Neue Studie Akzeptanz oder Abgrenzung: Der Umgang mit Pädosexualität in der HuK
Hauptinhalt
22. April 2024, 09:18 Uhr
Die ökumenische Arbeitsgruppe Homosexualität und Kirche (HuK) existiert seit 47 Jahren. Sie hat in dieser Zeit viel für die Anerkennung von gleichgeschlechtlich liebenden Menschen erreicht. Doch auf der Geschichte der HuK liegt ein Schatten: ihr lange Zeit ungeklärtes Verhältnis zur Pädosexualität. Nun hat eine Studie Licht in dieses Kapitel gebracht.
Markus Gutfleisch ist Mitglied der HuK, der ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexualität und Kirche. Und er ist einer der Initiatoren eines Aufarbeitungsprozesses. Denn lange Zeit hatte die HuK keine eindeutige Haltung zur Pädosexualität. Ein Teil seiner Vereinsmitglieder habe das Thema Sexualität von Erwachsenen mit Kindern "eben ausschließlich aus Sicht der Erwachsenen gesehen, also aus der Sicht der pädosexuell veranlagten Menschen, die das auch leben wollten. Die Sicht auf Kinderschutz, die hat uns gefehlt, und das war unser grundlegender Fehler“, so Markus Gutfleisch.
Pädosexuelle hätten der HuK nur vereinzelt angehört, meint Franz Kaern-Biederstedt, Vereinsmitglied in Leipzig. Vielen HuK-Mitgliedern sei es aber – heute kaum nachvollziehbar - um Solidarität mit Pädophilen gegangen.
In den 1970er-,1980er- und Anfang der 1990er-Jahren gab es eine große Solidaritätsbewegung zwischen der homosexuellen Bewegung und anderen sexuellen Befreiungsbewegungen, wozu auch die pädosexuelle Bewegung gehörte. Und irgendwie hat man sich solidarisch gefühlt.
Eine große Rolle bei der indifferenten und zum Teil wohlwollenden Haltung der HuK zur Pädosexualität spielte Helmut Kentler, in den 1970er- und 1980er-Jahren einer der führenden Sexualwissenschaftler in Deutschland. Kentler war Mitglied der HuK und trat nicht nur für die Entkriminalisierung von Homosexualität ein. Selbst pädophil, hatte er in von ihm so bezeichneten Experimenten schwer erziehbare Jugendliche in die Obhut pädosexueller Männer vermittelt.
"Kentler ist auch jemand gewesen, der Pädosexualität immer bagatellisiert hat und da überhaupt keine Trennung gesehen hat, sondern davon ausgegangen ist, dass auch kleine Kinder vollwertige Sexualwesen seien", berichtet Klaus Große Kracht. Der Historiker hat im Auftrag der ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche erforscht, wie in den ersten 20 Jahren der Vereinsgeschichte deren Verhältnis zur pädosexuellen Szene aussah.
Distanzierung von Pädosexualität erst nach Druck von außen
Der Anstoß für die HuK, sich Mitte der 1990er-Jahre dann doch öffentlich gegen Pädosexualität zu positionieren, kam schließlich von außen. Dem internationalen Lesben- und Schwulenverband drohte, der Status einer beratenden UN-Organisation aberkannt zu werden, wenn er sich nicht eindeutig von pädosexuellen Gruppen distanzierte. Das tat der Weltverband dann auch und machte seinerseits Druck auf alle mit ihm verbundenen Schwulen- und Lesbengruppen – so auch auf die HuK.
In der HuK standen sich nun zwei Lager gegenüber: diejenigen, die an der Solidarität mit den Pädosexuellen festhalten wollten und jene, die sich von ihnen zu distanzieren versuchten.
Jene, die Pädosexualität ablehnten, hatten eine knappe Mehrheit im Verein – vor allem durch das engagierte Auftreten der wenigen Lesben in der HuK.
"Wir sehen ab den 1980er-Jahren, dass das Thema Pädosexualität sehr stark von der Frauenbewegung hervorgebracht worden ist. Die Themen und Argumente aus der Frauenbewegung sind über lesbische Mitglieder der HuK dort hineingekommen und haben dafür gesorgt, dass 1997 ein radikaler Schlussstrich gezogen werden konnte“, so der Historiker Klaus Große Kracht.
Der Unvereinbarkeitsbeschluss der Mitgliederversammlung im Mai 1997 stellte unmissverständlich klar, dass es sich um Missbrauch handelt, "wenn Erwachsene ihre Macht- und Autoritätsposition sowie ihren Wissensvorsprung ausnutzen, um ihre eigenen Bedürfnisse auf Kosten von Kindern zu befriedigen.“
Ziel der Aufarbeitung war, sich den Fehlern der Vergangenheit zu stellen
Dass sich die Huk nun ihrem Verhältnis zur Pädosexualität in der Vergangenheit gestellt hat, sei nicht von allen im Verein begrüßt worden, sagt HuK-Mitglied Markus Gutfleisch.
Aber für die Mehrheit der Vereinsmitglieder sei klar gewesen, dass das Thema Pädosexualität nicht verschwiegen werden dürfe:
Wir wollen ganz klar, dass bei uns in der Gruppe der Schutz von Kindern und Jugendlichen, von ratsuchenden Menschen im Vordergrund steht. Das heißt, dass Menschen sicher sein können: Hier könnt ihr herkommen, hier werden Grenzen eingehalten.
Das bedeutet auch, dass die HuK ihre Fehler aufarbeitet und heute eng mit der Missbrauchsbeauftragten der Bundesregierung zusammenarbeitet. So können sich Betroffene melden, die im Umfeld der HuK sexualisierte Gewalt erfahren haben und ihre Erfahrungen mitteilen.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 21. April 2024 | 09:15 Uhr