Selbstbestimmt-Reportage Uma und ihre Geschwister - Mein Familientagebuch (3)
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19. Juli 2024, 12:07 Uhr
Uma ist 11 Jahre alt und Ebbas ältere Schwester. Sie braucht noch immer Hilfe beim Anziehen, beim Gang zur Toilette, beim Zubereiten des Essens. Oft wird Ebba erklärt, warum das so ist - dass Uma eine Behinderung hat. Was das bedeutet, ist für sie schwer zu begreifen. Fühlt sich Ebba im Schatten ihrer großen behinderten Schwester? Findet sie genügend Beachtung und wann geht es im Familien-Alltag mal nur um sie? Tabea Hosche erzählt davon im dritten Teil ihres Familientagebuchs.
Schon früh nimmt Ebba im Alltag die Rolle der Älteren ein. Sie merkt, dass daran etwas schräg ist. Warum soll sie immer einlenken, wenn Uma bockig ist und nicht kooperieren will? Reicht es nicht, dass sie auf ihren kleinen Bruder Rücksicht nehmen muss? Immer mehr verändert sich ihr Verhältnis zur älteren Schwester. Dabei war sie es, die anfangs als Bindeglied zwischen Eltern und Uma agierte.
Ich verstehe es nicht so. Uma muss die Mutige sein, weil sie ja groß ist, aber immer mache ich alles. Und ich weiß nicht, warum das so ist. Ich komme immer auf die Idee, dass es an ihrer Behinderung liegt, aber ich weiß es nicht.
Uma ist aufgrund eines seltenen genetischen Defekts geistig beeinträchtigt, schwerhörig, hat Epilepsie und eine schwere Sprachentwicklungsstörung.
Und sie ist mit elf Jahren die älteste von drei Geschwistern: Ebba ist acht und Bruder Joseph gerade mal drei Jahre alt.
Ebba und Joseph wachsen mit Umas Beeinträchtigung auf. Die vielen Arzt- und Therapietermine, die Krankenhausaufenthalte, die besondere Zuwendung der Eltern für Uma sind für sie Alltag.
Gehäufte Konflikte
Mutter Tabea bemerkt, dass es zwischen den beiden Schwestern immer stärkere Reibereien gibt, je älter sie werden. Fühlt sich Ebba benachteiligt? Steht sie im Schatten ihrer beeinträchtigten Schwester? Ist Tabea zu viel mit Uma beschäftigt und hat deshalb Ebba aus den Augen verloren?
"Die ersten Jahre mit Uma, die waren geprägt von ganz viel Sorgen um sie. Tatsächlich auch um ihr Leben. Wir waren ganz viel in Krankenhäusern, sie musste mehrfach operiert werden, hat schlecht Luft bekommen, hat die Epilepsie entwickelt. Es war einfach echt eine zermürbende Zeit. Und ich weiß, dass ich, als die Ebba dann auf die Welt kam, drei Jahre nach Uma, ich oft so mit meinen Gedanken um Uma gekreist bin. Und ich denke irgendwie: Klar wird sie das gespürt haben, und dass das Auswirkungen auf sie hat", erinnert sich Tabea Hosche.
Als völlig unerwartet das jüngste Kind, Joseph, im Alter von zwei Jahren einen epileptischen Anfall erleidet, steht die Familie Kopf. Was kann die Ursache dafür sein? Kann es sich um denselben genetischen Defekt wie bei Uma handeln? Oder ist es etwas ganz anderes?
Zeit für Ebba
Als sich der erste Schreck gelegt hat, wird den Eltern bewusst, wie sehr die Sorge um Joseph auch Ebba belastet. Was würde es für sie bedeuten, wenn auch ihr Bruder beeinträchtigt wäre? Ihnen wird klar, dass es nach langer Zeit einmal nur um Ebba gehen muss. Sie melden sie in einem Kurs an, in dem sich Geschwister von Kindern mit Behinderung austauschen können.
Ein halbes Jahr besucht Ebba den Geschwisterkurs und ich habe wirklich das Gefühl, dass es ihr guttut, dort in Kontakt zu sein mit Kindern, denen es genauso geht wie ihr.
Außerdem entschließt sich Tabea, zusammen mit ihrer Tochter Ebba für drei Wochen in eine Mutter-Kind-Kur zu fahren.
Klar können drei gemeinsame Wochen jetzt nicht alles irgendwie auflösen, aber ich merke, es fühlt sich an wie ein Anfang und der tut uns beiden gut.
Familientagebuch Seit 2012 begleitet Tabea Hosche das Leben ihrer Tochter Uma mit der Kamera. Die Filmemacherin hält schonungslos ehrlich fest, was es für sie, ihren Mann und für die Geschwister Ebba und Joseph bedeutet, mit einem beeinträchtigten Kind in einer Familie zu leben.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Selbstbestimmt - Die Reportage | 03. Juli 2022 | 08:00 Uhr