FAQ Exorzismus, Teufelsaustreibung und Befreiung von Dämonen – Was ist das?
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03. Dezember 2024, 04:00 Uhr
In unserer modernen, aufgeklärten und hochtechnisierten Welt wirken Teufelsaustreibungen oder Exorzismen, wie ein Anachronismus. Und doch gibt es sie noch immer - nicht nur in der katholischen Kirche - weltweit. Wir erklären den Ursprung und den Ablauf des Rituals.
Was versteht man unter Exorzismus?
Unter Exorzismus versteht man eine rituelle Handlung, um vermeintlich von bösen Geistern und Dämonen besessene Menschen und Tiere zu befreien. Das Wort stammt vom griechischen Begriff "exorkizein" ab und bedeutet so viel wie "herausbeschwören".
Exorzismen gehörten seit der Antike - also schon in vorchristlicher Zeit - zu gängigen Unheil-und-Dämonen-abwendenden Handlungen. Die Austreibung schädlicher Geister und Dämonen kannte man schon im Alten Orient, im Alten Ägypten, im Schamanismus und im Hellenismus.
In der Frühzeit des Christentums war der Glaube an Geister - oft übernommen aus heidnischen Traditionen - und die Notwendigkeit von Exorzismen weit verbreitet und im Volksglauben fest verwurzelt.
Auch im frühren Christentum glaubte man ganz selbstverständlich an Dämonen. In den Gemeinden gab es Priester, die die Menschen von ihnen befreiten. Die Berechtigung zum Vollzug eines Exorzismus leitete die Kirche aus dem Neuen Testament ab. Die Evangelisten berichten immer wieder davon, dass Jesus Geister austrieb.
Was ist der Exorzismus in der katholischen Kirche, wie wird er vollzogen und wer darf ihn ausführen?
Ein Exorzismus in der römisch-katholischen Kirche sind Gebete sowie Segens- und Beschwörungsformeln. Diese werden in lateinischer Sprache gesprochen.
Es gibt auch eine einfache Form, den so genannten "Kleinen Exorzismus“. Der wird über jeden katholischen Gläubigen gesprochen, denn eine Formel des Exorzismus-Gebet ist Teil des Taufritus.
Das Ritual des so genannten "Großen Exorzismus" - das "Rituale Romanum" - stammt aus dem Jahr 1614. Es sollte die Praktiken der Dämonenaustreibungen, die Priester bis dahin jeder auf seine Weise vornahmen, vereinheitlichen und strukturieren.
Der "Große Exorzismus" darf laut Kirchenrecht von 1983 nur nach Genehmigung des zuständigen Bischofs von einem eigens dafür ausgebildeten und befähigten Priester vorgenommen werden.
1999 erarbeitete der Vatikan neue Richtlinien, damit Exorzismen nicht missbraucht werden. Darin wurden neueste Erkenntnisse der Medizin und Psychiatrie berücksichtigt. Die aktuell 90-seitige Sammlung von Gebeten, Segens- und Beschwörungsformeln ersetzte die alte Fassung aus dem Jahr 1614. Darin wird explizit hingewiesen, dass Bittgebete das Ritual bestimmen sollen.
Das Ritual
Die neue Version sieht folgenden Ablauf vor:
- Stilles Vorbereitungsgebet
- Eröffnungsriten, Kreuzzeichen, Begrüßung
- Segnung des Weihwassers und Besprengung
- Litanei, Psalmgebet, Evangelienlesung, Auflegung der Hände
- Glaubensbekenntnis oder Taufversprechen
- Vater Unser, Kreuzzeichen, Anhauchung
Es gibt zwei Exorzismusformeln:
- die fürbittende Formel/Bittgebet an Gott und
- die befehlende Formel/Beschwörung des Dämon
- Danksagung, Abschlussriten, Segen
Quelle: H. Kügler: "Teufel, Taufe und Befreiungsgebet in der Katholischen Kirche"
Nach den neuen Regelungen müssen Priester sorgfältig prüfen, ob tatsächlich ein Fall von Besessenheit vorliegt und sich vorab verpflichtend mit Medizinern und Psychiatern beraten, um etwaige psychische Erkrankungen auszuschließen. Fälle von tatsächlicher Besessenheit gelten als äußerst selten. Dafür müssen vier Kriterien erfüllt sein.
Als Kriterien der Besessenheit gelten:
"Vom Teufel besessene Menschen können mit einigen Worten in fremden Sprache sprechen, beziehungsweise sie verstehen.
Sie können auch weit zurückliegende und geheimnisvolle Ereignisse offenlegen.
Außerdem können sie über ihre Natur hinausgehende Kräfte entfalten.
Das vierte Kriterium überstrahlt die ersten drei: Solche Personen lehnen vor allem den allmächtigen Gott, den Namen Jesu, die Jungfrau Maria, die Heiligen und die Kirche heftig ab.
Das Sprichwort stimmt: Der Teufel fürchtet nichts mehr als das Weihwasser", so Pater Helmut Moll, Experte für Exorzismus und Beauftragter des Erzbistums Köln für Selig- und Heiligsprechung im Interview mit "katholisch.de"
Gibt es noch Exorzismen in Deutschland?
Während man in Polen, Italien, Österreich und der Schweiz vergleichsweise offen über Dämonenaustreibungen spricht, begegnet man dem Thema in Deutschland eher zurückhaltend.
Offiziell, von deutschen Bischöfen bestellte und bestätigte Exorzisten gibt es nicht. Der sensible und sorgsame Umgang mit dem Thema in Deutschland ist vor allem zurückzuführen auf den Fall Anneliese Michel, die nach einem an ihr durchgeführten Exorzismus mit 67 Sitzungen an Unterernährung und Erschöpfung starb.
Fast jedes Bistum in Deutschland verfügt über Anlaufstellen für Menschen, die in diesem Kontext Ansprechpartner suchen. Sie können sich an die "Beratungsstellen für Religions- und Weltanschauungsfragen" wenden.
"Es wenden sich natürlich ab und an Menschen mit solchen Anliegen an uns, denen wir dann mit seelsorgerischen Gesprächen zu helfen versuchen. Oder wir verweisen sie weiter an Fachmediziner oder Psychologen", so Manfred Nielen, Pressesprecher des Erzbistums Hamburg gegenüber der DPA.
Das bedeutet jedoch nicht, dass es in Deutschland keine Exorzismen gibt. "Die Exorzisten wirken im Verborgenen, aber wirksam und befreiend. Solche Priester müssen sich durch Frömmigkeit, Wissen, Klugheit und untadeligen Lebenswandel auszeichnen, das schreibt das Kirchenrecht vor", so Pater Helmut Moll gegenüber "katholisch.de"
Welches war der letzte bekannte Fall von einem Exorzismus in Deutschland?
Der Fall der "Austreibung" an der 23 Jahre alten Studentin Anneliese Michel aus Klingenberg in Bayern hat im katholischen Deutschland ein Trauma ausgelöst und wirkt bis heute nach. Sie war 1976 nach einem Exorzismus in ihrem Elternhaus gestorben. Die Eltern und die beteiligten Priester wurden wegen unterlassender Hilfeleistung zu Bewährungsstrafen verurteilt. Spätere medizinische Gutachten kamen zu dem Schluss, dass Anneliese Michel nicht nur an Epilepsie, sondern auch an einer schweren psychogenen Psychose litt.
Ihr Fall sorgte damals für Schlagzeilen. Die katholischen Bischöfe in Deutschland einigten sich darauf, dass von da an der Ritus eines Exorzismus verpflichend medizinisch betreut und begleitet werden muss.
Exorzismen gibt es nicht nur in der römisch-katholischen Kirche. In freien christlichen Gemeinschaften werden vermeintlich Besessene von Dämonen, Geistern oder gar vom Teufel befreit. Einheitliche Kriterien für den Exorzismus wie in der katholischen Kirche gibt es dort nicht.
Quellen: MDR, DLF, dpa, katholisch. de
Dieses Thema im Programm: ARD Videopublisher | Gesund durch Jesus? Exorzismus und Heilungsdienste 2.0 | 25. November 2024 | 00:00 Uhr