Menschen auf einer Bühne vor großer Leinwand
Macher und Protagonisten mit einem Teil des Publikums Bildrechte: MDR

18.02.2025 | Reichenbach MDR mit "Wut"-Doku auf Tuchfühlung mit dem Publikum in Reichenbach

24. Februar 2025, 10:43 Uhr

Mehr als 70 Gäste aus der Region waren gekommen, um den zweiten Film der "Wut"-Reihe zu sehen. Überraschend viele kennen den ersten Teil "Wut. Eine Reise durch den zornigen Osten" nicht. Die Ansichten der Gäste sind vielfältig: Von links denkenden Menschen bis hin zum führenden AfD-Funktionär der Stadt spannte sich der Bogen.

Alle verfolgten interessiert den Film. Kurz vor der Wahl fängt die Reportage ein Stimmungsbild im Osten ein. Sind die Menschen wirklich so wütend wie medial dargestellt? Filmemacher Matthias Schmidt trifft vor allem auch auf Mut und Ideenreichtum.

Nicht nur Wutbürger und Rechtsextreme

"Was mich ärgert, ist, dass auch heute noch, im Jahr 2025, holzschnittartig über den Osten berichtet wird", moniert Christian Bollert in der Doku und auch am Abend live vor Ort. Der Leipziger Unternehmer und Journalist hat unter anderem das Portal "Wir sind der Osten" mitgegründet um zu zeigen: ‚Der Osten‘ sind nicht nur Wutbürger und Rechtsextreme. Bollerts Kritik: Über die Menschen im Osten werde häufig gesprochen, mit ihnen jedoch zu selten. Das soll heute Abend anders sein.

Protagonisten und Filmemacher stellen sich den Fragen

Menschen unterhalten sich auf einer Bühne
Podiumsdiskussion mit Anja Ernst, Matthias Schmidt, Sidney Witzel und Christian Bollert, es moderiert Thomas Bille (v.l.) Bildrechte: MDR

Drei der Protagonistinnen und Protagonisten stehen nach der Filmvorführung gemeinsam mit Filmemacher Matthias Schmidt Rede und Antwort zu ihrem Bild vom Osten, zu ihren Erfahrungen, zu ihrer Wut und vor allem auch ihrem Mut. Darunter Anja Ernst, eine Familienunternehmerin aus dem Eichsfeld, Christian Bollert und die junge Rapperin Sidney Witzel aus Halle.

Das Publikum hat Fragen und Einzelne, wie der 1983 geborene Randy, wollen auch ihre Geschichte erzählen. Denn es gibt eben nicht nur DIE EINE Erzählung über die 90er und Nullerjahre im Osten und das daraus resultierende gesellschaftliche Klima heute.

Fragen danach, wie eigentlich Protagonisten gefunden werden, gab es genauso wie kritische Fragen nach "gesetztem Publikum" in Talkshows oder Personalien wie Peter Hahne und Uwe Steimle und der Umgang des MDR diesen "Mitarbeitern". Vieles konnte hier im Gespräch geradegerückt werden. MDR Kultur-Moderator Thomas Bille führte durch den Publikumsdialog und ließ vor allem die Protagonisten selbst und Filmemacher Matthias Schmidt antworten.

Ideales Format

Besucher Thomas hatte mit seiner Frau den Veranstaltungstipp im Radio gehört und ist spontan gekommen. Auch er erzählte von seinen eigenen Erfahrungen. Sein Fazit am Ende des Abends:

Das ist absolut schön gewesen. Erstens wird man durch das Thema des Films aufgeschlossen, weil er einen Heimatbezug hat, weil viele Leute, die als Zuschauer hier sind, viele Dinge wiedererkennen oder sich erinnern. Damit ist das Eis gebrochen zwischen denjenigen, die so einen Film produzieren und uns. Und dann ist auch der Einstieg ins Gespräch relativ leicht. Das hat man heute ja schön gemerkt, dass die Fragen doch ziemlich locker und unaufgeregt kamen. Das Format ist dafür ideal.

Thomas Brettschneider aus Reichenbach

Viel Aufmerksamkeit für den Film

Vergangene Woche war Filmemacher Matthias Schmidt noch bei den letzten Dreharbeiten – einem Hubschrauberflug im Eichsfeld, während parallel der Film bei Savidas film in Erfurt fertig geschnitten wurde: "Wir produzierten mit einer kleinen Truppe und haben das alles rechtzeitig geschafft, auch wenn es sportlich war."

Jetzt fühlt er sich glücklich und leer. Kein Wunder, hatte der Grimme-Preisträger doch am Dienstag einen Interviewmarathon hingelegt und genießt am Abend nach der Veranstaltung, "dass die Aufmerksamkeit so groß war, dass ich im ARD-Mittagsmagazin saß heute und im MDR-Nachmittagsprogramm. Und jetzt haben wir eine herrliche Premiere in Reichenbach erlebt, die auch wirklich ein Erfolg war. Das ist gut angekommen bei den Menschen!"

Zuhören und nicht belehren

Das meint auch MDR-Redakteurin Anja Weber: "Wir waren schon ein bisschen nervös, weil der erste Teil so viel positives Echo erzeugt hat". Die Reaktionen der Menschen vor Ort haben das Konzept des Teams von Autor Matthias Schmidt, MDR-Redaktion und Produktionsfirma Savidas film bestätigt: "Zuhören" und nicht "Belehren" kam beim Publikum sehr gut an.