Tan Caglar über seinen Tinder-Selbstversuch Wie geht Online-Dating mit Behinderung?
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03. Mai 2024, 15:49 Uhr
Jede fünfte Beziehung entsteht übers Online-Dating. Klingt unromantisch, besonders im Wonnemonat Mai, bedeutet für Menschen mit Behinderungen aber vielleicht auch eine Chance. Comedian und Schauspieler Tan Caglar hat einen Selbstversuch bei Tinder gestartet. Denn neben seiner Rolle als Chirurg Dr. Ilay Demir in der Serie "In aller Freundschaft" ist er Host für das inklusive MDR-Format "Selbstbestimmt", das am 3. Mai mit einer neuen Staffel in der ARD Mediathek startet.
MDR KULTUR: Jede fünfte Beziehung entsteht derzeit übers Online-Dating – und es werden eher mehr als weniger. Was für die einen unromantisch klingt, ist für andere vielleicht eine Chance: Menschen mit Behinderungen können sich online so präsentieren, wie sie gesehen werden wollen und erreichen mehr potentielle Partner und Partnerinnen. Doch funktioniert das auch?
Tan Caglar, Comedian, Schauspieler, "Selbstbestimmt"-Host: Ja, es ist natürlich die Präsentation der besten Seiten, das Negative kann man erstmal weglassen. Das kommt dann später durch. Wie in jeder Beziehung. Der Vorteil: Man kann online erstmal abwarten und sacken lassen, was der andere geschrieben hat. Man muss nicht sofort antworten, wie wenn man sich persönlich gegenübersteht. Der Nachteil: Dass man keinen persönlichen Eindruck haben kann, sondern eben nur das, was der andere von sich präsentieren möchte.
Comedian Kai Bosch zeigt sich im Gespräch mit Ihnen frustriert, weil er immer wieder Absagen einstecken muss, er sagt: "Bei denen ohne Behinderung geht es neutral los, wir müssen uns beim Dating aus dem negativen Bereich hocharbeiten." Wie nachteilig ist eine Behinderung bei der Partnersuche, wie sehen Sie das?
Es hat natürlich immer was mit Unsicherheit zu tun. Wenn ich jetzt jemanden über eine Dating-App kennen lerne und der dann sagt: "Ich habe eine Behinderung." Dann fragt man sich natürlich als erstes, wie beeinflusst mich oder uns das Ganze. Also was mache ich, wenn ich ein passionierter Skifahrer bin und einen Rollstuhlfahrer kennen lerne, also hat sich das dann erledigt? Suche ich mir den Menschen danach aus, ob er gut zu meinen Hobbies passt? Oder geht es mir um die Person selbst mit ihren eigenen Eigenschaften? Und das, glaube ich, ist der entscheidende Faktor.
Sie haben einen Selbstversuch gestartet bei Tinder und sich einmal im Profil-Foto mit und ohne Rollstuhl präsentiert. Wie fällt die Bilanz aus?
Ja, die Frage: Was stellst du für ein Foto ein?, die hatte ich auch schon vor unserem Versuch für "Selbstbestimmt". Mit Rollstuhl, da traut sich vielleicht die eine oder andere Dame nicht, dich anzuschreiben. Nimmst du eins ohne, fliegt dir das vielleicht beim ersten Date um die Ohren. Um das zu vermeiden, kann man sich natürlich was einfallen lassen und drunter schreiben: "Bin nicht so der Typ, der Frauen hinterherläuft." Oder: "Suche Frau im Erdgeschoss", dann hat man schon mal einen Hinweis eingebaut und kann damit sagen: "Hey, pass' mal auf, das ist für mich nicht das Wichtigste!"
Ich glaube, der größte Vorteil für Menschen mit Behinderungen bei so einer Dating-App ist tatsächlich, erstmal gar nicht so zu thematisieren, was man für eine Behinderung hat, sondern erstmal zu zeigen: "Hey, was hab' ich denn sonst so für – jetzt hätte ich fast gesagt – Eigenschaften. Eine Behinderung ist ja keine Eigenschaft, sondern ein Fakt, der mitschwingt.
Was wirklich interessant war bei den beiden Profilen, dass ich mehr Zuschriften bekommen habe bei dem Profil mit Rollstuhl.
Welchen Schluss haben Sie daraus gezogen?
Es gibt mehrere Ansätze: Es kann sein, dass eine Frau in die Richtung denkt: "Ja, wenn der im Rollstuhl sitzt, dann hat er wahrscheinlich schon einen sehr gestärkten Charakter. Er hat viel durchgemacht." Keine Ahnung. Man kann es humoristisch erklären. Dann sagt sie sich: "Der kann mir nicht weglaufen." Oder: "Er sitzt im Rollstuhl, da habe ich vielleicht ganz gute Chancen, weil der vielleicht sonst nicht so viele Angebote kriegt." Vielleicht ist das auch eine Denkweise, oder?
Abgesehen davon glaube ich, dass es nochmal ein ganz großer Unterschied ist, ob man als Mann eine Behinderung hat oder als Frau. Ich denke, dass Männer viel zu banal denken und immer diese Perfektion suchen, Frauen sind da viel weiter und viel intelligenter. Ich würde sagen, es geht ihnen eher um die Persönlichkeit.
Was wünschen sich Menschen – ganz besonders die mit Behinderungen oder chronischen Erkrankungen, wenn sie auf Partnersuche sind?
Auf jeden Fall erstmal eine Chance, sich als Persönlichkeit, als Mensch zu beweisen. Und wenn dann die Behinderung immer noch so sehr im Vordergrund steht, dann ist es auch okay. Dann muss man ehrlich sein und sagen: "Tut mir leid, es stört mich. Ich kann damit nicht so gut umgehen." Dann ist es ja auch nicht die richtige Person für den Menschen mit der Behinderung. Es muss ja ein gegenseitiges Aufeinander-Zukommen geben. Das ist, glaube ich, das Wichtigste.
Quelle: MDR KULTUR (Annett Mautner) / Redaktionelle Bearbeitung: ks
Veranstaltungstipp
Geht nicht? Gibt's nicht
Comedy mit Tan Caglar
11. Mai 2024, 20 Uhr
Theater in der Grünen Zitadelle
Breiter Weg 8a
39104 Magdeburg
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | 02. Mai 2024 | 17:10 Uhr