Ein Mann geht an den Fenstern des Lutherheims vorbei
Bildrechte: MDR/Andreas Roth

Sächsische Landeskirche Die Zwickauer Luthergemeinde lebt vom Ehrenamt und ist gegen eine Gemeindefusion

15. November 2024, 04:00 Uhr

Eigentlich ist klar: Wenn die Kirche schrumpft, müssen Gemeinden zusammengelegt werden, und so ist auch der Plan der evangelischen Landeskirche in Sachsen. Die Zwickauer Luthergemeinde sieht das anders. Sie ist klein, strahlt mit ihren sozialen Angeboten in der prekären Bahnhofsvorstadt aber weit in den Stadtteil aus. Dieses Engagement sieht sie durch ein Aufgehen in großen Strukturen gefährdet.

Susi Rybandt wohnt gegenüber der Zwickauer Lutherkirche, doch hineinzugehen, das hat sie sich lange nicht getraut. Schließlich wagte sie den Schritt in die Luthergemeinde, die hinter großen Schaufenstern im Zwickauer Bahnhofsviertel ihre Gemeinderäume hat.

Das ist das, was ich an Luther so schätze: Man ist mittendrin, man darf sofort helfen. Wenn man möchte, ist man integriert, und es gibt gar kein Gefühl der Fremde. Man ist sofort eine große Familie.

Susi Rybandt

Susi Rybandt singt nun im Frauenhauskreis der Gemeinde mit, bäckt Kuchen für das Krippenspiel der Kinder, schreibt für das Gemeindeblatt. Nur rund 500 Mitglieder hat die Luthergemeinde, 150 von ihnen sind ehrenamtlich aktiv.

Zwei Frauen, mit einer Gruppe Kindern spielend
Die "luther.kids" in der Luthergemeinde Zwickau Bildrechte: MDR/Andreas Roth

Auch das Angebot für Kinder – "luthers.kids" genannt – wird von Ehrenamtlichen wie Lysann Witzke gestaltet:

"In der Bibel lesen wir, dass Gott jeden Menschen begabt hat, jeden besonders gemacht hat. Jeder hat etwas, womit er sich einbringen kann. Manchmal sind es kleine Sachen, manchmal große. Und dass Gemeinde hier der Ort ist, wo das passieren kann, ist schon hier was Besonderes“, meint Lysann Witzke.

Gemeindefusionen wegen schrumpfender Mitgliederzahlen

Die Zwickauer Luthergemeinde ist klein – aber jung. Und ihre Mitgliederzahl ist relativ stabil. Ganz anders als in der sächsischen Landeskirche insgesamt: Deren Mitgliederzahlen schrumpfen stark und damit auch ihre Finanzen. Wie überall in Sachsen soll sich deshalb auch die Luthergemeinde nach dem Willen der Landeskirche mit größeren Nachbargemeinden zusammenschließen.

Das Projekt der Luthergemeinde ist ja so angelegt, dass es ausstrahlt in andere Gemeinden – und das wäre ja ein Gewinn, auch für die neue Struktur, die sich dann findet.

Superintendent Harald Pepel

Harald Pepel, Superintendent des Kirchenbezirks Zwickau, will in der Landeskirche größere Gemeindestrukturen schaffen mit mindestens 6.000 Mitgliedern. Sie sollen auch in einigen Jahren noch genug Kraft haben, um die Stellen von Pfarrern, Gemeindepädagogen und Kantoren tragen zu können.

In der Luthergemeinde aber bereiten Ehrenamtliche den Gottesdienst ganz ohne Pfarrer vor. Auch der Bergbauingenieur Jens Franze macht mit, dabei wurde er erst im Juni getauft.

Ein junger Mann im Porträt vor einer Bilderwand
Bergbauingenieur Jens Franze ist einer von vielen Ehrenamtlichen in der Zwickauer Gemeinde Bildrechte: MDR/Andreas Roth

Man merkt einfach, dass die ganze Luthergemeinde aus Liebe besteht. Dass auf einen zugekommen wird, dass wirklich Interesse da ist. Die Luthergemeinde schafft so ein richtig familiäres Gefühl.

Jens Franze

Kleine Struktur als Schlüssel zum Erfolg

All das ist nur in einer kleinen, eigenständigen Struktur möglich. Davon sind viele in der Luthergemeinde überzeugt. Deshalb wehren sie sich gegen eine Fusion mit den Zwickauer Innenstadtgemeinden, sagt Andreas Körnich, Vorsitzender der Kirchgemeindevertretung und hauptberuflich als Lehrer tätig.

"Viele Mitarbeiter bringen sich zehn, zwanzig Stunden pro Woche mit ganzem Herzblut ein. Aber wenn die Wege komplizierter werden und man um das Projekt aufrecht zu halten viel mehr Umwege gehen muss, dann ist das ehrenamtlich nicht mehr zu stemmen“, glaubt Körnich.

Der Zwickauer Superintendent Harald Pepel dagegen meint,wie auch die Spitze der Landeskirche, die Lebendigkeit einer Gemeinde hänge nicht an ihrer juristischen Struktur.

"Auf der einen Seite ist Gemeinde theologisch schon da, wenn sich zwei oder drei versammeln, dieses Wort Jesu ist ja allen bekannt. Und das Zweite ist die strukturelle Zuordnung einer Gemeinde. Es ist nun einmal so, dass Kirche sich über Jahre, Jahrhunderte immer verändert hat. In diesen Prozessen sind wir jetzt", so Superintendent Pepel.

In der Luthergemeinde aber sind viele überzeugt: Gemeinde muss klein und übersichtlich bleiben, um vielleicht auch einmal wieder wachsen zu können.

Kerze
Familiäre Atmosphäre in der Luthergemeinde Bildrechte: MITTELDEUTSCHER RUNDFUNK

Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 17. November 2024 | 09:15 Uhr