Die Staatspartei der DDR SED: Sozialistische Einheitspartei Deutschlands
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07. Juli 2022, 17:43 Uhr
Die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands, kurz SED, wurde 1946 gegründet und entwickelte sichin kurzer Zeit zur der Staatspartei der DDR. Hervorgegangen aus dem zwangsweisen Zusammenschluss von KPD und SPD am 21./22. April 1946 wollte die SED die deutsche Arbeiterbewegung durch eine einheitliche marxistisch-leninistische Partei neu organisieren. Diese verstand sich dann seit 1950 als "der bewusste und organisierte Vortrupp der Arbeiterklasse und des werktätigen Volkes der sozialistischen Deutschen Demokratischen Republik".
Inhalt des Artikels:
- SED: Die "Partei neuen Typus"
- Säuberungswelle in der SED und Parteiausschlüsse
- Eine Partei mit Führungsrolle in allen gesellschaftlichen Bereichen
- SED und das Prinzip des demokratischen Zentralismus
- Parteilose Spitzenleute als Alibi
- Immer weniger Personen mit immer mehr Einfluss
- Parteilehrjahr und Parteischule für Parteisoldaten
- SED-Parteikontrolle für zu kritische Parteimitglieder
Der erste Vorschlag zur Vereinigung der beiden Arbeiterparteien erging jedoch bereits im Juni 1945 vom SPD-Zentralausschuss an die Berliner KPD-Führung um Walter Ulbricht. Für die KPD kam dieser Vorschlag jedoch zu früh. Erst als die SPD immer mehr Einfluss gewann und auch in der Zahl der Mitglieder die KPD überholte, änderte die KPD ihre Politik. Unter starkem Druck der Besatzungsmacht im sowjetischen Sektor wurde die SPD trotz aller Widerstände zwangsweise mit KPD zur SED fusioniert. Zunächst wurden alle wichtigen Positionen paritätisch besetzt, mit je einem ehemaligen Kommunisten und einem ehemaligen Sozialdemokraten.
SED: Die "Partei neuen Typus"
Erste "Parteisäuberungen" wurden dann bereits auf der 12. Tagung des Parteivorstandes der SED am 28./29. Juli 1948 in Gang gesetzt, nachdem beschlossen wurde, die SED in eine "Partei neuen Typus" umzuformen, was die schnelle Übernahme des stalinistischen Parteimodells der KPdSU bedeutete. Hierzu bildete und besetzte man im Januar 1949 eine "Zentrale Parteikontrollkommission".
Die 1. Parteikonferenz vom 25. bis 28. Januar 1949 sanktionierte diese Beschlüsse und erklärte den "demokratischen Zentralismus" zum Prinzip des Parteiaufbaus und beschloss die Aufhebung der Parität: Von nun an sollten die besten und fähigsten Genossen unabhängig von ihrer früheren Parteizugehörigkeit in leitende Funktionen gelangen, womit die massive Verdrängung der ehemaligen Sozialdemokraten aber auch von kritischen ehemaligen KPD-Mitgliedern aus Führungspositionen, teilweise sogar aus der Partei, einherging.
Dies wirkte sich letztlich auch auf die Mitgliederzahlen aus: Hatte die SED 1948 ca. zwei Millionen Mitglieder, sank diese Zahl im Juli 1950 auf nur noch 1,75 Millionen, im Juni 1951 gar auf ca. 1,221 Millionen, bevor danach wieder ein stetiger Anstieg zu verzeichnen war: 1954 umfasste die SED 1.413.313 Mitglieder, im Dezember 1961 1.610.769, im Juni 1971 1.909.859, Mitte der 70er Jahre über zwei Millionen, im April 1981 2.172.110 und im Mai 1989 2.260.979 Mitglieder und 64.016 Kandidaten der SED, wobei das Durchschnittsalter 45,2 Jahre und der Frauenanteil 36,5 Prozent betrug.
Die Partei, die Partei, die hat immer recht!
Säuberungswelle in der SED und Parteiausschlüsse
In der SED setzte ein Prozess der Reinigung von "unsicheren" Genossen ein. Die "Umwandlung zur Partei neuen Typus" führte in den Fünfzigern zu einem nicht enden wollenden "Kampf gegen den Sozialdemokratismus". Über die Jahre flüchteten deshalb 100.000 ehemalige Sozialdemokraten in den Westen. Tausende wurden von ostdeutschen Gerichten verurteilt – und das nicht selten zu 25 Jahren Haft. Etwa 400 der Inhaftierten starben.
Im Laufe der Jahre kam es immer wieder zu Versuchen, kritisches Gedankengut innerhalb der Partei zur Diskussion zu stellen, neue Wege in der Wirtschaftspolitik zu gehen oder sogar insgesamt den Sozialismus einer demokratischen Erneuerung zu unterziehen. Nach der Kritik an Stalin durch den XX. Parteitag der KPdSU im Februar 1956 formierten sich innerhalb von SED-Intellektuellen Gruppen, die bei einer äußerlichen Entstalinisierung nicht halt machen wollten, sondern von einem demokratischen Sozialismus träumten. Wolfgang Harich formulierte eine Plattform, deren Tendenz er selbst national-kommunistisch nannte. Er wurde zusammen mit anderen Intellektuellen verhaftet und zu einer achtjährigen Zuchthausstrafe verurteilt. Seit 1963 machte sich Professor Robert Havemann zum Sprecher einer demokratischen Erneuerung. Er wurde von der Universität entlassen und aus der Akademie der Wissenschaften ausgeschlossen. Später wurde er in seinem Haus in Grünheide am Stadtrand von Berlin unter Hausarrest gestellt. Die Mitglieder des Kreises um Harich, Havemann wie auch sein Freund Wolf Biermann waren sämtlich zunächst SED-Mitglieder, überzeugte Kommunisten, hingen dem Marxismus-Leninismus und hielten die DDR für den besseren deutschen Staat.
Eine Partei mit Führungsrolle in allen gesellschaftlichen Bereichen
Einen weiteren Einschnitt stellte der IV. Parteitag 1954 dar: Neben der Festschreibung der Führungsrolle der SED sollten nun in allen gewählten Organen des Staates und in den Massenorganisationen Parteigruppen gebildet werden, die administrativ den jeweiligen SED-Leitungen unterstellt wurden. Die Grundorganisationen in den VEB, MTS, VEG und LPG erhielten ausdrückliches Kontrollrecht über die Tätigkeit der Betriebsleitungen, so dass die SED in der Folgezeit alle gesellschaftlichen Bereiche unter ihre Kontrolle bekam. Alle anderen Parteien wie auch die Massenorganisationen standen vollständig unter der Hegemonie der SED. Sie wurden zu ausführenden Organen der führenden Partei degradiert. Mit dem VIII. Parteitag 1971 (und der vorher erfolgten Ablösung Ulbrichts von seinen Parteifunktionen) stand die SED - zumindest nach eigenem Bekunden - erneut vor einem Wendepunkt: Von nun an sollte alles für das Glück des Volkes getan werden, wozu die "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" die Voraussetzung sei.
SED und das Prinzip des demokratischen Zentralismus
Der Organisationsaufbau SED folgte dem Prinzip des "demokratischen Zentralismus und war streng hierarchisch gegliedert: Das höchste Organ war der alle vier Jahre zusammentretende Parteitag, der das Zentralkomitee (ZK) wählte, von dem wiederum auf der ersten nach dem Parteitag stattfindenden konstituierenden Sitzung das Politbüro des ZK, das Sekretariat des ZK und der Generalsekretär gewählt wurde. Auch diese Wahlen waren keineswegs Ergebnis freier Diskussion und Entscheidung (wie alle Parteiwahlen), sondern parteiöffentliche Akklamation von Personalentscheidungen, die von der jeweiligen Leitungsebene hinter verschlossenen Türen stattfanden. Diese zentrale Struktur wiederholte sich auf Bezirks- und Kreisebene, die der staatlichen Administration angepasst und dieser gegenüber weisungsberechtigt war. Aufgebaut war die SED nach dem Territorial- und Produktionsprinzip. Jedes Parteimitglied musste einer Grundorganisation (GO) angehören, in der Regel am Arbeitsplatz. Wenn jedoch weniger als drei SED-Mitglieder beschäftigt waren, dann musste man sich in der zuständigen Orts- bzw. Wohnparteiorganisation (WPO) anmelden, in denen Rentner und Nichtberufstätige verpflichtet waren mitzuarbeiten.
In den GO musste auch der monatliche Beitrag entrichtet werden, der sich nach dem monatlichen Gesamtbruttoeinkommen richtete: bei Einkommen bis 600 Mark 0,5 Prozent des Einkommens, bis 700 Mark ein Prozent, bis 800 Mark 1,5 Prozent, bis 1000 Mark zwei Prozent, bis 1200 Mark 2,5 Prozent und über 1200 Mark drei Prozent. Auch für weitere zusätzliche Einkünfte wie Jahresendprämien oder Honorare wurden Beiträge erhoben.
Wo ein Genosse ist, da ist Partei!
Parteilose Spitzenleute als Alibi
Da die SED stets besonderen Wert auf die Aufnahme von Arbeitern legte, was jedoch nie in befriedigendem Maße gelang, wurden einerseits einige Berufsgruppen (z.B. Funktionäre und Berufssoldaten) kurzerhand als Arbeiter definiert und andererseits seit den 70er-Jahren auch eine Beschränkung der Aufnahme von Intellektuellen vorgenommen. Wo es nötig war, dass Nicht-SED-Mitglieder aufgrund ihrer Fachkompetenz in leitende Stellungen aufrückten, wurden diese häufig aufgefordert, der SED beizutreten, sofern der Beitritt nicht schon vorher als Voraussetzung für den beruflichen Aufstieg bezeichnet worden war. Doch gab es auch hier Ausnahmen, da man parteilose Spitzenleute auch als Alibi brauchte, um nachweisen zu können, dass in der sozialistischen Gesellschaft auch "Nichtgenossen" ihre Perspektive haben.
Immer weniger Personen mit immer mehr Einfluss
Je umfassender allerdings die SED-Führung alle gesellschaftlichen Bereiche unter ihre Kontrolle brachte, desto mehr verwandelte sie sich in einen von der Gesellschaft abgehobenen Organismus, in dem die Macht vollständig konzentriert war, wobei auch die tatsächliche Machtbefugnis und -ausübung zunehmend eingeengt wurde auf kleine, auch informelle Zirkel von Entscheidungsträgern (Politbüro, Sekretariat des ZK bzw. vertrauliche Gruppierungen innerhalb dieser Gremien). Die Folge war, dass immer weniger Personen (Honecker, Hager, Mittag) immer mehr Einfluss erhielten.
Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen!
Parteilehrjahr und Parteischule für Parteisoldaten
Bedingt durch diese Entwicklung verfügte die SED zwar über einen unbeschränkten Zugriff auf Informationen jeder Art, besaß jedoch nie eine zusammenfassende Lageanalyse. Die Mitglieder wurden regelmäßig "auf Linie getrimmt", wofür die Parteischulung gemäß dem Vorrang der Ideologie von dominanter Bedeutung war. Die Schulung erfolgte auf allen Ebenen vor allem in Form der Vorgabe von Interpretationen zentraler Beschlüsse und Reden etc.
Dazu verfügte die SED über parteieigene, dem Sekretariat des ZK oder den jeweiligen Regionalleitungen unterstellte Studien- und Bildungseinrichtungen: Die Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK, das Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK und die Parteihochschule Karl Marx beim ZK übernahmen die Aus- und Weiterbildung der höheren Kader, Bezirks- und Kreisparteischulen die der Mitglieder niederer Leitungen; für alle Mitglieder wurde außer den Lehrgängen an den Bildungsstätten regelmäßig das so genannte Parteilehrjahr (mindestens monatlich) durchgeführt.
SED-Parteikontrolle für zu kritische Parteimitglieder
Nahmen SED-Mitglieder gegenüber offiziellen Richtlinien kritisch Stellung, wurden sie von der Parteiführung oder anderen Dogmatikern an der Basis konsequent bekämpft. Gleichzeitig kontrollierten Parteikontrollkommissionen permanent alle Aktivitäten, wozu auch das ausgedehnte parteiinterne Berichtswesen diente. Die wichtigsten Instrumente zur Propagierung wechselnder Linien sowie von Umdeutungen von Kurskorrekturen oder gar Kehrtwendungen als Siege waren Parteitage und ZK-Tagungen, die mit einem "Trommelfeuer" der Medien vor- und nachbereitet und durch eine Vielzahl an Sonderveranstaltungen nicht nur der SED begleitet wurden. All das führte dazu, dass im Mai 1989 19 von 100 Bürgern im Alter von über 18 Jahren Mitglied oder Kandidat der SED waren. Selbst bei der Jugend konnte man in dieser Hinsicht (zweifelhafte) Erfolge verbuchen: Jeder achte Bürger zwischen 18 und 25 Jahren war Mitglied oder Kandidat der SED.
Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED): marxistisch-leninistische Partei; bewusster und organisierter Vortrupp der Arbeiterklasse und des werktätigen Volkes der DDR; führende Kraft der sozialistischen Gesellschaft. Die SED vereinigt in ihren Reihen die fortschrittlichsten Angehörigen der Arbeiterklasse, der Genossenschaftsbauern, der Intelligenz und der anderen Werktätigen (1976: 2.043.697 Mitglieder und Kandidaten) MEYERS UNIVERSAL-LEXIKON, Band 4, VEB Bibliographisches Institut Leipzig 1980, S. 132.