Chronologie des Besuchs von Helmut Schmidt Helmut Schmidt bei Erich Honecker: "Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder"
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20. Dezember 2011, 12:12 Uhr
Als Helmut Schmidt und Erich Honecker im Dezember 1981 zum zweiten deutsch-deutschen Gipfel auf DDR-Boden zusammentrafen, war das auch für das DDR-Fernsehen ein Großereignis. Sowohl in der "Aktuellen Kamera" als auch in etlichen Sondersendungen wurde von dem "historischen" Besuch berichtet.
Bilder, die um die Welt gehen"
Am Nachmittag des 11. Dezember 1981 landet Helmut Schmidt auf dem Flughafen Berlin-Schönefeld. Erich Honecker steht an der Gangway und begrüßt den Bundeskanzler "recht herzlich in der Deutschen Demokratischen Republik". Die Begrüßung findet ohne großes Protokoll statt, um den Charakter des "Arbeitsbesuchs" zu unterstreichen. Ein Reporter des DDR-Fernsehens sagt dennoch überschwänglich: "Bilder, die um die Welt gehen."
Im Schloss Hubertusstock
Gleich nach der Ankunft fährt Helmut Schmidt ins abgelegene Gästehaus der DDR-Regierung, Schloss Hubertusstock am Werbellinsee. Es kommt zu einer ersten Begegnung der beiden Staatsmänner nebst ihrer Delegationen in der weitläufigen Empfangshalle. Es wird Sekt gereicht und die Herren witzeln, ob es nicht zu früh sei für alkoholische Getränke ...
Erste Sitzung am Döllnsee
Am Morgen des nächsten Tages treffen sich Helmut Schmidt und Erich Honecker zu ihrem ersten Gespräch im Gästehaus des DDR-Staatsrates in Döllnsee in der Schorfheide. Honecker erwartet seinen Gast am Eingang des Hauses. Schmidt sieht müde aus. Honecker, munter und gut gelaunt, fragt Schmidt, wie es ihm denn gehe. "War 'ne kurze Nacht", nuschelt Schmidt.
Schmidt lädt zum Abendessen
Der Bundeskanzler hat zu einem Abendessen in Schloss Hubertusstock geladen. Honecker sitzt neben Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff und seinem Devisenbeschaffer Alexander Schalck-Golodkowski. Schmidt hat das für Wirtschaft zuständige Politbüromitglied Günter Mittag zum Nachbarn. Die Stimmung ist gut, es wird viel gelacht. Bei ihren Toast betonen aber sowohl Schmidt als auch Honecker, dass es grundlegende Meinungsverschiedenheiten gibt …
Interview mit dem Westreporter
Nach dem Empfang Helmut Schmidts passt ARD-Reporter Ernst-Dieter Lueg die beiden Staatsmänner am Ausgang von Schloss Hubertusstock ab und das DDR-Fernsehen filmt gleich mit. Erich Honecker, der gerade mit einiger Mühe versucht, in seinen Mantel zu schlüpfen, drückt sich äußerst gewählt aus, während Helmut Schmidt eher einsilbig und knurrig auf Luegs Fragen antwortet...
Helmut Schmidts Einschätzung der Gespräche mit Honecker
Am Vormittag des 13. Dezember 1981 lädt Helmut Schmidt zu einer Pressekonferenz ins Schloss Hubertusstock. Der Festsaal ist bis auf den letzten Platz gefüllt. Schmidt gibt zunächst eine Einschätzung seiner Gespräche mit Erich Honecker: Fünfmal hätten sie sich getroffen, davon zweimal "unter vier Augen". Es sei der intensivste Meinungsaustausch gewesen, den er je mit "der Spitze eines anderen Staates" geführt habe, resümiert der Bundeskanzler.
Frage nach dem Kriegsrecht in Polen
An jenem 13. Dezember, um 6 Uhr, war in Polen das Kriegsrecht verhängt worden. Um 6:30 Uhr hatte Schmidt davon erfahren. Die Nachricht war für die Bonner Delegation wenig überraschend gekommen, überraschend war allein der Zeitpunkt – laut nachrichtendienstlicher Berichte, die Schmidt vorlagen, sei mit einem Eingreifen des Militärs erst nach dem 18. Dezember zu rechnen. Honecker wusste auch nicht viel mehr, immerhin aber, dass die Verhängung des Kriegsrechts bereits vor dem 15. Dezember erfolgen würde. Eine Frage nach den Ereignissen in Polen beantwortet Schmidt diplomatisch zurückhaltend.
Nach Güstrow
Am Mittag des 13. Dezember 1981, einem Adventssonntag, holt Erich Honecker Bundeskanzler Helmut Schmidt in Hubertusstock ab, um mit ihm gemeinsam nach Güstrow zu fahren. Die beiden steigen in das Auto des SED-Chefs, einen Citroen CX 2.300 Prestige, und der Konvoi setzt sich in Bewegung. Zwei Stunden Fahrt durch das verschneite Mecklenburg liegen vor den beiden Staatsmännern. Wegen des heftigen Schneefalls, klagen die Protokollbeamten, könnte sich die Ankunft aber erheblich verzögern.
In der Barlach-Gedenkstätte
Mit nur geringer Verspätung trifft der Konvoi der beiden Regierungschefs am frühen Nachmittag in Güstrow ein. Die meteorologische Lage könnte trister nicht sein: Regenschnee. Was Helmut Schmidt nicht weiß: Die Kleinstadt ist hermetisch abgeriegelt, und die Güstrower Bevölkerung von den Straßen ihrer Stadt verbannt. Helmut Schmidt und Erich Honecker besuchen zunächst die Ernst-Barlach-Gedenkstätte im ehemaligen Atelier des Künstlers am Heidberg. Schmidt hatte sich das gewünscht. Der Museumsdirektor führt die beiden Politiker durch die Ausstellung.
Von der Staatssicherheit inszenierter Weihnachtsmarkt
Auf dem Güstrower Weihnachtsmarkt wird Helmut Schmidt und der internationalen Presse ein besonderes Schauspiel vorgeführt - sowohl das zahlreiche Publikum als auch die Verkäufer in den Ständen und Buden bestehen aus Mitarbeitern der Staatssicherheit und eigens instruierten "gesellschaftlichen Kräften", die, so die Forderung des MfS, "unter Einsatz von Licht, Effekten und Weihnachtsmusik eine lockere Atmosphäre" verbreiten sollen. Insgesamt sind an diesem Tag in Güstrow 4.833 Leute des Ministeriums für Staatssicherheit im Einsatz. Schmidt macht gute Miene zum bösen Spiel …
Unter Barlachs "Schwebenden"
Im Güstrower Dom begrüßt Landesbischof Radtke "den Marxisten Erich Honecker und den Christen Helmut Schmidt". Er preist das Gotteshaus als ein Symbol, "das wir gemeinsam haben". Für Honecker ist es das erste Mal, dass er im Rahmen eines Staatsbesuchs eine Kirche betritt. Als aus der Orgel eine Fuge von Bach erklingt, setzt sich Schmidt demonstrativ in eine Kirchenbank und Honecker muss es ihm gleichtun …
"Ich hoffe, wir sehen uns wieder"
Um 16:55 Uhr ist Helmut Schmidts Besuch in der DDR zu Ende. Erich Honecker verabschiedet den Bundeskanzler auf dem Güstrower Bahnhof. "Ich hoffe, wir sehen uns wieder", sagt Schmidt. Durchs Zugfenster reicht ihm Honecker dann noch ein Hustenbonbon ins Abteil. Eine Geste, die ebenso symbolhaft für den Güstrow-Besuch Schmidts geworden ist wie die Hundertschaften von Sicherheitskräften in der Stadt. Punkt 17 Uhr setzt sich der Regierungszug in Richtung Hamburg in Bewegung.