Lexikon Demokratischer Zentralismus
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29. Januar 2010, 14:33 Uhr
Der Demokratische Zentralismus galt als das Herzstück der sozialistischen Demokratie. Gesellschaft und Staat unterlagen einer zentralen Leitung und Planung, die auf einer breiten demokratischen Willensbildung basieren sollte. In seiner Umsetzung sah dies jedoch ganz anders aus. Die SED, die Massenorganisationen und der Staat waren extrem zentralistisch organisiert. Auch innerhalb der Staatspartei waren die Spielräume untergeordneter Instanzen nur minimal.
Der Begriff "Demokratischer Zentralismus" geht auf die von Lenin und dem "Komintern"-Sekretär Sinowjew formulierte und auf der 2. Tagung der Komintern im Jahr 1920 verabschiedete zwölfte von 21 "Bedingungen der Zugehörigkeit zur Kommunistischen Internationale" zurück.
Nach 1945 knüpften die KPD und dann die SED zunächst nicht an diese Traditionslinie an, sie forderten lediglich ein antifaschistisch-demokratisches Regime. Doch als sich die Fronten im Kalten Krieg immer weiter verhärteten, wurde für die SED die Umformung in eine "Partei neuen Typs" beschlossen. Der auf der ersten Parteikonferenz der SED 1949 zum Organisationsprinzip erhobene und ein Jahr später manifestierte demokratische Zentralismus stellte folgende Grundsätze auf: Wählbarkeit der Leitungen, Parteidisziplin, Pflicht zu Kritik und Selbstkritik, Unzulässigkeit von Fraktionsbildung. Für die SED bedeutete das, dass...
alle Parteiorgane von unten bis oben demokratisch gewählt werden; dass die gewählten Parteiorgane zur regelmäßigen Berichterstattung über ihre Tätigkeit vor den Organisationen verpflichtet sind, durch die sie gewählt wurden; dass alle Beschlüsse der höheren Parteiorgane für die nachgeordneten Organe verbindlich sind, straffe Parteidisziplin zu üben ist und die Minderheit sowie der einzelne sich den Beschlüssen der Mehrheit diszipliniert unterordnet.
Laut Parteistatut waren alle Parteiorganisationen, Mitglieder und Kandidaten der SED dazu verpflichtet, die Partei gegen feindliche Einflüsse zu schützen, Fraktionsmacherei zu unterbinden und darüber zu wachen, dass die "Einheit und Reinheit der Partei" weder durch Unterwanderung noch durch ideologische Diversion beeinträchtigt wurde.
Mit dem Fraktionsverbot und dem Wachsamkeitsgebot wurden die demokratischen Komponenten des demokratischen Zentralismus – Wählbarkeit und Rechenschaftspflicht – faktisch aufgehoben, der Leitungsanspruch hingegen bestätigt. . So verkümmerte die Praxis der Rechenschaftslegung zu einem Ritual.
Damit fiel den zentralen Parteiorganen der SED – dem Zentralkomitee und seinem Politbüro - die uneingeschränkte Weisungsbefugnis zu. Und diese bezog sich nicht nur auf die eigene Partei, sondern auch auf die Blockparteien und Massenorganisationen, die sowieso schon in der Pflicht standen, die "führende Rolle der Partei der Arbeiterklasse" zu akzeptieren. Der Führungsanspruch der SED galt auch für die staatlichen Organe, die Regierungsgeschäfte sowie die Leitung der Wirtschaft.
Die Verfassung der DDR von 1968/74 bestätigte die Vormachtstellung der SED ausdrücklich und erklärte den demokratischen Zentralismus zum "tragenden Prinzip des Staatsaufbaus". Ein Verständnis von demokratischem Zentralismus, das jegliche demokratische Beteiligung im Sinne moderner - parlamentarischer - Demokratien und der dort üblichen Gewaltenteilung verhinderte.