Basketball Basketball-Aufschwung in Mitteldeutschland mit Nebenwirkungen
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09. Februar 2024, 09:15 Uhr
Was hat der WM-Titel dem deutschen Basketball gebracht? Gibt es einen Boom? Wir haben mit mitteldeutschen Machern über die Lage in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gesprochen. Es sei ein Aufschwung mit Problemen.
Die Zahlen sprechen eine klare Sprache: "Wir stellen ein enormes Wachstum fest. Zwischen 16 und 20 Prozent. Was Spielerpässe und Mitglieder betrifft. So viele hatten wir noch nie", sagt Daniel Lindner vom Basketballverband Sachsen-Anhalt. Man sei "überwältigt" von dem Zulauf.
In den vergangenen Jahren habe es auch acht neue Vereine im Land gegeben. Dabei beriet er als Koordinator für Verband- und Vereinsentwicklung die Newcomer. Als Erfolgsfaktoren nennt er den WM-Titel 2023 und die Heim-EM 2022, die mit Bronze endete. Auch die glamouröse nordamerikanische Profi-Liga NBA heize das Interesse an.
"Aufnahmestopps bei vielen Vereinen"
Problemlos gehe der Aufstieg aber nicht vonstatten: "Durch meine Tätigkeit habe ich viel Kontakt zu den Vereinen. Bei vielen gibt es einen Aufnahmestopp. Es fehlt an Hallenzeiten und an Trainern." Es gebe zu wenig Sporthallen, viele seien ohnehin sanierungsbedürftig. Im Winter kämen die Fußballer als Konkurrenten dazu. Daniel Lindners Wunschvorstellung: "Man stelle sich einmal vor, dass neben jedem Fußballplatz auch noch eine Sporthalle stehen würde."
Mini-Körbe tragen jetzt Früchte
Auch der Deutsche Basketball-Bund habe für Nachwuchs gesorgt. Mit der Einführung von Mini-Regeln ab 2015. Die Bälle seien kleiner, die Körbe anstatt 3,05 nur noch 2,60 Meter hoch. Das habe "für viel Zuwachs im Mini-Bereich unter zwölf Jahren" gegeben. Bis 2032 wolle der DBB dafür kämpfen, dass alle Grundschulen in Deutschland ein Basketball-Angebot hätten. Damit meint er eine Schul-AG oder zumindest einen speziellen Basketball-Aktionstag: "Neue Regeln funktionieren nicht von heute auf morgen, da braucht es Zeit. Jetzt trägt es Früchte."
WM-Titel als "zusätzlicher Impuls"
Thüringens Landestrainer Tino Stumpf sagte "Sport im Osten": "Der WM-Titel dient als zusätzlicher Impuls, ein Effekt ist spürbar, aber es gab keine entscheidende Auswirkung". Denn schon vorher hätten die Vereine im Freistaat einen "großer Mitgliederzulauf" erlebt. Es handele sich dabei um eine Art Nach-Corona-Phänomen, bei dem viele Sportvereine Zuwächse bekommen hätten.
Hallen stießen an Kapazitätsgrenzen
Trainerkollegen hätten auch ihm schon von Aufnahmestopps berichtet, weil eine Gruppe mit 30 Personen in einer kleinen Schulturnhalle an die Kapazitätsgrenze stoße. Drei Problembereiche hat der erfahrene Trainer Stumpf, dessen Vater Joachim einst als Präsident den SSV Weißenfels als erste Ost-Mannschaft in die Bundesliga führte, ausgemacht: Die Hallenkapazitäten der Städte seien oft "begrenzt", er berichtet von Gera, wo es "unfassbar schwer, fast unmöglich" sei, an neue Hallenstunden zu kommen.
Lehrer statt Basketball-Trainer
Bei den Trainern sei die Personal-Entwicklung "eher negativ": "Der Trainermarkt in Deutschland hat deutlich mehr Stellen, an denen qualifiziertes Personal gesucht wird". Tino Stumpf spricht von einer "Sogwirkung" durch den vereinfachten Zugang zum Lehrerberuf. Ein ehemaliger Nachwuchsleiter in Würzburg sei nun Lehrer in Dresden. Das dritte Problem betrifft den weiblichen Nachwuchs. Bei der U14 zum Beispiel bekomme man nicht "einmal annähernd so viele Mädchen wie Jungs in die Vereine".
Mehr Mädchen sollen für Basketball begeistert werden
In Sachsen ist man sich der Problematik mit der geringen Anzahl an Frauen und Mädchen bewusst: "Wir arbeiten intensiv daran", sagt Jugendwart Stefan Mähne vom sächsischen Landesverband. In der U14 gebe es landesweit nur acht Mädchen-Teams. Das soll besser werden. Sein eigener Verein, Zweitligist Dresden Titans, habe auch keine weibliche Abteilung, nach den U12-Mädchen sei Schluss.
Einen Basketball-Boom nimmt er aber schon wahr: "Alle Vereine platzen aus allen Nähten. Hier in Dresden haben die kleineren Vereine schon fast alle einen Aufnahmestopp. Und auch wir bei den Titans können von den Trainer- und Hallenkapazitäten her an unsere Grenzen." Im vergangenen Jahr hätte es bei den Titans 120 neue Mitglieder gegeben.
"Am besten schon Jahre vorher kümmern"
Um die Hallenproblematik in den Griff zu bekommen, müssten mehr neue Hallen gebaut werden: "An neue Zeiten heranzukommen ist derzeit fast nicht machbar." Bei neuen Bauten müsste man sich "am besten schon Jahre vorher kümmern. Da stürzen sich dann alle auf die Hallenzeiten".
Bei den Trainern gebe es in Mitteldeutschland viele Trainer unter 40 Jahren. Die Generation von 40 bis 60 Jahren sei aus historischen Gründen kaum vorhanden, weil die DDR die Förderung des Basketballs im Jahr 1969 eingestellt hatte.
"Viele interessieren sich für die Niners"
Der aktuelle Höhenflug des Bundesliga-Teams der Niners aus Chemnitz sorge für eine gewisse Anziehungskraft: "Da interessieren sich viele dafür, auch aus Dresden fahren da viele hin".
Ihn wird das freuen: Niners-Geschäftsführer Steffen Herhold: "Der WM-Effekt ist toll, es war ein sensationeller Titel, da gab es eine große Euphorie, man merkt es, wenn wir hier Bayern München empfangen und die Nationalspieler Andreas Obst und Nils Giffey freudig begrüßt werden. Aber ich glaube, hier in Chemnitz hätten wir auch ohne WM die Situation, wie wir sie jetzt haben."
Die Niners würden "jedes Jahr wachsen", man schicke niemanden weg, bei den U10 oder U14 erreiche man dennoch Kapazitätsgrenzen. Dann wolle man anderen Vereinen helfen, so das die Kinder vor Ort spielen können.
Niners: Jetzt geht es um Nachhaltigkeit
Signifikant für Gesamtdeutschland seien für ihn die Zahlen aus Orten, die keine traditionellen Basketball-Standorte sind: "Dort kann man gut ablesen, dass Kinder Basketball spielen." Da käme viel Arbeit auf die Vereine zu, die Struktur so zu legen, dass man den Kindern Angebote machen könne: "Es geht um Nachhaltigkeit. Jeder Verein muss sich da vor den Karren spannen lassen."
cke/rac
Dieses Thema im Programm: MDR AKTUELL | 05. Februar 2024 | 11:40 Uhr
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