirtschaftlich-relevanten Zentralverwaltungen, die 1945 von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) geschaffen wurden. Sie bildete die institutionellen Grundlagen für die Planung, Lenkung und Kontrolle der Volkswirtschaft.
Die Länderregierungen waren der DWK anfänglich nur rechenschaftschaftspflichtig. 1948 erhielt die Zentralstelle jedoch gesetzgeberische Vollmachten, die föderale Eigenständigkeit der Länder wurde damit stark eingeschränkt. Die bisher nur angeschlossenen Zentralverwaltungen wurden als Hauptverwaltungen fest eingegliedert und waren weisungsabhängig von einem zentralen Sekretariat. Damit war das Prinzip des "demokratischen Zentralismus" in der Wirtschaftsführung durchgesetzt.
Das nach 1949 aus der DWK entstandene "Ministerium für Planung" wurde 1950 in die direkt dem Ministerrat unterstellte "Staatliche Plankommission" (SPK) umgewandelt. Formell und nach außen hin war der Ministerrat das oberste Wirtschaftsorgan der DDR, faktisch galt aber auch hier wie in allen anderen gesellschaftlichen Bereichen die Oberhoheit der Partei. Das Politbüro entschied Wirtschaftsfragen aufgrund von Ausarbeitungen und Vorschlägen der ZK-Abteilungen. Diese ergänzten oder korrigierten in der Regel die Vorstellungen der Staatlichen Plankommission oder der einzelnen Ministerien nach Maßgaben der Parteibeschlüsse.
DDR-Wirtschaft unter Günter Mittag
Die Wirtschaftsabteilungen des ZK unterstanden dem ZK-Sekretär Günter Mittag (1962-1973 und 1976-1989). Mittag war zugleich auch Vorsitzender der Wirtschaftskommission, der Arbeitsgruppe Zahlungsbilanz und der Arbeitsgruppe BRD des Politbüros. Die Wirtschaftskommission, ihr gehörten einige Abteilungsleiter und Minister und Staatssekretäre an, beschäftigte sich mit allgemeinen Wirtschaftsfragen, aber auch mit Planentwürfen der SPK. Entscheidungsbefugnis besaß sie nicht, konnte aber auf Politbüro-Beschlüsse einwirken. Der bestimmende Einfluss der SED auf die Wirtschaftspolitik setzte sich auf der Kreis- und Bezirksebene fort.
Das oberste Ziel: Planerfüllung
Das staatliche Lenkungssystem der Wirtschaft funktionierte äußerst bürokratisch und starr: Die oberste Planhoheit lag beim Politbüro. Die Staatliche Plankommission erarbeitete die Vorgaben nach den Zielen des Politbüros, die Betriebe wiederum erstellten auf dieser Grundlage den Plan. Dieser wurde daraufhin nach oben zusammengefasst und modifiziert. Das Ergebnis war ein zentral erstellter Plan, der die Zielstellungen für die Betriebe vorgab, die meist weit vom ursprünglichen Plan abwichen. Die Fünfjahres- und Jahrespläne spielten in der Praxis die wichtigste Rolle, darüber hinaus gab es auch Pläne bis hin zu 30 Jahren. Das Maß aller Dinge der DDR-Wirtschaft war der übergeordneten Instanz erfüllte Pläne zu melden.
Plan In der sozialistischen Wirtschaft verbindliches Dokument für die Entwicklung der Volkswirtschaft und ihrer Teilbereiche (Betriebe, Territorien usw.) in einem bestimmten Zeitabschnitt, das Zielstellung und Wege zu ihrer Realisierung enthält. MEYERS UNIVERSAL-LEXIKON, Band 3, VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1980, S. 426