08.10.24 | Halle MDR-mittendrin Preview anlässlich des 5. Jahrestages des Terroranschlags in Halle und Wiedersdorf
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15. Oktober 2024, 12:39 Uhr
Fünf Jahren nach dem rechtsextremen Terror-Anschlag in Halle und Wiedersdorf mit zwei Toten und zwei Verletzten sowie etlichen traumatisierten Menschen hat der MDR die Geschehnisse von damals aus Sicht der Betroffenen in einer einfühlsamen Dokumentation rekonstruiert. Bei der Preview am 8.10.2024 im Hallenser Puschkinhaus gibt es für den Film viel Dankbarkeit und Lob.
Die 90-minütige Dokumentation „Der Anschlag – Terror in Halle und Wiedersdorf“ von „42film“ aus Halle im Auftrag des MDR zeichnet erstmals die dramatischen Geschehnisse vom 9. Oktober 2019 nach: Zwei Menschen starben, zwei wurden verletzt, unzählige weitere wurden traumatisiert. Der Film, der am 8. Oktober 2024 um 20.15 Uhr im MDR-Fernsehen ausgestrahlt wurde und als vierteilige Serie in der ARD Mediathek abrufbar ist, dokumentiert als reines O-Ton-Stück ganz ohne Sprechertext minutiös den Terroranschlag aus Sicht der Betroffenen – als multiperspektivische Erzählung der Überlebenden aus der Synagoge, dem „Kiez-Döner“ und aus Wiedersdorf.
Preview und Podiumsdiskussion im Puschkinhaus
Zu der von MDR-Aktuell-Moderator Sven Kochale geführten mittendrin-Veranstaltung im Puschkinhaus kommen mehr als 100 Gäste, um die Preview und anschließende Diskussionsrunde zu erleben, zu der MDR-Programmdirektorin Jana Brandt eingeladen hatte.
„Wir wollen mit Ihnen ins Gespräch kommen“, sagt Moderator Sven Kochale zum Auftakt. Die Leiterin der Hauptredaktion Gesellschaft, Christina Herßebroick, begrüßt Sachsen-Anhalts Kultur- und Medienminister Rainer Robra (CDU), den Regierungssprecher des Lande Matthias Schuppe und Halles Bürgermeisterin für Kultur Judith Marquardt unter den Gästen. „Wir wollen heute gemeinsam mit Ihnen schauen, was der Anschlag mit den Betroffenen gemacht hat, wir zeigen die Opferperspektive“, betont Christina Herßebroick.
MDR-Dokumentation ist mehr als eine Chronik
Judith Marquardt dankt dem MDR, dass er die Ereignisse dokumentarisch aufgearbeitet hat. „Diese Dokumentation ist mehr als eine Chronik, sie ist ein Zeugnis und ein Handlungsaufruf“, sagt sie. Sie hoffe, dass der Film viele Menschen bewege und deutlich mache, dass so etwas nie wieder passieren dürfe. Bei der anschließenden Filmvorführung ist es ganz still im Saal. Rainer Robra erklärte danach, er sei dem MDR für den Film sehr dankbar, weil die Ereignisse und die Perspektiven der Betroffenen sehr anschaulich dargestellt würden. „Es ist eine Dokumentation im besten Sinne, die nicht altern wird, die gültig bleibt“, sagt Rainer Robra.
In der Diskussionsrunde kommen die Betroffenen, die Filmemacher und das Publikum zu Wort: Es geht um die Verarbeitung der Ereignisse, das Verhalten der Polizei am Tag des Anschlags, das Agieren der Politik seither. Max Privorozky von der jüdischen Gemeinde Halle und Ismet Tekin vom ehemaligen „Kiez-Döner“ loben die MDR-Dokumentation und wünschen sich irgendwann sogar eine Fortsetzung, einen zweiten Film, der die Zeit und das Verarbeiten nach dem Anschlag aus Opfersicht beleuchtet.
Endlich auch den Wiedersdorfern eine Stimme gegeben
Auch der Wiedersdorfer Steffen Kurz empfindet den Film als „sehr gelungen“, weil es – anders als in der medialen Berichterstattung oftmals – in der MDR-Dokumentation auch um sein Dorf gehe. „Wir wussten, dass Wiedersdorf in der medialen Berichterstattung immer hinten runtergefallen ist, uns war wichtig den Betroffenen aus Wiedersdorf in unserem Film eine Stimme zu geben“, erklärt die verantwortliche Redakteurin Ina-Katrin Hüttig. Christoph Peters von „42film“, der gemeinsam mit der MDR-Autorin Marie Landeszwei Jahre lang an der Dokumentation gearbeitet hat, dankt der Mobilen Opferberatung für das Herstellen des Kontakts zu den beiden damals verletzten und bis heute traumatisierten Menschen in Wiedersdorf, die bislang keine Medienöffentlichkeit gesucht hätten - auch weil sie bis heute unter den Folgen des Angriffs leiden.
Sensibler Umgang mit den Betroffenen
Antje Arndt von der Mobilen Opferberatung lobt den sensiblen Umgang des MDR mit den Betroffenen. Der MDR habe auch von Beginn an zu den wenigen Medien gezählt, die den Namen des Täters nicht genannt hätten. „Es ist so wichtig, dass der Film rein aus Opfer-Sicht erzählt wird“, sagt Antje Arndt. „Wir wollten dem Täter auf keinen Fall eine Plattform geben“, ergänzt Ina-Katrin Hüttig. Es sei sehr verantwortungsvoll über den Film und seine Machart diskutiert und abgewogen worden.
Im Publikum sitzen auch viele junge Leute. Der 24-jährige Karl Schäfer sagt, die Veranstaltung habe ihm sehr gefallen und die Diskussionsrunde vieles verdeutlicht. „Die Perspektive des Films war gut, es ging nicht um den Täter, sondern um die Opfer“, sagt Karl Schäfer. Auch die 26-jährige Josen erklärt, „ich fand es sehr gut, dass der Film aus der Opferperspektive gezeigt wurde, das hat mir auch nochmal mehr Anstoß gegeben, mich weiter mit dem Thema zu befassen. Das ist auch besonders wichtig, weil Antisemitismus aktuell ist und schon immer aktuell war – leider“.
Die Doku-Serie „Der Anschlag“ abrufbar bei ARD Crime Time in der ARD Mediathek (3 x 30 Minuten plus eine Bonusfolge „Das Trauma - Wir haben den Anschlag überlebt“)