Im Gespräch mit Filmwissenschaftler Ralf Forster - Teil 2 Amateurfilm in der DDR
Hauptinhalt
22. Oktober 2021, 14:41 Uhr
Linientreu, erotisch oder kritisch: In hunderten Filmstudios dokumentierten Hobbyfilmer der DDR Familienerlebnisse, ihren Arbeitsalltag oder den 1. Mai - allerdings unter staatlicher Aufsicht. Ein Gespräch mit dem Filmwissenschaftler Ralf Forster über den Amateurfilm in der DDR.
Was ist charakteristisch für den DDR-Amateurfilm?
Amateurfilm in der DDR ist nicht gleichzusetzen mit Privatfilm. Amateurfilmer hatten einen künstlerischen Anspruch an ihre Filme, wollten sie anderen zeigen, während die Privatfilmer vor allem ihr familiäres Umfeld dokumentierten. Wichtig für die DDR-Amateurfilmer war, dass es eine soziale Praxis des technisch-künstlerischen Arbeitens gibt. Das heißt, dass der Zusammenhalt groß war, wie in einer Familie. Man hat eben viel zusammen gemacht. Schon die Räume waren bei vielen sehr familiär eingerichtet.
Auch der Erfolg vor der Gruppe oder einer kleinen Öffentlichkeit - Brigaden etwa - hat zusammengeschweißt. Das alles war fast noch wichtiger als am Ende die Filme. Da gab es also noch was, neben Arbeiten, Familie und Schlafen. Das war das Filmen. Man hat sich also unter Ausnutzung der Strukturen eingerichtet, sich durchgewurschtelt und so Freiheiten des Hobbys erkämpft.
Wie schwer war es in der DDR, an das Material zu kommen?
Im 8-mm-Bereich war das schon möglich. Schon Ende der 30er-Jahre war die Szene relativ groß. Da gab es die ersten Kameras und Projektoren - auch in Deutschland. Zu DDR-Zeiten war der Film genau so teuer wie im Westen. Eineinhalb Minuten 16-mm-Film kosteten mit Entwicklung mehr als 20 Mark. Dabei muss man bedenken, dass ein Brötchen fünf Pfennig kostete. Im Vergleich zu Nahrungsmitteln und Mieten in der DDR war das Filmen damit recht teuer.
Wie sah es technisch aus? War man auf dem viel gepriesenen "Weltniveau"?
Gedreht wurde in Schwarz-Weiß und Farbe. Ab den 1960er-Jahren hat sich dann der Farbfilm verbessert. Kompliziert war die Situation mit dem Ton. Während im internationalen Bereich mit Super-8 und Live-Ton-Kameras gearbeitet wurde hatte man in der DDR ein echtes Problem. Die meisten Amateurfilmer konnten keinen Live-Ton aufnehmen. Man musste also nachvertonen: Musik, Geräusche und der Atmo-Ton wurden später zusammengeführt.
In den meisten Filmen hört man keinen Originalton, keine Schritte. Das war eines der zentralen Probleme. Man war also nicht konkurrenzfähig, weil man technologisch nicht weiter kam. Importierte Technik hatte man nur in den wenigsten Fällen zur Verfügung, wie bei dem Film "Schritte des anderen" von Andreas Dresen, wo Arriflex-Technologie zum Einsatz kam.
Wie sieht es heute mit dem Bestand aus?
Es gibt einen beträchtlichen Schwund. Bei dem Material, das wir heute kennen, geht es überwiegend um Filme, die bei offiziellen Wettbewerben liefen. Man kann da also immerhin eine Oberschicht des DDR-Amateurfilms sehen - wie die DDR-Amateurfilme im Sächsischen Staatsarchiv zeigen. Der meiste Bestand verblieb allerdings bei den Studios beziehungsweise Filmemachern oder wurde nach 1990 vernichtet. Einiges konnte das Filmmuseum Potsdam retten. Oft war es auch so, dass die Filmemacher ihr Material nach der Schließung des Betriebs mit nach Hause nahmen und dann verstorben sind. Es ist also zu hoffen, dass einige DDR-Amateurfilme wieder auftauchen werden.
Ralf Forster
ist Filmtechnikhistoriker am Filmmuseum Potsdam und stellvertretender Sammlungsleiter.
Er ist unter anderem spezialisiert auf Dokumentar-, Privat- und Heimatfilm. 2013-2016 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Filmuniversität Babelsberg "Konrad Wolf" beschäftigt. Dort forschte er im Rahmen des DFG-Projektes "Regionale Filmkultur in Brandenburg" zum Amateurfilm in der DDR. Seine daraus entstandene Abschlusspublikation "Greif zur Kamera, gib der Freizeit einen Sinn", zu den sozialen und künstlerischen Aspekten des DDR-Amateurfilms, erscheint 2018 bei etk München.
Über dieses Thema berichtet der MDR auch im Fernsehen:
Der Osten im Privatfilm - 8mm DDR
Teil 1 | 28.07.2020 |22.05 Uhr