31. August 1990 Unterzeichnung des Einigungsvertrages
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27. August 2021, 12:23 Uhr
Am 31. August 1990 unterzeichneten Wolfgang Schäuble und Günther Krause in Berlin den Einigungsvertrag. Die Verhandlungen über das komplexe Vertragswerk hatten nur acht Wochen gedauert.
Es war ein 900-Seiten-Konvolut, das am 31. August 1990 die Vereinigung der DDR mit der Bundesrepublik Deutschland regelte. Und nach den Worten von DDR-Ministerpräsident Lothar de Maizière war es "eines der bedeutendsten Gesetzeswerke der deutschen Nachkriegszeit". Der Vertrag zur Deutschen Einheit sah als Kernpunkte vor: den Beitritt der DDR (bzw. der dort neu gegründeten Länder) zum Geltungsbereich des Grundgesetzes nach Artikel 23 desselben; die Vereinigung von Berlin zu einem Bundesland, das Hauptstadt Deutschlands werden soll und die Übernahme des DDR-Vermögens sowie der Schuldenhaftung durch die Bundesrepublik.
Die Verhandlungen über das komplexe Vertragswerk hatten nur acht Wochen vorher begonnen. Es war der zweite Staatsvertrag zwischen der DDR und der Bundesrepublik. Der erste regelte die Währungsunion. Auf bundesdeutscher Seite war Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) der Verhandlungsführer, auf ostdeutscher Staatssekretär Günther Krause (CDU).
Übergangsregeln sollen Einigungsprozess erleichtern
Im Wesentlichen ging es darum, Rechtssicherheit im Vereinigungsprozess zu schaffen und die in der Bundesrepublik herrschenden Rechtsnormen auf das Beitrittsgebiet zu übertragen. 45 Paragrafen regelten alle Bereiche des Lebens: Vom Verwaltungsrecht über die Sondervermögen der Deutschen Reichsbahn bis zu den Kehrbezirken der Bezirksschornsteinfeger. Zahlreiche Übergangsregelungen sollten den Einigungsprozess geschmeidig gestalten – und sicherten den zeitweiligen Fortbestand von DDR-Institutionen wie etwa dem Staatsrundfunk (bis Ende 1991).
Gerade um solche Übergangsregelungen wurde bis zuletzt heftig gestritten. Noch in der Nacht vor der Unterschrift feilten die Verhandlungsführer an dem Papier. "Das hat mich furchtbare Nerven gekostet. Man konnte fast verrückt werden", erinnert sich Schäuble. Es ging um so scheinbar lapidare Dinge wie die kommunalen Energieversorger oder um strittige Punkte wie das Abtreibungsrecht, welches in der DDR wesentlich liberaler war.
Das Prinzip "Rückgabe vor Entschädigung"
Und vor allem ging es immer wieder um das Bodenrecht. Wie sollte nach der Vereinigung mit Grundstücken umgegangen werden, die in der DDR nach 1949 enteignet wurden? Die Bundesrepublik drängte auf eine Rückgabe an die ehemaligen Eigentümer – und erntete von der SPD Kritik. Die Bonner Opposition und mit ihr Teile der DDR-Volkskammer sahen durch das Prinzip "Rückgabe vor Entschädigung" all jene benachteiligt, die im Osten Häuser erworben haben, nicht aber die Grundstücke dazu. Trotz aller Proteste wurde der Grundsatz "Rückgabe vor Entschädigung" Teil des Einigungsvertrages – und hat auf Jahre hinaus in Form zahlreicher Eigentumsstreitigkeiten die Gerichte beschäftigt.
Schnelle Wiedervereinigung gewünscht
Einer der letzten strittigen Punkte bei den Verhandlungen über den Einigungsvertrag war das Datum des Beitritts. In einer Sondersitzung in der Nacht vom 22. auf den 23. August 1990 beschloss die Volkskammer mit 294 von 400 Stimmen den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes zum 3. Oktober 1990. Es waren vor allem zwei Argumente, die das Abstimmungsverhalten beeinflussten: Der Wille des Volkes zur schnellen Einheit und die internationale Lage. Die Zwei-Plus-Vier-Verhandlungen zur internationalen Einbettung des Einigungsprozesses zeigten: Deutschland musste die Gunst der Stunde nutzen.
Bereits am 20. September 1990 stimmten beide Parlamente mit der notwendigen Zweidrittelmehrheit dem Einigungsvertrag zu: die Abgeordneten der Volkskammer mit 299 von 380 Stimmen, die des Bundestags mit 442 von 492 Stimmen. Mit dem Einigungsvertrag endete ein einmaliger Prozess: Ein Staat löste sich friedlich und demokratisch selbst auf. In der Rückschau wird der Einigungsvertrag überwiegend positiv bewertet, auch wenn Günter Krause später resümiert: "Wenn man sich den Einigungsvertrag zur Hand nimmt, kann man etwa 40 Prozent nicht realisierter Vertragsgegenstände herauslesen."
Über dieses Thema berichtete der MDR auch im TV: 30.06.2020 | 19:00 Uhr