Religion Im Porträt - Der neue anhaltische Kirchenpräsident Karsten Wolkenhauer
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28. März 2025, 16:45 Uhr
In der Köthener St. Jakobs-Kirche wird am 29. März der neue Kirchenpräsident der Landeskirche Anhalt feierlich in sein Amt eingeführt. Karsten Wolkenhauer heißt der neue an der Spitze der kleinsten evangelischen Landeskirche Deutschlands. Er übernimmt das Amt, nachdem es längere Zeit unbesetzt war. Doch wer ist der neue leitende Geistliche in Anhalt?
In den letzten Wochen war Karsten Wolkenhauer auf Erkundungstour. Auch wenn die Landeskirche klein ist, so gibt es vieles zu entdecken, zum Beispiel die Weltkulturerbe-Stätte Bauhaus Dessau.
Unterwegs sein bedeutet für ihn: Zuhören, Nachfragen, sich gelegentlich Notizen machen. Das Bauhaus als Ort der klassischen Moderne ist für den neuen Kirchenpräsidenten eine wichtige Inspirationsquelle.
"Ich glaube, dass wir unglaublich viel von dieser Tradition lernen können. Mich spornt das Bauhaus immer wieder an. Die Interdisziplinarität, das Aufheben der Grenzen zwischen verschiedenen Menschen. Da fühle ich mich immer wieder herausgefordert für das, was wir tun. Miteinander zu guten Lösungen kommen und sich auf das Wesentliche beschränken, das wird für die nächsten Jahre für uns als Kirche essentiell sein" erklärt Karsten Wolkenhauer.
Das Büro im Landeskirchenamt steht noch leer. Sein Amtsvorgänger hatte viel historisches Mobiliar aus Eiche. Wolkenhauer hingegen setzt auf eine moderne Büroausstattung. Ansonsten jedoch kommt er nicht als Umstürzler.
Der neue Kirchenpräsident hat nach seinem Theologie-Studium zunächst als Unternehmensberater gearbeitet und wechselte erst später in den Gemeindedienst. Mit 25.000 Mitgliedern ist die Landeskirche Anhalt kein Schwergewicht. Für Karsten Wolkenhauer ist das vor allem eine Chance.
Ich glaube, eine kleine Kirche hat sehr gute Zukunftsmöglichkeiten.
"Ich glaube, eine kleine Kirche hat sehr gute Zukunftsmöglichkeiten. Wir sind sehr nah an den Menschen. Wir kennen uns gegenseitig. Wir wissen sehr gut, was in unserer Landeskirche läuft. Wir haben die Möglichkeit, mit einer kleinen Synode zu sehr agilen Beschlüssen zu kommen. Ich glaube, Anhalt hat die große Zeit erst noch vor sich", so der neue Kirchenpräsident.
Die anhaltische Kirche
Die anhaltische Kirche ist die kleinste der 20 Gliedkirchen der EKD. Aktuell gehören ihr laut der Finanzdezernentin rund 23.985 Mitglieder. Diese Zahl wird demnach in den nächsten Jahren deutlich sinken. Um das Jahr 2030 werde vermutlich die Anzahl von 20.000 unterschritten.
Ab 2060 soll sich die Mitgliederzahl auf etwa 11.000 reduzieren. Als Gründe für den kontinuierlichen Rückgang werden Austritte und das hohe Durchschnittsalter der Gemeindeglieder genannt. Das Gebiet der Landeskirche umfasst im Wesentlichen das frühere Fürstentum und spätere Herzogtum Anhalt.
Das Schrumpfen von Gemeinden und Finanzen, die zunehmende Individualisierung der Gesellschaft und damit einhergehend der Bedeutungsverlust der Kirchen, all das beobachtet Karsten Wolkenhauer. Diese Entwicklungen stellen neue Fragen an die Gemeinden. Und das betrifft auch die politische Situation, so Karsten Wolkenhauer.
"Wir bewegen uns auf sehr schwierige Zeiten zu. Der enorme Ruck in Amerika hat gezeigt, was uns auch bevorstehen könnte. Die Bundestagswahlen sprechen mit den Wahlkreisen in Sachsen-Anhalt eine sehr deutliche Sprache. Ich glaube, wir werden uns auf eine gesellschaftliche Funktion vorbereiten müssen, die uns zwar nicht in die Wiege gelegt ist, für die wir aber prädestiniert sind", sagt Karsten Wolkenhauer.
Ort für offenen Diskurs sein
Der Kirchenpräsident blickt dabei auch auf eine sehr spezifisch ostdeutsche Tradition: Die Kirchengemeinden als ein Ort für Debatten und Diskussionen, und zwar jenseits der offiziellen Denkmuster. Eine solche Rolle müssten nun die Gemeinden wieder ausfüllen.
Die Kirche hatte hier im Osten lange Zeit diese Funktion, der Ort zu sein, wo man offen sprechen darf. Diese Funktion müssen wir viel stärker wieder einnehmen. Denn ich erlebe, dass es in unserer Gesellschaft immer weniger Orte gibt, wo man mit ganz unterschiedlichen Meinungen miteinander in einem gelingenden Diskurs ist. Wir driften immer mehr auseinander.
In Umbruchszeiten geistig beweglich bleiben
Karsten Wolkenhauer übernimmt das Amt in Umbruchzeiten. Dinge ändern sich plötzlich und was heute noch gilt, könnte morgen schon ganz anders sein. Also geistig beweglich bleiben und trotzdem die christliche Weltsicht zu bewahren – für Kirchenleitungen ist das genauso herausfordernd wie für die Gemeinden.
Dieses Thema im Programm: MDR KULTUR - Das Radio | Religion und Gesellschaft | 30. März 2025 | 10:00 Uhr