Regie Fragen an Umut Dağ
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Umut Dağ (Regie)
In diesem Polizeiruf bleibt vieles lange unklar. Als Regisseur nehmen Sie die Zuschauer mit auf eine Zeitreise, in der die Ebenen filmisch oft miteinander zu verschwimmen scheinen. Welche Rolle spielt Zeit für Sarah, die Hauptfigur in diesem Film – eine Frau mittleren Alters, die bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt wurde?
Umut Dağ: Für Sarah ist Zeit enorm wichtig, da diese eng mit ihrer geheimnisvollen und zugleich traumatischen Vergangenheit verknüpft ist. Noch bevor der Verkehrsunfall geschieht, wird deutlich, wie gezeichnet sie von ihrem bisher erlebten ist. Während Sarah nach dem Unfall im Koma liegt, wird die Bedeutung ihrer Vergangenheit durch die Ermittlungen von Kommissarin Brasch noch verstärkt. Auch Brasch taucht tief in die vergangene Zeit ein, um Antworten auf die offenen Fragen zu finden – nicht nur zu Sarahs Leben, sondern auch zu den Ereignissen, die alles miteinander verbinden. Diese doppelte Perspektive auf die Zeit schafft eine intensive emotionale Verknüpfung zwischen den beiden Figuren und treibt damit auch die Spannung der Geschichte auf den Höhepunkt.
Was sind aus Ihrer Sicht noch weitere Gründe für die herausragende Spannung in diesem Film?
Die Spannung entsteht unter anderem durch die ungewöhnliche Erzählweise, die zwischen zwei Zeitebenen wechselt und die Zuschauer immer tiefer in Sarahs Geschichte und damit auch ihr Geheimnis eintauchen lässt. Ihre Vergangenheit ist so rätselhaft und emotional, dass man förmlich dazu gedrängt wird, weiterzugraben, um die Wahrheit zu erfahren. Gleichzeitig sorgt die intensive Ermittlungsarbeit von Kommissarin Brasch dafür, dass sich die Puzzleteile langsam zusammenfügen, sodass die Spannung kontinuierlich weiter steigt. Diese Mischung aus psychologischer Tiefe, vielschichtigen Figuren und einem emotional geladenen Geheimnis macht den Film einzigartig.
„Widerfahrnis“ ist der erste Polizeiruf 110, bei dem Sie Regie führen und gleichzeitig der 20. Fall für die Kommissarin Brasch und den Kriminalrat Lemp. Warum passt die Geschichte von Sarah aus Ihrer Sicht gut zum Polizeiruf-Team aus Magdeburg?
Dieser Film ist etwas ganz Außergewöhnliches, nicht nur für die Reihe, sondern auch für alle, die daran gearbeitet haben. Die Geschichte von Sarah fügt sich dabei perfekt in das Polizeiruf 110-Team aus Magdeburg ein, weil sie uns zeigt, wie stark persönliche Erlebnisse unser Leben prägen und wie sehr die Vergangenheit uns verfolgt. Kommissarin Brasch taucht tief in diese Geheimnisse ein und gibt uns das Gefühl, dass jede Wahrheit gefunden werden muss – auch wenn sie noch so schmerzhaft ist.
Gleichzeitig hat der Film für uns alle eine besondere Bedeutung, weil es der letzte Film von Pablo Grant ist, der nach den Dreharbeiten leider von uns gegangen ist. Wir hätten es uns gewünscht, dass dieser Film keine solche Bedeutung trägt, doch die traurige Realität gibt ihm nun eine zusätzliche, schmerzliche Ebene. Damit ist dieser Film ein bleibendes Zeitzeugnis für einen außergewöhnlichen Menschen, den wir sehr vermissen.
Kurzinfo Umut Dağ (Regie) geb. 1982 in Wien. Film/Fernsehen „Vienna Blood“ (2019-2023), „Der Fährmann“ (2023), „Haus der Träume“ (2021), „Die Macht der Kränkung“ (2020), Tatort „Das Monster von Kassel" (2018), „Das Deutsche Kind“ (2018), Tatort „Rebecca" (2015), „Risse im Beton“ (2014). AUSZEICHNUNGEN Romy Award for 'Best Directing Television' for DIE MACHT DER KRÄNKUNG International Romy Award 2020 für Vienna Blood“, Metropolis Director Award 2018: ‚Best TV movie direction‘ für „Das deutsche Kind“, ABU-Prize 2016 'Best TV Drama' für TATORT „Rebecca" u.a.