02. März 2023 | Spremberg Frauenpower auf den Giganten im Lausitzer Revier
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10. Mai 2023, 17:59 Uhr
Im Vorfeld des Frauentags am 8. März beeindruckte die dreiteilige MDR-Doku-Serie „Kohlefrauen“ das Premierenpublikum in Spremberg. Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen, Familienangehörigen und dem Film-Team feierten die Frauen aus dem ostdeutschen Braunkohlerevier „ihre“ Doku-Serie.
Anfang März gab es auf den Straßen in Spremberg nur ein Thema: Der MDR kommt zur Premiere der neuen Doku-Serie „Kohlefrauen“ ins Lausitzer Revier. Das Premienkino am Markt war Tage vorher schon komplett ausgebucht, so dass vom Kinobetreiber gleich eine zweite Vorstellung für alle Interessierten angesetzt wurde.
Baggerfahrerin, Kraftwerkerin, Lokführerin und Schichtleiterin treffen auf Filmemacher
Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen, Familienangehörigen, dem Team um die Produktionsfirma Telekult mit Produzentin Heike Kunze und Autorin Meike Materne sowie Pressevertretern und MDR-Redakteurin Ina-Katrin Hüttig feierten die Frauen aus dem ostdeutschen Braunkohlerevier „ihre“ Doku-Serie. Beim gemeinsamen Schauen wurde deutlich, wie stark, bodenständig und selbstbewusst die Frauen sind. Sie sind Baggerfahrerin, Kraftwerkerin, Lokführerin, Schichtleiterin, sie arbeiten in typischen Männerberufen - und seit Monaten in einem ständigen Spannungsfeld. Eben noch von Kohlegegnern beschimpft, retten sie mit ihrer Arbeit jetzt das Land vor einem drohenden Blackout. Der Kohleausstieg ist längst beschlossen, doch aktuell wird die Kohle durch den Krieg in der Ukraine und die Energiekrise mehr denn je gebraucht.
Spezifische Arbeitskultur ostdeutscher Frauen
Seit nunmehr 30 Jahren befindet sich das ostdeutsche Braunkohlerevier in einem tiefgreifenden Transformationsprozess. In der Lausitz sind seit der Wende 180.000 Arbeitsplätze verloren gegangen und nur wenige neue entstanden. Mit dem Kohleausstieg 2038 werden die letzten 8.000 Industriearbeiter die Tagebaue verlassen, 18 Prozent davon Frauen. Mit dem Aus der Kohleförderung wird es dann auch weibliche Bergleute auf Tagebaugroßgeräten nicht mehr geben. Diese spezifische Arbeitskultur ostdeutscher Frauen - gut ausgebildet mit dem Selbstverständnis, technisch anspruchsvolle Maschinen beherrschen zu können - wird dann Geschichte sein.
„Frauen im Bergbau, das ist ein ostdeutsches Phänomen. In den westdeutschen Revieren arbeiten keine Frauen in den Gruben oder Tagebauen. Wir wollen diesen Frauen eine Stimme geben – und auch ein Denkmal setzen. Sie sind keine Exoten, sondern sehen sich und ihre Arbeit – zwischen vier Schichten, Familienalltag selbst mit kleinen Kindern als etwas ganz Normales an. Das beeindruckt,“ sagt Redakteurin Ina-Katrin Hüttig auf die Frage, wie es zu dem Serien-Projekt kam.
Schwieriger Familienalltag im Schichtsytem
Christin Schreiber (32) arbeitet bereits seit 16 Jahren in der Kohle. Die Größe eines Schaufelradbaggers fasziniert sie noch immer und sie ist stolz, so ein Gerät bedienen zu können. Weil aktuell viel mehr Kohle gebraucht wird, müssen Christin Schreiber und ihre Kollegeninnen seit Wochen statt drei nun vier Schicht fahren. Das bedeutet sieben Tage Arbeit in Folge, danach zwei Tage frei. Die vierte Schicht ist für die bisher kinderlose Frau aus Hoyerswerda kein Problem.
Für ihre Freundin Caro Kliemann allerdings schon. Sie ist Mutter einer fünfjährigen Tochter und arbeitet mit ihrem Mann in derselben Schicht auf dem Kohlelagerplatz in Nochten/Reichwalde. Mit der zusätzlichen Schicht ist der Familienalltag noch schwieriger zu organisieren. Ohne Unterstützung der Eltern könnte die 33-Jährige ihren Beruf längst nicht mehr ausüben.
Zukunft in der Heimat
In der Serie erzählen die Kohlefrauen von ihrem Spagat zwischen Schichtarbeit und Familienalltag und den Zukunftsaussichten in ihrer Heimat. Die gegenwärtige Energiepolitik kann sie nicht überzeugen. Sie vermissen vor allem eine tragfähige Strategie – und Verbindlichkeit, damit sie und ihre Familien für die Zukunft planen können.
Emotionaler Höhepunkt der Premiere war das Steigerlied, gemeinsam gesungen von den Protagonisten auf der Bühne und dem Publikum im Saal. Ein herzlicher Dank von den Kohlefrauen ging an das Drehteam um Kameramann Markus Zergiebel und Autorin Meike Materne. Und dann verabschiedeten sich einige von ihnen in die Nachtschicht.