Porträt Barbara Reichert: Von der Friedensaktivistin zur Militärseelsorgerin in Thüringen
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16. Januar 2020, 09:40 Uhr
In ihrer Jugend war sie Friedensaktivistin. Sie studierte Kirchenmusik und arbeitete als Lehrerin. Heute organisiert Barbara Reichert nicht nur Gottesdienste für Soldaten in Thüringen, sondern reist auch in Kriegsgebiete. Von einem Schlüsselerlebnis, das sie umdenken ließ und vom Halt im Glauben, erzählt sie im Porträt.
"Jeder Mensch hat ein Recht darauf, seinen christlichen Glauben zu praktizieren. Das gilt auch für Soldaten", sagt Barbara Reichert resolut. Die 56-Jährige ist in Thüringen als Pfarrerin für die Seelsorge von Soldaten zuständig. In ihrer Jugend war sie Friedensaktivistin. Sie studierte Kirchenmusik und bis vor sechs Jahren arbeitete sie als Lehrerin. Heute organisiert sie nicht nur Gottesdienste und Rüstzeiten, sondern reist mehrmals im Jahr auch in Krisengebiete, um die Soldaten, die dort Dienst tun, zu unterstützen.
"Der Genozid in Ruanda war mein Moment des Umdenkens"
Einen Widerspruch sieht sie darin nicht. Im Gegenteil: Sie wolle bei den Streitkräften für christliche Werte einstehen, sagt Barbara Reichert. Dabei dachte sie nicht immer so, war pazifistisch eingestellt. Ihr Blick auf Auslandseinsätze habe sich mit dem Genozid in Ruanda 1994 geändert, bei dem in nur wenigen Wochen 800.000 Menschen, vor allem Angehörige der Tutsi, von radikalen Hutu umgebracht worden waren, erzählt sie:
Dieser Genozid hätte verhindert werden können, wenn Militär früher und auch mit einer bestimmten Schlagkraft eingegriffen hätte, UN-Blauhelme haben dort nichts mehr genützt. Ruanda - das war mein Moment des Umdenkens.
Heute steht sie voll hinter der "Truppe". In vielen Auslandseinsätzen hat sie schon Kameraden getauft, stand ihnen bei Verwundungen zur Seite oder hielt Trauergottesdienste. Sie möchte Soldaten stützen und mit ihrem Glauben Halt geben - gerade denen, die unter posttraumatischen Belastungsstörungen leiden: "Ich arbeite auch mit Soldaten, die im Kriegsgebiet unter Beschuss standen." Viele stellten sich angesichts einer solchen Gewalterfahrung die Sinnfrage, weiß Reichert: "Ich kann aus meiner Erfahrung nur sagen, dass der Glauben ein ganzes Stückchen durch solche Zeiten trägt."
Chance, ins Gespräch zu kommen
Was viele Menschen überfordern würde, sieht Barbara Reichert als Chance, ins Gespräch zu kommen und Hoffnung zu geben: "Ich finde es schön, wenn ich solche ehrlichen Fragen nach Gott und Glauben und Welt gestellt bekomme." Auf die Frage, wie man bei so vielen unheilvollen Zuständen noch an Gott glauben könne, entgegne sie:
Wenn Sie mal Gott als Synonym für Liebe, Ehrlichkeit, Vertrauen setzen, all die vielen Namen, die Gott auch hat, dann kann das die Welt und unser Zusammenleben nur besser machen. Alles andere wäre Verzweiflung pur.
Dieses Thema im Programm: MDR FERNSEHEN | Glaubwürdig | 11. Januar 2020 | 18:45 Uhr