Jubiläum 100 Jahre kirchliche Verkündigung im Radio
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29. Dezember 2023, 04:00 Uhr
Im Oktober 1923 begann in Berlin der Rundfunkbetrieb. Ein Jahr später – vor 100 Jahren – wurden die ersten kirchlichen Sendungen ausgestrahlt und markierten den Beginn der christlichen Rundfunk-Verkündigung, auch in Mitteldeutschland. Anfangs standen die Kirchen dem Radio skeptisch gegenüber, doch das änderte sich bald.
"Achtung, Achtung! Hier ist die Sendestelle Berlin, im Vox Haus. Auf Welle 400 Meter." Mit diesen Worten startet in der Potsdamer Straße im Herbst 1923 der erste deutsche Radiosender "Funkstunde“ seinen regelmäßigen Sendebetrieb.
Schon wenige Monate später werden die Kirchen gebeten, sich am neuen Medium zu beteiligen. Doch die Begeisterung hält sich in Grenzen und die Bedenken seitens der Kirche sind groß, so der Theologe und Senderbeauftragte der katholischen Kirche Guido Erbrich.
Was machen wir, wenn die Leute bei den Morgenfeiern lieber vor dem Radio sitzen, Zigarre rauchen, Kaffee trinken, als zum Gottesdienst zu gehen?
Und die Germanistin Anna-Maria Balbach ergänzt: “Es ging so weit, dass es nicht nur Skepsis gab, sondern in Breslau hatte die evangelische Landeskirche all ihren Seelsorgern verboten, im Radio mitzuwirken, weil man dieses "Predigtfunken" für eine absolute Geschmacklosigkeit hielt."
Durch das Radio mehr Gläubige erreichen
Doch es dauerte nicht lange, da erkennen auch die Kirchen die Möglichkeiten der Radio-Verkündigung. Mit den sonntäglichen Morgenfeiern kann man hunderttausende Hörerinnen und Hörer erreichen. Auch die Konkurrenz zwischen Protestanten und Katholiken beflügelt die Anstrengungen: Man will vermeiden, hinter der jeweils anderen Konfession zurückzubleiben.
Die Münsteraner Germanistin Anna-Maria Balbach hat sich mit der Geschichte der Radioverkündigung beschäftigt. Überrascht hat sie, dass die Nationalsozialisten den Kirchen zunächst mehr Sendezeiten zur Verfügung stellen. Sie wähnen anfangs vor allem die damals nationalkonservative evangelische Kirche an ihrer Seite.
Doch das hält nicht lange an und Hitler verbannt per Befehl die religiösen Sendungen aus dem Radio. Auch erboste Zuschriften von Hörerinnen und Hörern können daran nichts ändern. Der Befehl hat Bestand.
Sonntägliche Verkündigungs-Sendungen auch im DDR-Radio
Nach 1945 wollen die Siegermächte, auch die Sowjetunion, dass den Kirchen Sendezeiten im Radio garantiert wird. Denn die Kirchen gelten als unbelastet.
Auch im Radio der DDR erhalten die Kirchen ihre sonntäglichen Sendezeiten. Christhard Wagner, dessen Vater Heinz über 30 Jahre der Rundfunkbevollmächtigte der evangelischen Kirchen in der DDR war, betont, dass es eine Zensur nicht gegeben habe.
Aus den Berichten meines Vaters kann ich berichten, dass er keine seiner Predigten jemals vorgelegen musste. Es ist auch keine Predigt nicht zugelassen worden.
Christhard Wagner, der ab 2011 zehn Jahre lang Beauftragter der evangelischen Kirche beim Thüringer Landtag war, erinnert sich an die Hoffnungen im Wende-Jahr 1989: “ Wir hatten 1989 recht naive Träume. Es öffneten sich viele Türen, aber nicht für uns allein. So schwierig es war, in der DDR Öffentlichkeit herzustellen, so schwierig ist es heute, in der Flut der Bilder und im Lärm der Stimmen wahrgenommen zu werden.“
Und das gilt noch immer - gerade im Sendegebiet des Mitteldeutschen Rundfunks, in dem nur noch zwanzig Prozent der Bevölkerung einer Kirche angehören.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 01. Januar 2024 | 10:00 Uhr