Ein Schild weist auf ein islamisches Bestattungsfeld hin 4 min
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Fast überall ist die Sargpflicht bei muslimischen Bestattungen entfallen – außer in Sachsen und Sachsen-Anhalt. Dennoch wollen zwei Drittel der türkischstämmigen Muslime im Herkunftsland beigesetzt werden.

MDR KULTUR - Das Radio So 04.02.2024 06:00Uhr 04:07 min

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Letzte Ruhe in der Heimat? Neue Studie: Muslimische Bestattungen in Deutschland

04. Februar 2024, 04:00 Uhr

Fast überall ist die Sargpflicht bei muslimischen Bestattungen entfallen – außer in Sachsen und Sachsen-Anhalt, wo sich das aber auch noch 2024 ändern soll. Noch wollen etwa zwei Drittel der türkischstämmigen Muslime in ihrer Heimat beigesetzt werden, wie eine neue Studie zeigt. Doch in den nachfolgenden Generationen gibt es einen anderen Trend.

Gemeinsam mit ihrem Mann Yasim bietet die Bestatterin Senay Celebi Beerdigungen für Musliminnen und Muslime an. Dazu gehört beispielsweise, dass die Hinterbliebenen sich beteiligen können, wenn die Verstorbenen rituell gewaschen werden. Das sei eine Bereicherung und auch eine große Hilfe im Prozess des Abschieds erklärt sie: "Bei uns ist jeder Schritt ein Gottesdienst für den Verstorbenen, das nehmen die Familien gern an."

Eingehüllt in weiße Tücher

Anders als bei nicht-muslimischen Bestattungen wird der Tote nicht angekleidet, sondern in weiße Tücher gehüllt. Einäscherung und Urne sind im Islam tabu: "Der Körper muss unversehrt bleiben und als Ganzes in die Erde zurückgebracht werden. Eine Feuerbestattung kommt im Islam nicht in Frage", führt die Bestatterin Senay Celebi aus.

Nach islamischen Ritus sollen die Verstorbenen so schnell wie möglich bestattet werden. Dazu merkt Thomas Lemmen, Professor an der  Katholischen Hochschule Nordrhein-Westfalen, an: "Lange Zeit war es so, dass die Bestattungsgesetze eine Frist von 96 Stunden vorsahen. Um einen Scheintod auszuschließen, musste man so lange warten." Inzwischen sei die Frist nach deutschem Gesetz auf 48 Stunden heruntergesetzt.

Gäste einer muslimischen Bestattung beten am geschlossenen Grab auf dem Landschaftsfriedhof Gatow in Berlin-Spandau.
Muslimische Bestattungen folgen festen Ritualen. Bildrechte: picture alliance / Christoph Soeder/dpa

Sargzwang nur noch in Sachsen-Anhalt und Sachsen: Änderung angekündigt

Eine Rose vor einem Grabstein mit Stern und Halbmond.
Insgesamt gibt es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen rund ein Dutzend islamische Grabfelder.   Bildrechte: IMAGO / epd

Thomas Lemmen hat soeben eine Studie über islamische Bestattungen auf deutschen Friedhöfen veröffentlicht. Er betont, dass es inzwischen auch vielerorts in Deutschland die Möglichkeit gebe, Verstorbene nur im Leichentuch beizusetzen und viele Friedhöfe dies auch zuließen: "14 Bundesländer haben den Sargzwang abgeschafft, damit können die Friedhofsträger ihrerseits Bestattungen ohne Sarg zulassen, was tatsächlich drei Viertel der Friedhofsträger in der Praxis machen."

Lediglich in Sachsen-Anhalt und Sachsen gibt es noch die Sargpflicht. Allerdings: In beiden Bundesländern soll noch 2024 das Bestattungsgesetz geändert und der Weg frei gemacht werden für eine sarglose Bestattung. Insgesamt gibt es in Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen rund ein Dutzend islamische Grabfelder.  

Bei einer muslimischen Beerdigung spricht der Imam das Totengebet für den Verstorbenen. Bei der sarglosen Bestattung wird der in Leinen gehüllte Leichnam mit dem Rücken auf die Erde gelegt, der Kopf wird leicht Richtung Mekka gedreht. Über den Körper legen die Bestatter Holzbretter, erklärt Senay Celebi. Das solle verhindern, dass die Erde sofort auf den Körper fällt: "Der Körper wird etwas geschützt durch die Holzbretter, die schräg über dem Leichnam angeordnet werden." Dadurch werde der Verwesungsprozess etwas verzögert.

Studie zu muslimischen Bestattungen in Deutschland

Studienautor Thomas Lemmen beobachtet: Immer mehr Musliminnen und Muslime, die selbst nicht in Deutschland geboren wurden, wollen sich hierzulande bestatten lassen. Dennoch gebe es Unterschiede: In der ersten Generation der Migrantinnen und Migranten aus der Türkei wollten noch rund zwei Drittel ihre letzte Ruhestätte im Herkunftsland finden. Als Motiv nennt Lemmen den Wunsch nach Rückkehr "wenigstens im Tod". Da seien "die familiären Verbindungen ins Heimatdorf, die Vorstellung, dass die islamischen Riten eben doch besser dort einzuhalten sind oder die Kostenfrage." Die Überführung sei günstiger als eine Bestattung in Deutschland, so Lemmen. Nicht zuletzt sei die Vorstellung wichtig, "dass dort mehr Menschen ans Grab gehen und Fürbitte halten."

Auch Bestatter Yasim Celebi möchte einst in seinem türkischen Heimatort beerdigt werden: "Mein Vater ist noch da, meine Schwester und mein Bruder, wir haben noch einen guten Kontakt."

Bei den aus Bosnien stammenden Musliminnen und Muslimen will die Hälfte in der ursprünglichen Heimat bestattet werden; bei den arabischen nur ein Drittel. Und je länger muslimische Migrantinnen und Migranten in Deutschland leben, desto eher wollen sie auch hier ihre letzte Ruhe finden.

Stichwort: Muslimische Bestattungen Muslimische Gräber sind traditionell nach Mekka auszurichten. Die Grabfelder sollen ausschließlich Muslimen vorbehalten sein. Es sollten sich darauf keine früher genutzten Gräber befinden.

Muslime sollen ihre Toten möglichst innerhalb von 24 Stunden nach dem Sterbefall bestatten. Gemäß islamischer Gesetze sollen die Toten nach einer Waschung in Leinentüchern sarglos bestattet werden. Eine sarglose Bestattung ist jedoch noch nicht in allen Bundesländern gestattet.

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 04. Februar 2024 | 09:15 Uhr