8 mm Freiheit Das "unsichtbare" Visier: Hobbyfilmer in der DDR

05. August 2020, 13:17 Uhr

Etwa 100.000 DDR-Amateurfilmer drehten viele Filmminuten auf 8 mm, Super 8 oder sogar 16 mm. Diese ganz privaten Zeugnisse erzählen - mal linientreu, mal harmlos, mal versteckt erotisch - vom Leben in der DDR. Vieles von dem, was gedreht wurde, fiel unter die staatliche Kontrolle der 500 Filmclubs. Aber nicht alles: Es entstanden auch Bilder abseits ideologischer Vorgaben, auf Filmrollen, die "übrig" waren. Weil es die nicht im Überfluss gab, wurde jede Filmsekunde abgewogen und kurz gehalten.

Das offizielle Bild der DDR-Wirklichkeit in Film- und Fernsehen folgte weitgehend der Regie sozialistischer Propagandisten. Man präsentierte einen Alltag, wie ihn sich führende SED-Genossen wünschten: planerfüllende Arbeiter, Ernte einbringende LPG-Bauern, Kampfgruppen-Mitglieder voller Enthusiasmus, Pioniere und FDJler mit entschlossenen Gesichtern beim Fahnenappel. Wer heute den "Augenzeugen", die Wochenschau, die von 1946 bis 1980 in den DDR-Kinos lief, anschaut, bekommt genau diese zurechtgemachte DDR zu sehen.

Unverkrampft privat: 8 mm Freiheit

Ein anderes, ausschließlich privates Bild vom Leben in der DDR, zeigen dagegen die vielen Streifen, die ostdeutsche Hobby-Filmer in 40 Jahren gedreht haben. Gefilmt wurde meist auf 8 mm. Kameras und Projektoren gab es in den Fotogeschäften zu kaufen – Filme von ORWO ebenso. Anders als die Amateurfilmer, die sich in Gruppen organisiert hatte, staatlich gefördert wurden und deren Arbeiten auch der staatlichen Kontrolle unterlagen, hielten die Hobbyfilmer meist einfach drauf. Ihre Motive sind auf den ersten Blick nicht sensationell: Der Tanz in den Mai, Urlaub am Strand, Geburtstags- und Einsegnungsfeiern, der Weihnachtsbraten und die Silvesterparty. Doch genau dieser Blick, der rein privat, ja naiv und meist mit viel Freude auf sein Lebensumfeld schaut, offenbart mitunter ein Gegenstück zum offiziellen Bild des Lebens in der DDR.

Enttäuschte Erwartungen und Trommeln für den SED-Chef

Einen großartigen Blick auf offenbar enttäuschte Erwartungen offenbart uns beispielsweise ein Bäckermeister aus Döllnitz - einem Dorf zwischen Halle und Leipzig. Er filmt den Tanz in den Mai: 1946 und ein Jahr später. An den Gesichtern der Protagonisten lässt sich ablesen, wie die Hoffnung auf einen Neuanfang zwei Jahre nach Kriegsende bei so manchem im Ort in Ernüchterung umgeschlagen ist. Ein anderer Hobbyfilmer hat seine Kamera dabei, als er in den 1950er-Jahren mit dem Fahrrad durch Westdeutschland reist. Durchaus spannend, was er so anvisiert. Neben schönen Landschaften, begeisterten ihn besonders volle Schaufenster und blitzblanke, nagelneue Autos. Unbestreitbar einer der Höhepunkte in Teil zwei unserer Serie "8 mm DDR" ist eine Studentenparty in Karl-Marx-Stadt. Nach reichlich vielen Schnäpsen bringen die Studenten Erich Honecker ein "Ständchen".


Über dieses Thema berichtete MDR ZEITREISE auch im: TV | 28.07.2020 | 22:10 Uhr und 04.08.2020 | 22.10 Uhr