Lothar die Maiziere
Lothar die Maizière Bildrechte: imago/United Archives

Lothar de Maizière: Musiker, Rechtsanwalt, Ministerpräsident

04. Januar 2022, 10:18 Uhr

Ministerpräsident der DDR wollte der Musiker und Rechtsanwalt Lothar de Maizière nicht werden und hatte dann auch ordentliche Bedenken, als er sich nach dem Wahlsieg vom 18. März 1990 genau in dieser Position wiederfand. Doch dann führte er die DDR gewissenhaft und unprätentios zur Wiedervereinigung.

Es ist nicht nur sein kaputtes Schienbein, das Lothar de Maizière am Abend des 18. März 1990 vom Feiern abhält. Während die Parteikollegen über die Hochrechnungen zur Volkskammerwahl jubeln, beschreiben Beobachter seinen Zustand als "verwirrt" und "unglücklich". Durch das Chaos im Palast der Republik verletzt er sich am Bein. Als er am nächsten Tag gefragt wird, ob er nun das Amt des Ministerpräsidenten übernehme, antwortet er: "Ich habe meine Zweifel, ob ich es machen soll. Deutlicher denn je."

Aufgeklärter Protestant

De Maizière entstammt einem, wie er sagt, "aufgeklärten protestantischen Elternhaus". Von Nordhausen zieht die Familie nach Ost-Berlin, wo sich der Sohn bald an einem kritischen Diskussionskreis beteiligt. 1956 tritt er der Block-CDU bei. Er habe ein "Christ in diesem Staate sein" wollen; doch auch ein "Stück Opportunismus" habe eine Rolle gespielt.

Erste Karriere als Musiker

Von 1959 bis 1965 studiert de Maizière Viola in Ost-Berlin und arbeitet anschließend als Bratschist. Wegen einer Nervenerkrankung im linken Arm muss er den Beruf aufgeben. 1975 wird er Rechtsanwalt. Er vertritt Wehrdienstverweigerer und Dissidenten, als Regimekritiker tritt er selbst aber nicht auf. Seine Aufgabe sieht er darin,

für den in Bedrängnis Geratenen da zu sein, und zwar unabhängig davon, ob er selbst oder andere diese Situation verursacht haben.

"Reformer der Ost-CDU"

Am 10. November 1989 tritt Gerald Götting, langjähriger Chef der DDR-Blockpartei CDU, zurück. Die Partei wählt den unbelasteten de Maizière zum Nachfolger. Der "Reformer der Ost-CDU" wird Teil der Regierung Modrow; die CDU soll fortan den Erneuerungsprozess in der DDR mitgestalten. Erst nachdem eine europäische Friedensordnung geschaffen sei, könne man über die Einheit Deutschlands diskutieren, fordert de Maizière zu diesem Zeitpunkt noch.

Doch als Anfang 1990 die Einheitsdiskussion an Fahrt aufnimmt und de Maizière mit dem Wahlbündnis "Allianz für Deutschland" bei der ersten freien Volkskammerwahl am 18. März eine Mehrheit holt, ist es an ihm, die Deutsche Demokratische Republik abzuwickeln.

Anwalt aller DDR-Bürger

De Maizière bildet eine große Koalition und wird am 12. April 1990 als Ministerpräsident der DDR vereidigt. Er ist weder Volkstribun noch ostdeutsche Identifikationsfigur. Aber er bekleidet sein Amt ruhig, glaubwürdig und unprätentiös:

Ich verstehe mich auch in meiner jetzigen Tätigkeit als Anwalt von 16 Millionen Bürgerinnen und Bürgern der DDR. Ihre Probleme sind meine Probleme.

So schafft er es, die Friedliche Revolution von 1989 zu vollenden und einen ebenso friedlichen Weg zur deutschen Einheit zu ebnen. Die DDR-Bürger ermutigt er, sich in einem vereinten Deutschland so einzubringen "wie wir sind, und was wir sind". De Maizières einstige Pressereferentin Angela Merkel sagte 2010: Sein "politisches Ziel, das Freiheitsstreben und das mit der friedlichen Revolution Errungene in rechtsstaatliche Formen zu gießen, hat der deutschen Vereinigung Gestalt gegeben".

Bundeskanzler Helmut Kohl und der damalige Ministerpräsident der DDR , Lothar de Maiziere.
Bundeskanzler Helmut Kohl und DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière 1990. Bildrechte: imago images/Rainer Unkel

Stasi-Vorwürfe

Am 3. Oktober 1990, dem Tag der Deutschen Einheit, beruft ihn Helmut Kohl zwar zum Bundesminister für besondere Aufgaben, doch eine Karriere als Politiker bleibt de Maizière verwehrt. Das liegt vor allem auch an Stasi-Vorwürfen, die Anfang Dezember 1990 aufkommen. Er soll als "IM Czerni" für das Ministerium für Staatssicherheit tätig gewesen sein. De Maizière bestreitet das vehement, eine Prüfung der Unterlagen bringt keine Klarheit. Trotzdem tritt er keine drei Wochen später von seinem Amt als Bundesminister zurück und legt 1991 auch seine anderen politischen Ämter nieder.

Bis heute arbeitet der Vater dreier Kinder als Rechtsanwalt in Berlin. Auch weil er nach dem 18. März 1990 nicht mehr gezögert hat, war Lothar de Maizière der Richtige für das Amt des letzten Ministerpräsidenten der DDR. Er selbst sieht das durchaus kritisch, wie er 2015 der "Süddeutschen Zeitung" anvertraute: "Mein beruflicher Werdegang war ein einziger Abstieg – vom Musiker zum Anwalt und dann zum Politiker."

Der Text ist ein Auszug aus dem Buch "Die Staatsmacht, die sich selbst abschaffte. Die letzte DDR-Regierung im Gespräch", erschienen 2018 im © mdv Mitteldeutscher Verlag, Halle (Saale).

Über dieses Thema berichtet der MDR auch im Fernsehen: MDR-Dok: Die letzte DDR-Regierung | 18.03.2018 | 22:25 Uhr

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